Lebenszeitrisiko

Jedes dritte Hirnaneurysma platzt

Je größer das Aneurysma, umso größer das Rupturrisiko - so lautete bisher das Credo. Für die meisten Patienten ist aber weit relevanter, ob sie jung, weiblich oder Raucher sind - dann ist die Blutungsgefahr besonders hoch.

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Notfallversorgung bei Ruptur eines Hirnaneurysmas. Korreliert die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses nur mit der Größe des Aneurysmas?

Notfallversorgung bei Ruptur eines Hirnaneurysmas. Korreliert die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses nur mit der Größe des Aneurysmas?

© Christoph Pueschner / Stiftung Dt. Schlaganfall-Hilfe

HELSINKI. Ist ein Hirnaneurysma über 25 mm groß, muss gehandelt werden: Das Gefäß platzt mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent innerhalb eines Jahres, hat eine japanische Studie vor zwei Jahren ergeben.

Eine niederländische Studie bestätigt diesen Zusammenhang: Bei einer Größe über 20 mm ist das Risiko, dass ein Aneurysma platzt, etwa 20-mal höher als bei einem Durchmesser unter 5 mm. Die Größe zählt also: Das Risiko für eine Hirnblutung scheint mit der Größe eines Aneurysmas exponentiell zu steigen.

Umgekehrt heißt das aber nicht, dass kleine Aneurysmen sicher sind. In einer finnischen Langzeitstudie ist fast ein Drittel der Aneurysmen rupturiert; die allerwenigsten waren zu Beginn über 7 mm groß.

Zumindest für die Langzeitprognose tauge bei den meisten Patienten die Größe offenbar wenig, andere Faktoren seien viel entscheidender, berichten Neurochirurgen um Dr. Miikka Korja von der Uniklinik in Helsinki.

Größte Ruptur-Gefahr bei rauchenden Frauen mit einer Aneurysma-Größe über 7 mm

Das Team hat die Daten von 118 Patienten (61 Frauen, 57 Männer) analysiert, bei denen zwischen 1956 und 1978 ein intaktes Hirnaneurysma entdeckt worden war (Stroke 2014, online 22. Mai). Ihr Schicksal wurde bis zum Tod oder der Ruptur des Aneurysmas nachverfolgt.

Im Schnitt waren die Patienten bei Diagnose 44 Jahre alt. Große Aneurysmen waren zu diesem Zeitpunkt eher selten: Nur bei 22 Patienten (19 Prozent) waren sie mindestens 7 mm groß, im Mittel lag der Durchmesser bei etwa 4 mm. Im Laufe des restlichenLebens rissen 29 Prozent der Gefäße und führten zur Subarachnoidalblutung.

Jährlich platzten 1,6 Prozent der Aneurysmen - eine ähnliche Rate hatten auch kürzer angelegte Studien ergeben. Eine Größe über 7 mm bei Diagnose erwies sich zwar als Risikofaktor für eine Ruptur, aber nur bei Frauen: Bei acht von elf Frauen (73 Prozent) platzten solche Aneurysmen, aber nur bei zwei von elf Männern (18 Prozent).

Wenn sich Aneurysmen im Laufe des Lebens ausweiteten, war dies jedoch ein Warnsignal: Fast alle rupturierten Befunde (93 Prozent), von denen Mehrfachmessungen vorlagen, hatten sich seit Erstmessung um über 2 mm vergrößert; dies war aber nur bei 22 Prozent der nicht-rupturierten Aneurysmen der Fall.

Bei Männern scheinen die Aneurysmen also eher stabil zu bleiben. Insgesamt hatten Männer ein halb so hohes Lebenszeitrisiko für eine Ruptur (19 vs 38 Prozent) wie Frauen.

Ein weiterer wichtiger Risikofaktor war Tabakkonsum: Rauchten die Betroffenen zum Zeitpunkt der Diagnose, lag das Lebenszeitrisiko für eine Ruptur bei 39 Prozent, für Niemals- und Exraucher nur bei 17 Prozent. Keine signifikante Risikoerhöhung gab es hingegen bei Bluthochdruck und multiplen Aneurysmen.

Dagegen war das Alter bei der Diagnose wichtig: Unter 50-Jährige hatten ein etwa dreifach höheres Rupturrisiko als jene über 50 - bei Jüngeren bleibt dem Aneurysma natürlich noch mehr Zeit zum Platzen.

Rauchen ist ein beeinflussbarer Risikofaktor

Aus diesen Daten erstellten die Forscher um Korja nun eine Art Risikotabelle für Aneurysma-Patienten. Am höchsten ist danach die Rupturgefahr bei rauchenden Frauen mit einer Aneurysma-Größe von über 7mm, sie liegt praktisch bei 100 Prozent. Die jährliche Rupturrate lässt sich mit etwa 6,5 Prozent beziffern.

Am anderen Ende liegen nichtrauchende Männer: Bei keinem einzigen männlichen Niemals- und Exraucher wurde ein geplatztes Hirnaneurysma beobachtet, allerdings gab es in dieser Gruppe nur 16 Männer, sodass jegliche Berechnungen dazu auf sehr dünnen Beinen stehen.

Dagegen war das Lebenszeitrisiko für eine Ruptur mit 50 Prozent bei rauchenden Männern mit Aussackungen über 7 mm ebenfalls sehr hoch.Für die Therapieentscheidung könnten diese Langzeitdaten wichtig sein.

So muss offenbar nicht jedes vergrößerte Aneurysma bei männlichen Nichtrauchern operiert werden, wohingegen bei Frauen auch schon kleinere Aussackungen auf Dauer risikoträchtig sind, vor allem wenn es sich um Raucherinnen handelt.

Überhaupt scheint das Rauchen der einzige beeinflussbare Risikofaktor zu sein: Wer darauf verzichtet, kann die Gefahr einer Hirnblutung drastisch senken. (mut)

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