Blutzucker
Das sind typische Fehler bei der Selbstmessung
Wenn Diabetiker ihren Blutzucker selbst messen, können sie vieles falsch machen. Die häufigsten Fehlerquellen haben wir zusammengetragen.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Wie ein Tacho liefert die Blutzuckerselbstmessung dem Diabetes-Patienten eine direkte Rückmeldung. Gerade bei Therapiebeginn ist die Selbstmessung ein geeignetes Instrument, um den positiven Effekt von Lebensstil-Änderungen sichtbar zu machen.
Dabei ist die Messung nicht als Intervention per se wertvoll, sondern nur als Teil eines Gesamtprogramms - sie muss Konsequenzen nach sich ziehen und somit handlungsleitend sein.
Um so wichtiger ist es für den Patienten, dass die Selbstmessung zu plausiblen Ergebnissen führt. Hierfür ist die fachkundige Anleitung eine wichtige Voraussetzung.
Im Endokrinologikum Frankfurt, wie auch in vielen Schwerpunktpraxen üblich, hat sich bewährt, dass Patienten, die erstmals ihren Blutzucker selbst messen müssen, die Bedienung zusammen mit der Diabetesberaterin üben.
Erfahrungen über drei Tage sammeln
Dazu gehört unter anderem das Einsetzen der Nadeln in das Stechgerät, die Gewinnung des Bluttropfens und die richtige Handhabung der Teststreifen. Anschließend misst der Patient drei Tage lang ein Sechs-Punkte-Tagesprofil (jeweils vor und ein oder zwei Stunden nach dem Essen), bevor er wieder einbestellt wird, um mit ihm unter anderem Messergebnisse und die Erfahrungen in der Handhabung des Geräts sowie die weitere Therapie zu besprechen.
Dennoch stoßen Diabetesberaterinnen auf unterschiedliche, typische Fehler in der Handhabung der Geräte. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Messgeräte in den vergangenen Jahren immer fehlersensitiver geworden sind, Fehlbedienungen erkennen und durch Klartextangaben im Display oder definierte Error-Meldungen verzerrte Messergebnisse verhindern.
Als Beispiel sei ein neu manifestierter Typ 2-Diabetiker angeführt, der zwei Tage nach der Einweisung in das Messgerät irritiert wieder in der Sprechstunde der Diabetesberaterin erscheint und sich über einen vermeintlichen Defekt beklagt. Mehrere Fehlerquellen sind möglich, die von der überwiegenden Zahl der Geräte jedoch erkannt und angezeigt werden:
- Je nach verwendetem Teststreifen und Messgerät sind zwischen 0,3 bis 2 Mikroliter Blut zur Messung nötig. Zu den häufigsten Fehlern gehört, dass der Patient den Teststreifen direkt in die Haut drückt. In diesem Fall wird verhindert, dass der Teststreifen das Blut aufsaugen kann.
- Eine Variante dieses Fehlers besteht darin, dass ein Patient Blut von oben auf den Teststreifen tropft. Auch hier kann der aus zwei Schichten bestehende Teststreifen das Blut nicht mehr von der Seite oder von der Spitze des Teststreifens einsaugen.
- Ebenfalls zur Fehlbedienung führt es, wenn erst Blut auf den Teststreifen getropft wird und dieser dann in das Messgerät gesteckt wird. In diesem Fall wird ein Error-Code angezeigt, wonach der Teststreifen schon als benutzt erkannt wurde.
Fingerkuppe nicht quetschen
In den meisten Fällen erkannt wird von den Geräten heutzutage auch eine weitere Fehlerquelle, nämlich abgelaufene Teststreifen. Diese sind in der Regel bis sechs Monate nach Verkauf haltbar. Handelt es aber beispielsweise um einen mit oraler Therapie behandelten Patienten, der nur selten misst, dann kann diese Situation durchaus eintreten.
