Zur MS-Prävention

Nicht Fisch, nicht Fleisch, sondern...

Fetter Fisch soll angeblich das MS-Risiko senken. Jetzt sind aber andere, möglicherweise viel aussichtsreichere Fette in den Fokus der Forschung gerückt.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Fisch ist zwar gesund, zur MS-Prävention eigenen sich aber offenbar andere Fettarten mehr.

Fisch ist zwar gesund, zur MS-Prävention eigenen sich aber offenbar andere Fettarten mehr.

© Maria Mitrofanova / fotolia.com

BARCELONA. Die Norweger essen gerne Fisch, natürlich vor allem an der Küste. Im Landesinneren labt man sich eher am Rentierbraten. An der Küste ist auch die MS-Inzidenz auffallend gering. Liegt das nun am Fisch?

Schon lange haben Wissenschaftler mehrfach ungesättigte Fettsäuren (polyunsaturated fatty acids, PUFA) aus Fischen im Visier - ihnen werden teilweise antientzündliche und immunmodulierende Eigenschaften nachgesagt.

Bislang unklare Datenlage

Allerdings ist die Evidenz für einen Nutzen eher gering. Beobachtungsstudien liefern mehrdeutige Ergebnisse zu Fischfett, fetten Fischen und isolierten Fettsäuren aus fetten Fischen.

Eine aktuelle Beobachtungsstudie fand zwar erneut eine geringere MS-Inzidenz bei Fischliebhabern und Konsumenten von Omega-3-Fettsäuren, in einer älteren prospektiven Studie sei ein solcher Zusammenhang aber nicht gesehen worden, sagte Dr. Kjetil Bj¢rnevik von der Universität in Bergen auf dem ECTRIMS-Kongress in Barcelona.

Ein Team um Bj¢rnevik hat sich nun die MS-Inzidenz in den beiden Nurses‘ Health Studies mit zusammen über 170.000 Frauen genauer angeschaut.

In diesen Studien sind auch die Ernährungsgewohnheiten alle zwei bis vier Jahre erhoben worden. Insgesamt erkrankten während der Studienlaufzeit 479 Frauen neu an MS.

MS-Risiko unter Alpha-Linolensäure reduziert

Die norwegischen Forscher schauten sich gezielt den Fettsäurekonsum von MS-Kranken und von gesunden Frauen im selben Alter an, die sich beim Tabakkonsum, bei der Vitamin-D-Aufnahme, dem Breitengrad ihres Wohnorts und einer Reihe anderer MS-Risikofaktoren nicht unterschieden.

Dabei fanden sie heraus, dass Frauen mit MS offenbar signifikant weniger PUFAs mit ihrer Nahrung aufnahmen als Frauen ohne MS. Für einfach ungesättigte Fette ergab sich hingegen kein signifikanter Zusammenhang.

Wurden die Fette noch weiter aufgeschlüsselt, so blieb die Assoziation nur für pflanzliche Fettsäuren bestehen. "Das reduzierte MS-Risiko von PUFAs lässt sich praktisch ausschließlich auf pflanzliche Fettsäuren zurückführen, vor allem auf Alpha-Linolensäure", sagte Bj¢rnevik.

Linolensäure kommt etwa in Leinöl in hoher Konzentration vor (50-70 Prozent). Für typische Fisch-PUFAs wie EPA und DHA konnten die Forscher hingegen keinen signifikanten Einfluss auf die MS-Inzidenz berechnen. Die geringe MS-Inzidenz an Norwegens Küste lässt sich damit also nicht erklären.

Ein Problem vieler solcher Studien sei jedoch, die Fettsäurenzusammensetzung aus den Ernährungsfragebögen einigermaßen exakt zu ermitteln. Zu beachten sei dabei, dass nicht alle ungesättigten Fettsäuren auch antientzündlich wirkten.

Omega-6-Fettsäuren würden zum Teil über die gleichen Enzyme verarbeitet wie Omega-3-Fettsäuren, jedoch zu proinflammatorischen Mediatoren wie Arachidonsäure. Ein hoher Konsum von Omega-6-Fetten könnte auf diese Weise den Omega-3-Stoffwechsel hemmen.

Erste Humanstudie mit Propionsäure

Einen etwas einfacheren Ansatz zur MS-Prävention mit Fettsäuren hat vor Kurzem Professor Aiden Haghikia auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Düsseldorf vorgestellt.

Ein Team um den Neurologen von der Universität Bochum fand heraus, dass bestimmte Fettsäuren die Darmflora verändern.

Zugleich wurden in Tierversuchen bei einer Ernährung mit langkettigen Fettsäuren deutlich mehr proinflammatorische T-Zellen im Darm entdeckt. Eine Diät mit kurzkettigen Fettsäuren schien dagegen die Zahl der regulatorischen T-Zellen zu erhöhen.

Ergänzung für MS-Behandlung

Dies wirkte sich auch auf die Krankheitsaktivität in einem MS-Maus-Modell aus: Fütterten die Forscher solche Mäuse mit der langkettigen Laurinsäure, verschlechterte sich die Symptomatik, mit der kurzkettigen Propionsäure ging die Krankheitsaktivität hingegen zurück.

Auf dem ECTRIMS-Kongress präsentierte Haghikia nun Ergebnisse einer ersten Humanstudie. Dabei ließen sich bei gesunden Probanden mit Propionsäure (ein Gramm täglich) ebenfalls Veränderungen im Darmimmunsystem beobachten.

Die Konzentration regulatorischer T-Zellen stieg um 25-30 Prozent, gleichzeitig gingen die Werte für proinflammatorische Th17-Zellen deutlich zurück. Der Neurologe sieht durchaus Chancen, dass in naher Zukunft eine solche Fettsäuretherapie die MS-Behandlung ergänzen könnte.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Diagnose-Prävalenzen

Wo Autoimmunerkrankungen besonders häufig auftreten

Aktive schubförmige Multiple Sklerose (RMS)

Neue Daten untermauern günstiges Sicherheitsprofil von Ofatumumab

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

EvidenzUpdate-Podcast

Hoffnung und Kollaps – wie Lecanemab uns herausfordert

Lesetipps
Ein sich auftürmender Geldstapel.

© Sascha Steinach/ZB/picture alliance

Finanzielle Lage der GKV

Zusatzbeiträge 2025: Hiobsbotschaften im Tagesrhythmus

 Hausarzt Werner Kalbfleisch

© Südwest Presse / Verena Eisele

Ende eines jahrelangen Verfahrens vor den Prüfgremien

Hausarzt geht mit XXL-Regress in die Rente

Die Forschenden nahmen die langfristigen Auswirkungen der essenziellen Metalle Kobalt, Kupfer, Mangan und Zink, sowie der nicht-essenziellen Metalle Arsen, Cadmium, Blei, Wolfram und Uran auf die kognitiven Funktionen in den Blick.

© Naeblys / Getty Images / iStock

Umweltbelastung

Metalle im Urin sind mit kognitivem Abbau assoziiert