Traumapatienten
Je schöner das Wetter, desto mehr Unfallopfer
Bei Eis und Schnee landen die meisten Traumapatienten in den Notaufnahmen - könnte man meinen. US-Forscher kommen jetzt zu ganz anderen Ergebnissen. Und empfehlen Kliniken, ihre Personalplanung nach dem Wetterbericht auszurichten.
Veröffentlicht:NEW YORK. Das schöne Wetter lockt sie raus: An einem warmen Wochenende mit klar blauem Himmel sind sie alle auf der Straße - auf dem Motorrad, im Cabrio, auf dem Drahtesel oder zu Fuß.
Klar, dass es dann gehäuft zu Kollisionen kommt und Notfallmediziner und Chirurgen alle Hände voll zu tun haben.
Gefährlicher sind nur noch die Nächte nach solchen Tagen: wenn sich die Hitze in den Köpfen staut und das Messer oder die Pistole locker in der Tasche sitzen.
Das an sich ist wenig erstaunlich. Interessant ist eher, wie präzise der Wetterbericht den Andrang von Traumapatienten in der Notaufnahme vorhersagen kann. Zuverlässige Daten könnten vielleicht die Personalplanung in den Kliniken erleichtern.
Warme Sommernacht: Hochbetrieb
Einen solchen Nutzen sehen jedenfalls Chirurgen um Dr. Vanessa Ho vom Jamaica Hospital Medical Center in New York.
Sie analysierten Angaben zu fast 10.000 Traumapatienten, die in einem spezialisierten Zentrum in New York City in den Jahren 2000 bis 2009 behandelt worden waren.
Den Zeitpunkt der Klinikaufnahme korrelierten sie mit Wetterdaten des John F. Kennedy Airports (World J Surg 2014, online 2. Dezember)
Insgesamt hatten 75 Prozent der Patienten eine stumpfe Verletzung erlitten. Knapp 21 Prozent zeigten ein penetrierendes Trauma, das in New York zu einem erheblichen Teil aus dem Gebrauch von Stich- und Schusswaffe resultiert.
Bei den übrigen vier Prozent waren Verbrennungen, Vergiftungen oder andere Verletzungen der Grund für den Klinikbesuch.
Der größte Andrang von Traumapatienten ist nach dieser Auswertung an einem warmen, trockenen Wochenende in der Nacht von Samstag auf Sonntag zu erwarten.
Richtig viel zu tun in der Notaufnahme gibt es vor allem zwischen zwei und fünf Uhr morgens. In das Traumazentrum kamen dann bis zu sechs Patienten pro Stunden, zu anderen Wochentagen und -zeiten waren es im Schnitt weniger als einer pro Stunde.
Insgesamt wurden am Wochenende 37 Prozent aller Patienten behandelt, an Samstagen kamen 45 Prozent mehr und an Sonntagen 65 Prozent mehr Patienten als an Werktagen.
Dagegen scheint Regen Hitzköpfe zu beruhigen. Hatte es in den vergangenen zwölf Stunden geregnet oder war der Himmel mit Wolken verhangen, dann benötigten ungefähr 15 Prozent weniger Patienten eine Traumatherapie als bei trockenem und sonnigem Wetter.
Pro 10°C ein Drittel mehr Patienten
Das Patientenaufkommen stieg zudem fast linear mit der Außentemperatur: Pro 10 Grad Celsius nahm der Andrang um etwa 35 Prozent zu. An einem heißen Sommertag sind also mehr als doppelt so viele Patienten zu verarzten wie an einem durchschnittlichen Wintertag.
Differenzierten die Chirurgen um Ho nun zwischen stumpfen und penetrierenden Verletzungen, so waren Letztere wesentlich stärker von den Tages-, Jahres- und Wochenzeiten abhängig.
An den Wochenenden mussten fast doppelt so viele dieser Verletzungen behandelt werden wie an Wochentagen, und nachts kamen zweieinhalbmal mehr Patienten mit Stich-, Schuss und anderen eindringenden Verletzungen als tagsüber.
Auch war der Behandlungsbedarf noch etwas stärker von der Außentemperatur abhängig als bei stumpfen Verletzungen.
Zu ähnlichen Ergebnissen waren zuvor auch Forscher der Universität in Philadelphia gekommen. Sie hatten auf einem Notfallmedizin-Kongress Daten eines Traumazentrums präsentiert, das pro Monat etwa 40 Patienten mit penetrierenden Verletzungen versorgt (SCCM 2014; Abstract 259).
Auch hier kamen nachts etwa zweieinhalbmal mehr dieser Patienten als tagsüber, auch hier wurde umso mehr gestochen und geschossen, je wärmer, und vor allem je feuchter es war.
10 Prozent mehr Luftfeuchtigkeit jenseits der 50 Prozent gingen mit 9 Prozent mehr solcher Traumapatienten einher.
Aber selbst wenn so manchem Verbrecher oder Heißblut in einer eisigen Winternacht das Messer an die Hand gefriert - sicher fühlen darf man sich dennoch nicht.
Das Risiko, um drei Uhr morgens in einer US-Großstadt auf offener Straße niedergeschossen oder -gestochen zu werden, ist dann immer noch zwei- bis dreimal höher als an einem sonnigen Mittag im Juli, hieß es auf dem Kongress.