Weizensensitivität

Keine Zöliakie, aber glutenfrei hilft

Zöliakie, Weizenallergie oder Weizensensitivität? Wer vermutet, dass er Weizen, Roggen oder Gerste nicht verträgt, sollte sich einer gründlichen Diagnostik unterziehen.

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Glutenfreies Brot enthält auch keine Amylase-Trypsin-Inhibitoren.

Glutenfreies Brot enthält auch keine Amylase-Trypsin-Inhibitoren.

© Johanna Mühlbauer / fotolia.com

BERLIN. Treten nach dem Genuss getreidehaltiger Speisen Bauchschmerzen und andere Beschwerden auf, deutet das nicht immer auf eine Zöliakie oder auf eine Allergie gegen Weizenbestandteile hin.

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) weist in einer Mitteilung auf eine dritte, weniger bekannte Störung hin, die dazu führen kann, dass Betroffene keine Getreideprodukte vertragen: Bessern sich unklare Beschwerden unter glutenfreier Diät, sei die Weizensensitivität als mögliche Erklärung in Betracht zu ziehen, so die Experten der Fachgesellschaft.

Wahrscheinliche Ursache der Erkrankung sind Eiweißstoffe, die wie Gluten in Weizen, Gerste und Roggen vorkommen. Für über 90 Prozent der Bevölkerung sei der Verzehr von Weizen jedoch unschädlich, betont die DGVS.

"Amylase-Trypsin-Inhibitoren, kurz ATIs, sind natürliche Eiweiße in Getreide, die bestimme Zellen des angeborenen Immunsystems aktivieren", wird Professor Detlef Schuppan, Leiter des Instituts für Translationale Immunologie und der Ambulanz für Zöliakie und Dünndarmerkrankungen am Universitätsklinikum Mainz, in der DGVS-Mitteilung zitiert.

Bei Menschen, die an einer Weizensensitivität leiden, führen die freigesetzten Entzündungsstoffe mitunter zu Bauchschmerzen oder Durchfällen.

Auch Kopf- und Muskelschmerzen

Wie Schuppan und Kollegen in einer aktuellen Sonderausgabe des Fachmagazins "Gastroenterology" zur Rolle der Ernährung bei immunologischen gastrointestinalen Erkrankungen erläutern, treten insbesondere auch Beschwerden außerhalb des Magen-Darm-Traktes auf (Gastroenterology. 2015 May;148(6):1195-204).

So können zum Beispiel Kopfschmerzen, Migräne, chronische Müdigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen auf den Verzehr glutenhaltiger Nahrungsmittel zurückgehen. Besonders schwer könnte die Weizensensitivität Menschen mit bereits bestehenden chronischen Entzündungen oder Autoimmunerkrankungen betreffen.

"In tierexperimentellen Studien verstärken ATIs durch die Aktivierung angeborener Immunzellen bestehende Entzündungs- und Autoimmunreaktionen", erläutert Schuppan, der in Mainz und an der US-amerikanischen Harvard-Universität die Rolle der ATIs bei der Weizensensitivität untersucht.

Es gebe hier deutliche Hinweise darauf, dass sich Symptome von Krankheiten wie Multiple Sklerose oder einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung durch diese Weizenproteine verstärken.

Diagnose nach Ausschlussprinzip

Menschen, die vermuten, dass sie Weizen, Roggen oder Gerste nicht vertragen, sollten sich einer gründlichen Diagnostik unterziehen, empfiehlt die DGVS.

Derzeit erfolgt die Diagnose der Weizensensitivität nach dem Ausschlussprinzip: Können Ärzte eine Zöliakie, eine Weizenallergie und bestimmte andere Erkrankungen als Ursache der Beschwerden ausschließen, ist eine Weizensensitivität wahrscheinlich.

Allen drei Patientengruppen gemein ist, dass sie von einer glutenfreien Diät profitieren. Denn wer an einer Weizensensitivität leidet, vermeidet mit dem Verzicht auf Gluten gleichzeitig auch die problematischen ATIs. "Anders als bei Zöliakie ist bei einer Weizensensitivität eine strikte Diät nicht nötig", so Schuppan. Damit die Symptome verschwinden, reiche wahrscheinlich eine Reduktion gluten- und damit ATI-haltiger Lebensmittel um etwa 90 Prozent.

ATIs dienen der Pflanze unter anderem zum Schutz vor Schädlingen. Einige ältere Getreide, zum Beispiel Dinkel, aber auch einige moderne Sorten können um 50 Prozent weniger ATIs enthalten als andere moderne Sorten. Inwieweit verschiedene Weizensorten, unter anderem unter unterschiedlichen Anbau- und Verarbeitungsbedingungen, ATIs enthalten, ist Gegenstand eines interdisziplinären Forschungsprojektes.

Für den Großteil der Bevölkerung sei eine weizenfreie Ernährung weder besonders gesund noch schädlich, ist Schuppan überzeugt.

Unabhängig von dem Trend zur glutenfreien Ernährung sollten Ärzte jene Patienten, die nach dem Verzehr von Weizen echte Krankheitssymptome entwickeln, ernst nehmen und sie bei der Ursachenforschung unterstützen. Der Experte ist zuversichtlich, dass die Diagnose der Weizensensitivität künftig einfacher wird.

"Wir hoffen auf einen Serumtest, der gerade in der Entwicklung ist", berichtet Schuppan, der gemeinsam mit seinem Kollegen Professor Andreas Stallmach aus Jena die 2014 erschienene DGVS-Leitlinie "Zöliakie, Weizenallergie und Weizensensitivität" koordiniert hat. (eb)

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