Auch die falsche Aufbewahrung von Teststreifen, etwa in einem unverschlossenen Behälter in der Küche, kann aufgrund hoher Luftfeuchte verzerrte Ergebnisse erzeugen. Haben die Teststreifen bereits Flüssigkeit angesaugt, kann mit ihnen entweder gar nicht mehr gemessen werden (Error-meldung des Geräts) oder es kann zu Messungenauigkeiten kommen.
Schwieriger zu erkennen sind nicht von den Messgeräten detektierte Anwendungsfehler. Hier muss im Beratungsgespräch die Ursache abgeklärt werden - zwei Beispiele:
- Patienten, die die Fingerkuppe nicht sanft massieren, sondern regelrecht quetschen, um mehr Blut zu erhalten, drücken auch Gewebeflüssigkeit in das Blut, sodass der Messwert falsch-niedrig ausfallen kann.
- Eine weitere Fehlerquelle liegt in der Verwendung von Desinfektionsmitteln vor der Messung - was nicht indiziert ist. Wird nicht zugewartet, bis das Mittel komplett auf der Haut abgetrocknet ist, kann der Bluttropfen verflüssigt werden - falsch-niedrige Messwerte sind dann möglich.
- Einer der häufigsten Handhabungsfehler liegt umgekehrt vor, wenn die Hände des Patienten ungewaschen sind. Beispielhaft sei hier der Diabetes-Patient erwähnt, der aufgeregt in der Sprechstunde von viel zu hohen Messwerten berichtet.
Die Rekonstruktion der Messsituation mit der Diabetesberaterin ergab, dass der Patient kurz vor der Messung Obst geschnitten hatte. Anschließend maß er nicht vermeintlich erhöhte Blutzuckerwerte, sondern die Glukose- respektive Fruktoserückstände an seinen Fingern.
ISO-Norm 15197
Mit der neuen, verschärften ISO-Norm 15197 gerät der Markt für Blutzuckermessgeräte in Bewegung. Die im Mai 2013 publizierte Norm definiert unter anderem strengere Mindestanforderungen an die Systemgenauigkeit der Messgeräte.
Die aus dem Jahr 2003 stammende Vorgängernorm ließ bei einer Blutzuckerkonzentration von ›75 mg/dl eine Abweichung von bis zu 20 Prozent zu. Dieser Wert ist ab ›100mg/dl auf plus/minus 15 Prozent reduziert worden.
Mit der Veröffentlichung der Norm ist eine dreijährige Übergangsfrist in Kraft getreten, so dass ab dem 14. Mai 2016 alle Blutzuckermess-Systeme nach den Vorgaben der neuen ISO-Norm evaluiert sein müssen. Gefordert wird darin auch die patientenfreundliche Handhabung. Die Systemgenauigkeit muss bei der Anwendung durch Patienten auch ohne vorherige Einweisung sichergestellt sein.
A- und B-Messsysteme: DDG fordert klare Kriterien für Verordnung
Bei der Verordnung von Blutzuckermessgeräten ist bundesweit ein kaum durchschaubarer Flickenteppich entstanden: Mit der Unterscheidung von A- und B-Messsystemen, die auf eine Vereinbarung zwischen dem Apothekerverband und dem Verband der Ersatzkassen zurückgeht, ist diese Intransparenz noch größer geworden. Im Oktober 2010 wurde erstmalig eine Preisregelung für Teststreifen wirksam, die seitdem in mehreren KV-Regionen übernommen worden ist.
Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) hat Ende Februar bundesweit einheitliche Kriterien gefordert, damit die Verordnung der Blutzuckermessgeräte an einheitlichen und sachgerechten Kriterien ausgerichtet wird. Dabei berichtet die DDG, in einzelnen Hausarztverträgen würden den teilnehmenden Ärzten vorgegeben, sie müssten einen Verordnungsanteil (je nach Länge der Vertragsteilnahme) von 70 bis 90 Prozent der "B-Messgeräte" erreichen.
