Peptid-Cocktail

Schweinehirn bremst Demenz

Schweinehirne gegen das Vergessen - das verspricht die Infusion mit einem speziellen Hirnextrakt. Eine neue Analyse zeigt den Nutzen dieses Cocktails bei Demenz. Fraglich ist bloß die Evidenz.

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Guten Appetit.

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SICHUAN. Es klingt zwar nicht gerade nach einem Durchbruch in der Demenztherapie, aber offenbar kann man mit enzymatisch verdauten Schweinehirnproteinen die kognitive Funktion bei Patienten mit vaskulärer Demenz etwas aufbessern.

Darauf deuten zumindest Daten von sechs randomisiert kontrollierten Studien, die Wissenschaftler um Dr. Ning Chen von der Universität in Sichuan in China in einer Metaanalyse zusammengefasst haben.

Das untersuchte Peptidpräparat wird unter der Bezeichnung Cerebrolysin zur Unterstützung der Gehirnfunktion vertrieben - unter anderem, um die Folgen eines Schlaganfalls oder eines Schädelhirntraumas zu lindern (Cochrane 2013; 1: CD008900).

Tier- und Laborversuche hatten Hoffnungen geweckt, dass das Präparat auch bei Demenzerkrankungen positive Wirkungen hat. So könnten die neurotrophen Faktoren in dem Lysat die Beta-Amyloidbildung modulieren, die Zellen vor Apoptose schützen und das Aussprießen neuer Nervenfortsätze begünstigen.

An den sechs kontrollierten Studien, die Chen und Mitarbeiter zu Cerebrolysin fanden, hatten insgesamt 600 Patienten mit vaskulärer Demenz teilgenommen. Sie erhielten täglich zehn bis 30 Milliliter des Präparats intravenös infundiert.

Die Behandlungsdauer variierte in den Studien zwischen einigen Wochen und drei Jahren, wobei die Therapien zyklisch erfolgten, also immer auch wieder längere Therapiepausen stattfanden. Vier Studien waren placebokontrolliert, zwei hatten als Kontrollgruppe Patienten ohne Infusionen.

Am häufigsten wurden die Ergebnisse mit dem Mini-Mental-Status-Test (MMST), der ADAS-cog-Skala und dem klinischen Gesamteindruck (CGI) erfasst. Eine vaskuläre Demenz attestierten die Studienärzte den Patienten aufgrund von CT- oder MRT-Aufnahmen.

Die Schwere der Erkrankung variierte allerdings sehr stark, es nahmen Patienten mit einem MMST-Wert zwischen neun (schwere Demenz) und 26 Punkten (leichte Beeinträchtigung) teil.

Vorteile in den wichtigsten kognitiven Tests

Interessanterweise zeigte sich in allen Studien trotz der sehr heterogenen Patientengruppen und der unterschiedlichen Behandlungsdauer ein Vorteil für Cerebrolysin in den wichtigsten kognitiven Tests.

Insgesamt war der Wert beim MMST mit den Peptidinfusionen um 1,1 Punkte besser als in den Kontrollgruppen, der ADAS-cog-Wert differierte um 4,0 Punkte zugunsten des Lysats.

Die Effektgröße war mit beiden Tests statistisch signifikant. Auch in Responder-Analysen zeigten sich signifikant günstigere Werte bei der allgemeinen kognitiven Funktion und beim klinischen Gesamteindruck.

Zu schweren unerwünschten Wirkungen kam es in keiner der Studien, auch waren die Nebenwirkungsraten in allen Gruppen vergleichbar.

Die Autoren der Metaanalyse äußern sich allerdings vorsichtig zu klinischen Konsequenzen ihrer Untersuchung. Cerebrolysin könne durchaus positive Effekte auf die Kognition und das funktionelle Niveau bei Patienten mit leichter bis moderater vaskulärer Demenz haben.

Aufgrund der geringen Anzahl der Studien, den kurzen Nachbeobachtungszeiten und der unterschiedlichen Behandlungsdauer reiche die bisherige Evidenz aber nicht aus, um das Peptidpräparat für die Routinetherapie zu empfehlen.

