WHO schockiert

"Ebola ist außer Kontrolle"

Die Ebola-Krise in Westafrika weitet sich aus: Über 820 Menschen sind bereits gestorben. Jetzt wird der Hilfseinsatz ausgeweitet. In den USA werden die ersten Ebola-Patienten behandelt. Und auch experimentelle Therapien rücken in den Fokus.

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:
Ebola wird zum Sicherheitsproblem: Militäreinsatz in Liberia.

Ebola wird zum Sicherheitsproblem: Militäreinsatz in Liberia.

© Ahmed Jallanzo / epa / dpa

NEU-ISENBURG. Die Ebola-Epidemie in Westafrika hat sich weiter zugespitzt. Angesichts der Lage hat die Weltgesundheitsorganisation WHO den Ausbruch am Freitag als "außer Kontrolle" bezeichnet. Ein neues internationales Hilfsprogramm und konzertierte Aktionen der betroffenen Staaten sollen die im März begonnene Epidemie stoppen.

Erkrankte US-amerikanische Helfer wurden derweil in die USA geflogen. Es ist das erste Mal, dass Patienten mit einer Ebola-Viruskrankheit (EVD) in den Staaten behandelt werden. Zudem zeichnen sich neue Bemühungen ab, bislang experimentelle Ebola-Therapien weiterzuentwickeln, damit sie für den Einsatz beim Menschen zugelassen werden können.

Die Zahl der Todesfälle ist nach jüngsten WHO-Angaben bis zum 30. Juli auf 826 gestiegen, insgesamt 1440 Menschen sind oder waren erkrankt (inklusive Verdachtsfälle). Allein aus Liberia wurden bis Mittwoch 46 neue Todesfälle gemeldet.

Am Freitag hatten die Staatschefs der betroffenen Länder die Grenzregionen zur Quarantänezone erklärt. Die Gebiete sollen isoliert werden, damit die Epidemie nicht auf andere Länder überspringt, hieß es nach einem Sondergipfel mit der WHO in der guineischen Hauptstadt Conakry.

"Der Ausbruch ist schneller als unsere Bemühungen, ihn zu kontrollieren", sagte die Direktorin der WHO, Dr. Margaret Chan, nach dem Krisentreffen. Sollte sich die Situation weiter verschärfen, könnten die Folgen "katastrophal" sein. Die Epidemie könne dann noch auf weitere Länder übergreifen, sagte Chan. "Aber der Ebola-Ausbruch kann gestoppt werden."

Am 6. August will das WHO-Notfallkomitee die internationalen Auswirkungen der Krise beraten. Die Experten wollen dann entscheiden, ob die Ebola-Epidemie eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite (PHEIC) ist. Zuletzt wurde die Polio und erstmals im Jahr 2009 die Schweinegrippe H1N1 zur PHEIC deklariert.

Die WHO hatte am Donnerstag ein 100-Millionen-Dollar-Notprogramm angekündigt. Damit sollen weitere Ärzte, Hilfskräfte und Seuchenexperten in die Krisenregionen Guineas, Liberias und von Sierra Leone gebracht werden. Außerdem soll die Aufklärung der Bevölkerung laut Chan "dramatisch" verbessert werden.

Die Staatschefs von Liberia und Sierra Leone hatten am Donnerstag den Ausnahmezustand verhängt. Die Ausbruchsgebiete wurden isoliert, Schulen geschlossen. Polizei und Militär sollen für die Sicherheit der Hilfskräfte sorgen und die Grenzen bewachen. Auch WHO-Direktorin Chan forderte notfalls den Einsatz von Sicherheitskräften, um die Hilfskräfte zu schützen. Zuletzt gab es Berichte von Angriffen auf Hilfseinrichtungen.

Unterdessen wurde am Wochenende ein in Westafrika mit Ebola infizierte Arzt aus den USA zur Behandlung zurück in die Heimat gebracht. Dr. Kent Brantly wird seit Samstagabend im Emory-Krankenhaus der Universität Atlanta behandelt. Die Klinik unterhält eine von vier Isolierstationen in den USA, die auf hämorrhagische Erkrankungen vorbereitet sind. In Deutschland gibt es neun dieser Behandlungszentren.