Die DDG bezeichnet dies als "inakzeptabel", da Studien zur Messgenauigkeit gezeigt hätten, dass bis zu 40 Prozent der Geräte die Anforderungen der ISO 15197 nicht erfüllen. Gemessen an den schärferen Mess-Vorgaben in der seit 2013 überarbeiteten ISO-Norm treffe dies sogar auf jedes zweite Gerät zu. Dabei verweist die Arbeitsgemeinschaft Diabetologische Technologie (AGDT) der DDG in einem aktuellen Kommentar darauf, dass die Einteilung in A- oder B-Geräte keiner medizinisch oder technisch geleiteten Charakterisierung folgt, sondern sich die Differenzierung allein aus dem Apothekenabgabepreis ableitet (Der Diabetologe 2014, 10: 20-25).
Die AGDT macht geltend, ein Austausch der Blutzuckermesssysteme solle nur in Abstimmung des behandelnden Arztes mit dem Patienten erfolgen. Definitiv rät die Arbeitsgemeinschaft von einem Wechsel parallel zu einer Therapieumstellung ab. Sie betont, es gebe keine rechtliche Verpflichtung eines Arztes, einem Patienten ein B- anstatt eines A-Gerätes zu verordnen. (Schüder/Mann)
Bei Schulung für Kinder zählt die Alltagstauglichkeit
Die Beratung für Kinder mit Typ-1-Diabetes stellt besondere Herausforderungen, da die Schulung hier in besonderem Maße die individuellen Bedürfnisse, das Vorwissen sowie Lernfähigkeit und Lernbereitschaft des Patienten sowie die familiäre Situation berücksichtigen muss.
Trotz methodischer Einschränkungen bestätigen Studien den positiven Effekt von Patienten-Schulungen - beispielsweise im Hinblick auf die Qualität der Stoffwechseleinstellung, Diabeteswissen, Selbstmanagementfähigkeiten und Lebensqualität der Patienten, heißt es in der von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft in Auftrag gegebene evidenzbasierte Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes bei Kindern und Jugendlichen.
Die Schulungen sind immer dann am effektivsten, wenn sie - unter Einbeziehung der Eltern - Teil eines Langzeitbetreuungskonzepts sind. Dabei sollten Selbstmanagement und Selbstwirksamkeit der Patienten und ihrer Eltern im Zentrum stehen. Wichtig ist, dass die Beratung stärker als bei anderen Diabetes-Patienten situationsbezogen und alltagspraktisch erfolgt, um das Verhalten beispielsweise in der Schule oder beim Sport durchzuspielen. Als Expertenkonsens gilt zudem, dass Betreuern in Einrichtungen wie beispielsweise Lehrkräften in der Grundschule, Erziehern im Kindergarten eine Schulung angeboten werden soll.
Allerdings existieren bis heute dazu keine abrechenbaren Schulungsprogramme. Herauszuheben sind die Broschüren der Arbeitsgemeinschaft pädiatrische Diabetologie ("Kinder mit Diabetes in der Schule" und "Kinder mit Diabetes im Kindergarten"), die Erziehern und Lehrkräften zur Verfügung gestellt werden können.
Je nach Altersgruppe stehen unterschiedliche Ziele bei der Schulung des Kindes im Mittelpunkt. So muss beispielsweise bei Vorschulkindern, die noch nicht sicher Zahlen lesen können, mit Kniffen gearbeitet werden.
Vereinzelt wird empfohlen, dass Kinder sich auf die erste Ziffer im Display des Messgeräts fokussieren: Eine "8" oder "9" etwa wäre als Aufforderung an das Kind zu werten, das mitgegebene Pausenbrot zu essen. Eine bessere Alternative wären hier Blutzuckermessgeräte, die je nach Messwert mittels einer Farbskala (rot, gelb, grün, blau) dem Kind Handlungshinweise geben. (Schüder/Mann)