Epilepsie

Fatale Entkopplung im Gehirn

Bonner Forscher haben eine neue Ursache für Temporallappenepilepsien herausgefunden.

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BONN. In einem frühen Stadium einer Temporallappenepilepsie werden Astrozyten voneinander entkoppelt. Dies hat die Anreicherung von Kaliumionen und Botenstoffen zur Folge, wodurch es zur Übererregbarkeit der Neurone kommt (Brain 2015; online am 12. März).

Zusammen mit Epileptologen des Uniklinikums Freiburg untersuchte ein Forscherteam unter Federführung des Instituts für Zelluläre Neurowissenschaften der Universität Bonn die funktionellen Eigenschaften von Astrozyten.

Dabei handelt es sich um Zellen des Nervensystems, die zu den Gliazellen zählen. Galten sie ursprünglich nur als "Kitt", der das Gehirn zusammenhält, entpuppten sich die Astrozyten in den vergangenen Jahren zunehmend als wichtige Partner der Neurone, teilt die Bonner Universität mit.

"Die Epilepsie-Forschung ist dominiert von der Annahme, dass veränderte Eigenschaften von Nervenzellen Epilepsie verursachen", wird Professor Christian Steinhäuser, Direktor des Instituts für Zelluläre Neurowissenschaften der Universität Bonn, in der Mitteilung zitiert.

Seine Arbeitsgruppe hat nun nachgewiesen, dass Fehlfunktionen von Gliazellen bei der Entstehung von Epilepsien von entscheidender Bedeutung sind.

Im Hirngewebe, das Patienten mit Temporallappenepilepsien zur Eindämmung der Anfallsaktivität entfernt wurde, beobachteten die Forscher, dass Astrozyten komplett fehlten.

"Damit können auch keine funktionellen Netzwerke durch Kopplung der Astrozyten untereinander über interzelluläre Kanäle mehr ausgebildet werden", so Erstautor Dr. Peter Bedner.

Weil astrozytäre Netzwerke fehlen, können sich in diesem Gewebe für die Signalübertragung wichtige Kaliumionen und Botenstoffe wie Glutamat, anreichern. Dies führt zur Übererregbarkeit der betroffenen Nervenzellen und schließlich zu epileptischen Anfällen.

In einem Mausmodell habe das Team gezeigt, dass im Verlauf der Epilepsieentstehung zuerst die Kopplung zwischen den Astrozyten verloren geht und Veränderungen in den Neuronen erst später stattfinden, so Steinhäuser.

Die Wissenschaftler vermuten, dass die Entkopplung der Astrozyten durch Entzündungen vermittelt wird. Ursache sind wahrscheinlich Zytokine, die im Gehirn durch aktivierte Mikrogliazellen oder Astrozyten ausgeschüttet werden.

"Wir konnten zeigen, dass die Entkopplung - zumindest im frühen Stadium der Epilepsie - rückgängig gemacht werden kann", so Steinhäuser.

Die Wissenschaftler hoffen nun, dass ihre Ergebnisse aus der Grundlagenforschung Ansatzpunkte für neue Therapien zur Behandlung der Temporallappenepilepsie ermöglichen. (eb)

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