Der 33-jährige Mediziner war als Helfer der christlichen Hilfsorganisation "Samaritan‘s Purse" in Liberias Hauptstadt Monrovia im Einsatz. Er hatte sich offenbar bei der Behandlung von Ebola-Patienten mit dem Virus infiziert. Nach WHO-Angaben sind bereits 60 Ärzte und Pflegekräfte der Ebola-Epidemie zum Opfer gefallen.

Brantly war mit einem Charterflugzeug ausgeflogen worden, das mit einem speziellen Isolierzelt ausgestattet ist. Das Flugzeug, das nur einen Patienten aufnehmen kann, war am Samstagabend direkt auf dem Weg zurück nach Liberia, um eine weitere infizierte US-Amerikanerin auszufliegen: die 59-jährige Missionarin Nancy Writebol. Auch sie soll sich im Kampf gegen Ebola mit der Viruskrankheit infiziert haben.

Die Missionarin soll nach Angaben ihrer Mission "SIM" zuvor einen nicht näher benannten experimentellen Wirkstoff gegen das Ebola-Virus erhalten haben. "Wir wissen, dass sie die bestmögliche medizinische Behandlung erhält, und wir sind dankbar, dass sie dieses Medikament erhalten kann", sagte SIM-Präsident Bruce Johnson.

Brantly soll parallel zu diesem Behandlungsversuch mit einem Serum behandelt worden sein, das aus dem Plasma eines 14-jährigen Jungen gewonnen wurde, der nach Ebola-Infektion wieder genesen war.

Die beiden US-Amerikaner sind die ersten Patienten, die in den USA wegen einer Ebola-Viruskrankheit behandelt würden. In den vergangenen Jahren waren dort bereits Erkrankte mit dem Lassa- oder Marburgfieber behandelt worden.

Berichten zufolge hat sich vor allem das US-Außenministerium dafür starkgemacht, mit Ebola infizierte US-Bürger zur Behandlung nach Hause zu holen. Der Direktor der US-Seuchenkontrollbehörde CDC, Dr. Thomas Frieden, soll zuvor Zweifel geäußert haben. Die Überführung schwer Erkrankter könne "mehr Leid als Gutes" verursachen.

Das nationale US-Institut für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID) hat derweil klinische Tests mit einer experimentellen Ebola-Vakzine angekündigt. Die Studien sollten Mitte September beginnen, zitieren US-Medien aus einer E-Mail von Institutsdirektor Dr. Anthony Fauci. Präklinische Tests an Affen hätten ermutigende Ergebnisse geliefert.

Die US-Zulassungsbehörde FDA hat angekündigt, für die Prüfung neuer Ebola-Wirkstoffe "bereitzustehen". Die Behörde prüfe zudem die Notfallzulassung neuer Therapien über sogenannte "Fast track approvals", berichten Agenturen.

Anfang des Monats hatte die Behörde noch eine klinische Studie Phase-I-Studie mit dem Wirkstoff "TKM-Ebola" wegen Sicherheitsbedenken gestoppt. Probanden, die hohe Dosen des RNA-Interferenz-basierten Wirkstoffs gegen die Ebola-RNA erhalten halten, hätten eine "problematische Immunantwort" entwickelt, hieß es.

Weltweit zeichnen sich zudem weitere Reaktionen auf die Ebola-Krise in Westafrika ab. Die Fluggesellschaft Emirates hat als erste internationale Airline bis auf Weiteres alle Flüge nach Guinea gestrichen.

Die internationale Organisation für zivile Luftfahrt (ICAO) denkt erstmals über Schutzmaßnahmen auf internationalen Flughäfen nach. Konkret prüfe man die Möglichkeit von Screenings (per Temperaturscanner) an den Airports, hieß es am Donnerstag in einer Mitteilung. Die ICAO steht derzeit mit dem Luftfahrt-Dachverband IATA und der WHO in Gesprächen.

"Die WHO, ICAO und IATA ziehen angesichts der jüngsten Ereignisse Änderungen bei der Fluggastkontrolle in Betracht", hieß es. Experten äußerten sich zuletzt jedoch wiederholt skeptisch über den Nutzen von Temperaturscannern. Auch die WHO hat sich bislang nicht für deren Einsatz ausgesprochen.

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