Hirn-Aneurysmen

Bei Blutung Clipping oder Coiling?

Das Clipping rupturierter subarachnoidaler Aneurysmen hat zwar viele Vorteile, ist aber nicht immer die beste Wahl. Vor allem junge Patienten und solche mit breitbasigen Aneurysmen scheinen häufiger vom chirurgischen Eingriff zu profitieren.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Coils -kleine weiche Platinspiralen- verhindern das Reißen der Gefäßwand in einem Hinaneurysma.

Coils -kleine weiche Platinspiralen- verhindern das Reißen der Gefäßwand in einem Hinaneurysma.

© Aktion Meditech

BERLIN. Inzwischen haben drei randomisiert-kontrollierte Studien leichte Vorteile bei der Morbidität und Mortalität für das endovaskuläre Coiling von geplatzten subarachnoidalen Aneurysmen ergeben.

So waren in der größten der drei Studien, der International Subarachnoid Aneurysm Trial (ISAT) mit über 2100 Patienten, nach einem Jahr 23,5 gestorben oder zeigten deutliche Behinderungen, bei solchen mit neurochirurgischem Clipping knapp 31 Prozent. Nach zehn Jahren waren 32 Prozent der Coiling-Patienten und 38 Prozent derjenigen mit Clipping tot oder deutlich behindert (mRS 3-6), 17 versus 21 Prozent waren gestorben. Auch die anderen beiden, deutlich kleineren Studien ergaben einen Vorteil für die endovaskuläre Therapie, berichtete Privatdozent Nima Etminan von der Neurochirurgischen Uniklinik in Mannheim.

Letztlich individuelle Entscheidung

Allerdings kam es mit dem Coiling deutlich häufiger zu erneuten Blutungen, vor allem wenn die Aneurysmen zu weniger als 75 Prozent verschlossen werden konnten. Unterschiede ergaben sich in Subgruppenanalysen der Studien auch beim Alter der Patienten, der Lokalisation und der Anatomie der Aneurysmen, sodass letztlich individuell entschieden werden müsse, welches Verfahren zum Einsatz kommen solle, so Etminan bei der Arbeitstagung Neurologische Intensivmedizin (ANIM) in Berlin.

Generell sprechen laut Etminan die Daten bei jüngeren Patienten unter 40 Jahren eher für Vorteile des Clippings, bei den 50- bis 60-Jährigen scheint der Nutzen des Coilings zu überwiegen. Bei schmalstieligen Aneurysmen klappt das Coiling ebenfalls gut, weniger hingegen bei breitbasigen Auswüchsen, auch bei den Aneurysmen der mittleren Zerebralarterie gelingt das Coiling häufig nicht so gut.

Etminan schlug, basierend auf Leitlinien der American Heart Association, einen Algorithmus vor, um die Therapieentscheidung zu erleichtern: Bei Subarachnoidalblutungen aufgrund von schmalstieligen Aneurysmen sollten Ärzte die Aussackungen primär per Coiling verschließen - mit Ausnahme von Aneurysmen der mittleren Zerebralarterie. Bei breitbasigen Aneurysmen sei in der vorderen Zirkulation das Clipping zu bevorzugen, in der hinteren das Coiling. Bringt das Coiling in den hinteren Gefäßen keinen ausreichenden Verschluss, seien in diesem Fall FlowDiverter zu bevorzugen - nur im äußersten Notfall die Op. Bei intrazerebralen Blutungen (mehr als 40-50 ml) oder akut subduralen Hämorrhagien sollte mit Clipping und Hämatomevakuation behandelt werden, nur in Ausnahmefällen per Coiling.

Erste Kontrolle nach sechs Monaten

Betrachtet man die Aneurysmeneinteilung nach der World Federation of Neurosurgical Societies, dann sind Typ-I- bis -IV-Aneurysmen bei unter 40-Jährigen primär per Clipping zu verschließen, bei älteren per Coiling. Sind Typ-V-Aneurysmen vorhanden, empfahl der Neurochirurg bei allen Patienten primär die endovaskuläre Therapie, wenn diese nicht möglich ist, den chirurgischen Eingriff, gegebenenfalls auch Flow Diverter. In einigen Fällen sind jedoch keine klaren Empfehlungen möglich, etwa bei einem 35-Jährigen mit schmalstieligem subarachnoidalem Aneurysma: Die Morphologie spricht fürs Coiling, das Alter fürs Clipping. Hier müssten sich die Ärzte dann interdisziplinär zu einer Entscheidung durchringen.

Wichtig, so Etminan, sei auch die regelmäßige Kontrolle der Patienten nach dem Eingriff mit serieller Bildgebung. Er empfiehlt die erste nach einem halben Jahr, weitere dann nach einem, zwei, fünf und zehn Jahren, bei sehr jungen Patienten auch noch nach 15 und 20 Jahren. Die Kontrolle sei nicht nur nötig, um Rezidive auszuschließen, sondern auch, um neue Aneurysmen aufzuspüren. Solche bildeten sich jährlich bei rund 1 Prozent der Patienten. Für Betroffene sei es auch wichtig, das Rauchen aufzugeben und kardiovaskuläre Risikofaktoren gut zu kontrollieren.

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