In der Wildnis Afrikas werden junge Europäer von ihrer Sucht befreit

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Von Yvonne Schubert

Die Liste der Drogen, die Daniel W. bis vor wenigen Jahren genommen hat, liest sich wie ein Suchtmittelregister: "Gekifft und Alkohol getrunken habe ich, seit ich 13 war, ab 16 kamen LSD, Kokain, Ecstasy und Speed hinzu, mit 18 fing ich an, regelmäßig Heroin und Benzodiazepine zu konsumieren", berichtet der 31jährige.

"Nach zwei erfolglosen klinischen Entzügen und einer abgebrochenen Therapie realisierte ich, daß ich vor einer ganz simplen Entscheidung stand: Will ich leben oder sterben? Genau zu dieser Zeit stellte mir ein Arzt das Daktari-Projekt vor, und ich wußte, dies ist meine letzte Chance."

Daniel entschloß sich, zwölf Monate in der stationären Therapieeinrichtung "Daktari" im südafrikanischen Namibia zu verbringen. Daß ein Aufenthalt dort nichts mit einer umstrittenen "Erlebnistherapie" zu tun haben würde, war ihm bewußt.

"Unsere Abbruchrate liegt bei gerade mal drei Prozent"

In der Landeshauptstadt Windhoek erwarteten ihn Immo Rüegg und seine Frau Ruth. Der 54jährige Psychologe und Drogentherapeut hat das Daktari-Reha-Zentrum inmitten der Wildnis Afrikas vor zehn Jahren gegründet.

Heute ist die Farm ein international anerkanntes Therapiezentrum, das bis zu 13 Klienten aufnehmen kann und eindrucksvolle Erfolgszahlen vorweist: "Unsere Abbruchrate liegt bei gerade mal drei Prozent", erläutert Rüegg. Gut die Hälfte der Suchtkranken können langfristig stabilisiert werden.

Ärzte, Kliniken, Jugendämtern, private Therapieeinrichtungen und Jugendanwaltskammern in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterstützen das Daktari-Reha-Zentrum. Dr. Robert Detzel, Suchtmediziner aus München, erläutert das Konzept: "Auf der Therapiefarm ist ein hoch qualifiziertes Team aus Psychologen, Sozialpädagogen und Betreuern tätig. Sie arbeiten nach einem dreistufigen Therapieplan, der sich mit Vor- und Nachsorge über ein bis zwei Jahre erstreckt. Ziel ist die langfristige Abstinenz der Teilnehmer und die Re-Integration in ein stabiles Leben mit sozialen Bindungen und beruflichen Perspektiven."

Den Auftakt bildet ein mehrwöchiger klinischer Entzug in Europa, in dessen Mittelpunkt die körperliche Entgiftung steht. Daran schließt sich das zwölfmonatige Abstands- und Aufbauprogramm in Namibia an. Dabei werden die Klienten rund um die Uhr sowohl fachkundig als auch familiär betreut.

"Auf vergitterte Fenster und verschlossene Türen kann Daktari gut verzichten", so Daniel lächelnd. "Die Abgeschiedenheit der Farm bildet eine natürliche Barriere für Ausreißer, der nächste Ort ist 120 Kilometer entfernt, öffentliche Verkehrsmittel gibt es keine." Damit die Suchtkranken erst gar nicht auf dumme Gedanken kommen, ist ihr Tagesablauf ausgefüllt.

Zu den Beschäftigungen gehören neben Therapiegesprächen die tägliche Farmarbeit sowie kreative, künstlerische und sportliche Aktivitäten. Auch die Betreuung von Wildtieren und die Übernahme von ehrenamtlichen Aufgaben wie beispielsweise der Aufbau einer Tuberkulose-Station im Buschmann-Land, gehören zu ihren Aufgaben.

"Wir machen Sozialempfänger zu Sozialhelfern", sagt Immo Rüegg mit einem Lächeln. "Unsere Klienten lernen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen und dafür Anerkennung zu bekommen. Das steigert ihr Selbstwertgefühl erheblich."

"Hier habe ich wieder gelernt, Angst und Freude zu empfinden"

Daniel bestätigt die Aussage des Therapieleiters. "Mit jedem Monat, den ich auf der Farm verbracht habe, sind die Drogen mehr in Vergessenheit geraten", blickt er zurück. "Ich habe wieder gelernt, Gefühle wie Angst und Freude zu empfinden, einem geregelten Tagesablauf nachzugehen, mich mit sinnvollen Dingen zu beschäftigen und Freundschaften zu schließen - nicht nur mit Menschen, sondern auch mit den zahmen Geparden, die auf Daktari leben."

Am Wichtigsten war für Daniel jedoch die Gewißheit, ein ganzes Jahr vor Rückfällen geschützt zu sein und Zeit zu haben, Pläne für ein neues, besseres Leben zu schmieden. "In einer Therapie in Europa wäre das niemals möglich gewesen", meint er. "Dort wäre ich einfach abgehauen und hätte mir an der nächsten Ecke wieder Drogen beschafft."

Auch nach der Therapie bleiben die Betroffenen nicht allein

Nach dem einjährigen Aufenthalt auf der Farm kehren die Klienten wieder in ihr Heimatland zurück. Auch in diesem abschließenden Stadium der Therapie werden sie nicht alleine gelassen. Nachsorge-Einrichtungen wie etwa "CAMARCO" in der Schweiz oder das Diakonische Werk in Deutschland, kümmern sich um die Betroffenen.

Auch Daniel ist inzwischen wieder zuhause. Er hat mit Bestnoten eine Lehre als Goldschmied abgeschlossen und einen festen Job bekommen. Seit fünf Jahren ist er clean und arbeitet in seinem Traumberuf. Mit den Leuten aus seiner Drogenzeit hat er keinen Kontakt mehr: "Ich habe jetzt Freunde, die mir gut tun."

Infos über Daktari gibt es im Internet unter www.daktari-reha.com.

Auch Dr. Robert Detzel aus München (Tel. 08033- 4124) und Kurt Link aus Bern (Tel. 0041- 31 33 38 066) erteilen Auskunft.

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