Fortschritt bei Früherkennung

Hautbiopsie kann Parkinson entlarven

Erfolge in der Früherkennung von Morbus Parkinson und neue Therapieansätze wurden beim 3. Kongress der European Academy of Neurology vorgestellt.

Von Birgit Kofler Veröffentlicht:
Hautbiopsie kann Parkinson entlarven

© Sebastian Kaulitzki / Fotolia

AMSTERDAM. Parkinson erkennen, ehe nicht mehr beeinflussbare Symptome vorliegen: Das sollen neue Ansätze zur Früherkennung sicherstellen, die auf den Nachweis von Alpha-Synuclein in der Haut oder dem Darm setzen.

"Wir nähern uns dem großen Ziel, Parkinson in einem sehr frühen Stadium zu erkennen", erklärt Professor Günther Deuschl vom Uniklinikum Schleswig-Holstein in Kiel, Präsident der European Academy of Neurology (EAN).

Deuschl hat aus Anlass des 3. Kongresses der EAN in Amsterdam einen Überblick über neue Erkenntnisse in der Parkinsonforschung gegeben.

Nachweis von Alpha-Synuclein

Die Diagnose von Parkinson ist ja vor allem im Frühstadium (Prodromalphase) schwierig. Zwar wurden Beschwerden wie Schlafstörungen, Verschlechterung des Geruchssinnes, Depressionen oder Verdauungsstörungen als mögliche frühe Parkinson-Kennzeichen identifiziert.

Die Diagnose kann heute jedoch erst mit größerer Sicherheit gestellt werden, wenn die typischen Bewegungsstörungen – Zittern sowie langsame und steife Bewegungen – einsetzen.

Diesen Symptomen geht jedoch ein jahrelanges Absterben der Nervenzellen voraus. Rund 80 Prozent der dopaminergen Nervenendigungen und bis zu 50 Prozent der Nervenzellen in der Substantia nigra im Gehirn sind dann schon zerstört.

Zu diesem Zeitpunkt ist keine Therapie mehr möglich, die den Krankheitsverlauf aufhalten könnte. Das Kennzeichen für die Parkinson Erkrankung ist eine Ablagerung von pathologischem Alpha-Synuclein in Zellen des Nervensystems.

Verschiedene Forscherteams melden, dass Biopsien der Haut, der Glandula submandibularis oder Darmbiopsien Alpha-Synuclein in einem sehr frühen Krankheitsstadium nachweisen können: Ein weiterer großer Erfolg in der Früherkennung wurde kürzlich berichtet: Pathologisches Alpha-Synuclein wurde bei Menschen mit REM-Schlafverhaltensstörungen nachgewiesen, die bei 85 Prozent der Betroffenen einer Parkinson-Erkrankung vorausgeht, mithilfe eines Hauttests – somit also etliche Jahre vor dem Auftreten der typischen Bewegungsstörungen.

5 mm große Probe

Für die Hautbiopsie muss eine nur 5 mm große Probe entnommen werden. Lassen sich in den feinen Nervenenden der Haut pathologische Ablagerungen des Proteins Alpha-Synuclein nachweisen, deutet das auf die Entstehung der Krankheit hin.

Schon länger bekannt ist, dass ein Großteil der Personen, die an REM-Schlafverhaltensstörungen mit aggressiven Träumen und heftigen Bewegungen im Schlaf leiden, innerhalb von 15 bis 20 Jahren an Parkinson erkranken.

Die Studie konnte nun den Biomarker Alpha-Synuclein in der Haut dieser Risikopatienten identifizieren. Alpha-Synuclein kommt zwar auch bei Gesunden vor, bei Parkinson-Patienten jedoch in pathologischer Zusammenlagerung.

Das führt zu einer Störung des Zellstoffwechsels und letztendlich zum Untergang von Nervenzellen. "Die Methode hat großes Potenzial, Patienten für Studien zur Parkinson-Prävention zu identifizieren und für klinische Studien zum Test von krankheitsmodifizierenden Medikamenten zu gewinnen", berichtet Deuschl.

