Verhaltenstherapie

Schutz vor Depressionen bei Diabetikern

Jeder dritte Diabetespatient läuft Gefahr, eine Depression zu entwickeln. Eine Prävention bei Gefährdeten ist mit der Kurzzeit-Verhaltenstherapie "DIAMOS - Diabetesmotivation stärken" möglich.

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Alles vorbereitet für die BZ-Messung? Ein allzu perfektionistischer Umgang mit Diabetes kann Stress sein und Depressionen fördern.

Alles vorbereitet für die BZ-Messung? Ein allzu perfektionistischer Umgang mit Diabetes kann Stress sein und Depressionen fördern.

© Miriam Dörr / fotolia.com

BERLIN. Depressionen sind für Diabetespatienten gefährlich, weil sie die Stoffwechselerkrankung häufig verschlechtern.

Das Forschungsinstitut der Diabetes Akademie Bad Mergentheim hat deshalb das Kurzzeit-Programm DIAMOS speziell für Diabetiker entwickelt, die Anzeichen einer erhöhten Depressivität zeigen.

Die Wirksamkeit der Kurzzeit-Verhaltenstherapie wurde jetzt in einer Studie belegt, berichtet die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) (Diabetes Care 2015; online 20. Januar).

An der vom Bundesforschungsministerium geförderten Studie nahmen 214 Patienten mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes teil.

Sie wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Hälften aufgeteilt. Eine Interventions-Gruppe bekam die von Psychologen angeleitete DIAMOS-Gruppentherapie.

Fünf Bausteine à 90 Minuten

Diese besteht aus fünf Kursbausteinen à 90 Minuten. Die Teilnehmer werden zudem viermal im Laufe eines Jahres telefonisch kontaktiert.

Eine Kontroll-Gruppe nahm für fünf Sitzungen an einer Diabetesschulung zu Therapie, Ernährung, Bewegung und sozialen Aspekten der Krankheit teil.

Ziel des Programms ist es, die Depressivität zu reduzieren und den Ausbruch einer behandlungsbedürftigen Depression zu verhindern.

Gemeinsam mit dem Berater sollen die Patienten in fünf Schritten Probleme im Zusammenhang mit dem Diabetes identifizieren, Lösungsstrategien erarbeiten, negative Einstellungen verändern und Ressourcen aktivieren.

"Zu häufigen Stressquellen zählt etwa die mangelnde Fähigkeit, ‚Nein‘ zu sagen oder ein übertrieben perfektionistischer Umgang mit Diabetes", wird Studienleiter Privatdozent Bernhard Kulzer in der DDG-Mitteilung zitiert. Auch die Verheimlichung des Diabetes am Arbeitsplatz könne stark belasten.

"Am Ende der DIAMOSIntervention steht eine Vereinbarung über konkrete Schritte, wie man die Belastungen im Alltag reduzieren kann", so Kulzer.

Nach zwölf Monaten analysierten die Forscher, wie sich die beiden verschiedenen Interventionen auf die Teilnehmer ausgewirkt hatten.

Folgende Faktoren wurden dabei untersucht: depressive Symptome, diabetesbezogener Stress, Diabetes-Selbstmanagement und Zufriedenheit.

Effektiver als eine Schulung

"Sowohl die Diabetesschulung als auch die DIAMOS-Kurzzeittherapie verbesserten das Selbstmanagement und die Zufriedenheit der Patienten in vergleichbarem Maße", bilanziert Kulzer.

"Aber was die Reduktion depressiver Symptome und diabetesbezogener Belastungen betrifft, war DIAMOS eindeutig effektiver als die Schulung."

So lag die Wahrscheinlichkeit, eine behandlungsbedürftige Depression zu entwickeln, bei den Teilnehmern der Kurzzeit-Therapie 37 Prozent niedriger.

"Damit beugt DIAMOS erwiesenermaßen einer schweren Depression vor", so Professor Norbert Hermanns, Erstautor der Studie, in der Mitteilung.

Wie lassen sich Risikopatienten erkennen? Ein Hinweis kann zum Beispiel sein, wenn sich die Einstellung zur Erkrankung ins Negative wendet.

"Der Diabetes läuft nicht mehr nebenbei, er wird zur Last, kostet mehr Energie als zuvor", so Kulzer. Auch auf der kognitiven Ebene dominiert Abwehr.

Verhaltensänderungen als Warnzeichen

"Man denkt über das Diabetesmanagement in zunehmend negativen Kategorien: Das Messen nervt, man will die Blutzuckerwerte gar nicht mehr sehen und betrachtet die Therapie zunehmend als Last", erläutert der Psychologe.

Auch Verhaltensänderungen können Warnzeichen sein. Die Patienten kümmern sich weniger um ihre Therapie, um Bewegung und Ernährung.

"Bis die Betroffenen das Insulin nicht mehr nach dem gewohnten Schema spritzen, sondern in unregelmäßigen Abständen", so Kulzer. Spätestens jetzt wird es gefährlich, weil die Blutzuckerwerte steigen und entgleisen können.

Erhöhte Werte wiederum beeinträchtigen das Wohlbefinden, was den Umgang mit der Krankheit weiter verschlechtert - ein Negativkreislauf entsteht. Eine erste Orientierung für ein erhöhtes Depressions-Risiko bietet auch ein Test im Internet.

Eine andauernde Depressivität verstärkt zudem entzündliche Prozesse. Dies könnte erklären, warum depressive Menschen mit Diabetes ein erhöhtes Risiko für Diabetes-Folgeerkrankungen und eine deutlich kürzere Lebenserwartung haben. (eb)

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