Latente Hyperthyreose

Ein einzelner abweichender TSH-Wert macht noch keine Erkrankung

Liegt eine latente Hyperthyreose vor, stellen sich diese drei Fragen: Für wen ist sie bereits ein Problem? Wird es eine manifeste Hyperthyreose? Wer profitiert von einer Behandlung?

Christina OttVon Christina Ott Veröffentlicht:
TSH-Wert: Sowohl der obere, als auch der untere Referenzbereich ist im Laufe des Tages starken Schwankungen unterworfen.

TSH-Wert: Sowohl der obere, als auch der untere Referenzbereich ist im Laufe des Tages starken Schwankungen unterworfen.

© AGPhotography / stock.adobe.com

Mannheim. Man muss sich bewusst machen, dass bei einem TSH-Wert immer eine Variabilität zwischen den Messungen vorhanden ist, erinnerte PD Dr. Stefan Karger, Praxis für Endokrinologie Leipzig. Das sei ja besonders von der Tageszeit abhängig. So sei sowohl der obere, als auch der untere Referenzbereich im Laufe des Tages starken Schwankungen unterworfen (Thyroid 2015; 25(8): 954-961). „Also, ein gemessener TSH-Wert, der außer der Reihe liegt, sollte niemals schon zu Konsequenzen führen“, so Karger beim Henning-Symposium in Mannheim. Stattdessen sollte er nach zwei bis drei Monaten kontrolliert werden.

Mehrere Studien haben untersucht, wie sich diese abweichenden TSH-Werte entwickelten. In einer Studie normalisierten sich die leicht erniedrigten Werte bei 76 Prozent der Patienten, in einer anderen Studie bei 52 Prozent. War der TSH-Wert allerdings vollständig supprimiert, blieb das auch bei den meisten so (87,5 Prozent).

Endogene oder exogene Ursachen?

Es gelte abzuklären, was hinter dem erniedrigten TSH-Wert steckt, so der Endokrinologe. Endogene Ursachen können sein:

  • multi- bzw. unifokale Autonomie (Struma)
  • Morbus Basedow
  • subakute Thyreoiditis
  • Initialphase Hashimoto-Thyreoiditis
  • Postpartum-Thyreoiditis und
  • Amiodaron-induziert (Typ 1 und 2).

In Frage kommen auch exogene Ursachen wie

  • eine Schilddrüsenhormon-Substitution, entweder exzessiv beabsichtigt (Z.n. SD-Karzinom) oder unbeabsichtigt (iatrogen, Incompliance).

Auch andere Gründe gelte es im Hinterkopf zu behalten, so Karger, wie

  • eine Hypophysen-/Hypothalamus-Erkrankung,
  • schwere nicht-thyreoidale Erkrankungen,
  • psychische Erkrankungen (affektive Störung),
  • 1. Trimester einer Schwangerschaft sowie
  • afrikanische Abstammung (3-4 Prozent).

Nicht zuletzt könnten aber auch Medikamente einen TSH-suppressiven Effekt hervorrufen wie Steroide, Dopamin, Dopaminagonisten (z.B. Bromocriptin), Somatostatin-Analoga, Katecholamine.

Endogene Ursache: Drei entscheidende Fragen

Bei endogener Ursache ergeben sich letztlich drei entscheidende Fragen, so Karger: Wird es eine manifeste Hyperthyreose? Für wen ist eine latente Hyperthyreose (oder ein niedrig normales TSH) bereits ein Problem? Wer profitiert von einer Behandlung?

Zu Frage 1 gibt es mehrere Untersuchungen: Unter anderem entwickelten in einer Studie bei Patienten mit latenter Hyperthyreose in einem Follow-up von 41 Monaten nur 3 Prozent eine manifeste Hyperthyreose (TSH 0,1 – 0,4 mIU / l), wohingegen sich in einer weiteren Studie bei Patienten mit supprimiertem TSH (TSH < 0,1 mIU / l) im 2-Jahres-Follow-up in 27 Prozent eine manifeste Hyperthyreose entwickelte (Clin Endocrinol (Oxf) 2010; 72(5): 685-688).

Für wen ist eine latente Hyperthyreose (oder ein niedrig normales TSH) bereits ein Problem? Bekannt ist ja eine Assoziation zum Herz-Kreislauf-System und Knochen- und Mineralstoffwechsel, sowie zur Lebensqualität und zu kognitive Funktionen, bestätigte der Endokrinologe.

Im Bezug auf den Knochen- und Mineralstoffwechsel ergab zum Beispiel eine Metaanalyse aus 13 prospektiven Kohortenstudien bereits bei milder latenter Hyperthyreose (TSH 010 – 0,44; HR 1,34) ein signifikant erhöhtes Risiko für eine Schenkelhalsfraktur, das Risiko stieg weiter an bei einem supprimierten TSH-Wert (<< 0,1 mIU / l; HR 1,61).

Was tun bei erniedrigten TSH-Werten?

„Bei den endogenen Ursachen wissen wir, dass bei einer uni- bzw. multifokalen Autonomie (Struma) eine Remission extrem unwahrscheinlich ist“, so Karger. Bei Morbus Basedow gelinge sie in etwa 50 Prozent der Fälle nach einer konservativen Therapie über 12 bis 18 Monate. Die anderen Erkrankungen hätten meist einen transienten Verlauf. Hier sei eine „watch and wait“-Strategie völlig adäquat, ggf. kämen ß-Blocker in Frage, um die Symptome abzumindern. Das reiche, so der Endokrinologe.

Chronischer Zustand einer latenten Hyperthyreose

Bei Patienten, die in einem chronischen Zustand einer latenten Hyperthyreose sind, also etwa bei Autonomie, wo die Remission unwahrscheinlich ist, oder bei therapierefraktärem Morbus Basedow, empfiehlt Karger eine Vorgehensweise, die sich unter anderem am Alter der Patienten orientiert und in einer Studie übersichtlich zusammengefasst wurde (N Engl J Med 2018; 378(25): 2411-2419): Sind Patienten mit leicht erniedrigtem TSH jünger als 65, dann sollte einfach nur beobachtet werden. Evidenz für den Benefit einer Behandlung gebe es in dieser Altersgruppe bei einem TSH << 0,1 mU / l, oder zum Beispiel für Patienten mit schwerwiegenden kardiovaskulären Erkrankungen.

Bei über 65-Jährigen sollte immer behandelt werden bei einem TSH << 0,1 mU / l. „Das ist eine ganz klare Behandlungsindiktion“, erläuterte Karger. Und man sei sich einig, dass es auch in der Kategorie eines leicht erniedrigten TSH-Wertes (0,1 – 0,4 mU / l) sehr ratsam sei, Vorhofflimmern, erhöhtes Frakturrisiko, möglicherweise auch kognitive Probleme, zu behandeln.

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