Künftig soll mit diesem diagnostischen Marker auch bei Personen, die nicht von der REM-Schlafstörung betroffen sind, Parkinson in der Frühphase erkannt werden können. Das ist allerdings nicht die einzige Früherkennungsmethode, die derzeit intensiv erforscht wird: Pathologische Alpha-Synuclein lagert sich auch im enteralen Nervensystem an, das aus dem Plexus myentericus zwischen den Muskelschichten der Darmwand und dem Plexus submucosus besteht.

Die Protein-Ansammlungen können hier aber nicht ohne Weiteres als Diagnosekriterium für Parkinson gelten, da sie auch bei Gesunden auftreten. Deuschl: "Zeigen jedoch die Ansammlungen bestimmte Muster, können wir mit einer verfeinerten morphometrischen Analyse Parkinson-Patienten von gesunden Personen unterscheiden. Es sind aber weitere Studien nötig, um zu beweisen, dass auch mittels gastrointestinaler Biopsie Parkinson diagnostizierbar ist."

Fund in der Unterkieferspeicheldrüse

Eine spanische Studie konnte zudem belegen, dass Alpha-Synuclein-Ablagerung bei Patienten mit REM-Schlafstörungen und somit mit frühen Zeichen für Parkinson mittels Nadelbiopsie auch in der Unterkieferspeicheldrüse nachweisbar ist. Neue therapeutische Ansätze setzen darauf, die Krankheit schon in den frühesten Anfängen zu behandeln und das Absterben der Nervenzellen im Gehirn aufzuhalten.

In den letzten Jahren verstehen Experten immer besser, wie Parkinson entsteht und wie sich die Krankheit ausbreitet. "Wir wissen heute, dass an Parkinson erkrankte Nervenzellen, ähnlich wie Prionen-Erkrankungen, andere Nervenzellen ‚anstecken‘ können.

Dadurch verbreitet sich die Krankheit nach und nach im gesamten Nervensystem", sagte Deuschl. Aus dieser Erkenntnis heraus werden neue Therapie-Ansätze entwickelt.

Studien verfolgen das Ziel, einen "Impfstoff" gegen Parkinson zu entwickeln, und setzen dabei auf zwei unterschiedliche Strategien: Entweder soll das Immunsystem dazu angeregt werden, Antikörper gegen AlphaSynuclein zu bilden, oder es werden künstliche Antikörper verabreicht.

Ein weiterer neuer Therapieansatz setzt darauf, vermehrt Eisen zu binden. Denn zur Entwicklung von Parkinson trägt auch oxidativer Stress in den Zellen bei. Dieser wird durch zu viel Eisen in bestimmten Gehirnregionen verursacht, das den Zelluntergang beschleunigt.

Neue Diagnose-Kriterien

Einen wichtigen Fortschritt bei der Früherkennung von Parkinson stellt die Neudefinition von Diagnose-Kriterien für die prodromale Phase dar, in der die klassische Diagnose auf Basis motorischer Symptome noch nicht möglich ist.

Dazu wurde von der Movement Disorder Society aufgrund von klinischen Untersuchungen und statistischen Untersuchungen ein Kriterienkatalog erstellt, der die klinische Forschung standardisieren und die Diagnostik in der sehr frühen Phase unterstützen soll.

"Das neue System der Parkinson-Risikobewertung umfasst das Alter des Patienten, Umwelt-Risiken wie das Rauchen oder den Koffeinkonsum, genetische Faktoren, die Ergebnisse von Biomarker-Tests oder prodromale Symptome wie Verstopfung und Geruchsstörung. Dieses System kann jederzeit erweitert werden, wenn neue Tests zur Früherkennung – wie etwa die Hautbiopsie – dazukommen", so Deuschl.

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