Da Cerebrolysin infundiert werden muss, sei zudem fraglich, ob sich dieses Prozedere für eine Langzeitanwendung bei Demenzkranken eigne. (mut)

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Kommentare
Dipl.-Med Matthias Junk 08.02.201321:57 Uhr

Hut ab!

Sehr geehrter (!) Herr Kollege Schätzler,
immer wieder stürze ich mich geradezu genüsslich auf Ihre Kommentare zu solchen Themen, die eine mögliche Überwältigung des gesunden Menschenverstandes und des speziell ärztlichen Sachverstandes aus dem Text heraus versuchen (durch plumpe Vereinfachung und demagogische Verführung an scheinbar glatten Gedankenfäden) und uns als Leser unsere konsumierende Undifferenziertheit vor Augen halten.
Als ein im Osten mit dem vorsichtigen grundsätzlichen Nichtglauben von journalistischen Elaboraten aufgewachsener Mensch bin ich - insbesondere nach der Beschneidungsdebatte und nach manchen Erlebnissen mit absurden Kniefällen vor dem Götzen der political corretness (unter Missachtung von Wahrhaftigkeit incl. emotionaler Echtheit, Empörung und kämpferischer Parteilichkeit) - entsetzt, wie weit wieder dieser "unterbewußt und bewußt an die Hand nehmende und VERführende Stil" der Meinungsbildung, der immer öfter in den Medien vorkommt selbst in unserer Kollegenschaft scheinbar widerspruchslos akzeptiert oder ignoriert zu werden scheint.
Um so mehr freut es mich und ich bewundere es, dass Sie oft "den Finger in die Wunde" legen, damit auch ungleich weniger "Daten- und Hintergrund-agile" Mitmenschen und Kolleg_Innen die Augen offener haben und ein paar Windungen zusätzlich einschalten.
((Leider hat es z.B. bei den Versuchen, die religiöse Kinderquälerei wenigstens erstmal in einem Land dieser Welt einzudämmen, nicht genug angeschaltete Windungen gegeben - oder der Osten mit seiner Denke "...die Partei, die hat immer Recht..." ist schon im Bundestag allgegenwärtig und sorgt für parteidiszipliniertes Abstimmen, ohne persönliche Gewissensentscheidungen noch vorzusehen.))
Na gut, hier geht es auch ein bisschen um Schwein haben oder nicht.
Soweit ich das verstanden habe...
Da dürften wieder einige benachteiligt - oder jetzt bevorteilt sein von der Verwendung des Schweins an sich. Vielleicht.
Vielleicht gibt es ja Nutzen, vielleicht sogar auch Evidenz...Eminenz scheinbar jetzt schon.
Und mal sehen, wie lange es dauert, bis auf der Seite der Liga der "Drss.med.esoterici" die Befürchtungen publiziert werden, dass damit der schon Demente eher noch zusätzlich zu seiner sich ohnehin ändernden Persönlichkeit auch etwas mehr vom Wesen des Schweins "empfangen wird"...
Oder ob die Muslimbruderschaft hinter diesem Unternehmen in Ägypten steckt - und es dem Westen jetzt auf ganz anderen Wegen "besorgen" will - diesmal so , indem sie an uns versuchen will, ob der Westen (auf dem Umweg über Analysten des auch schweinefressenden Fernen Ostens) sogar solchen unausgegorenen und möglicherweise schweinischen Unfug "schlucken" oder gleich ins ungläubige Hirn infundieren wird ??
Mit vielleicht Nutzen- zumindest sicher für die Produzenten. Mit dollarkalkulierbarer Evidenz...
Vielleicht sogar mit EU-Fördermitteln, von EU-Parlamentariern befürwortet, die - wenn man an Hand der geistigen Güte mancher deren Entscheidungen auf den Grad der geistigen Fitness schließen wollte - eigene Hoffnungen haben dürften... :-)

MkG Dipl.Med. M.Junk, FA KuJM, Leipzig

Ursula Brockmueller 08.02.201313:52 Uhr

Schweinehirn bremst Demenz

das ist absoluter Unsinn denn tierische Aminosäuren, besonders vom Schwein, erzeugen Demenz

Dr. Thomas Georg Schätzler 08.02.201309:36 Uhr

Gleich und Gleich gesellt sich gern?

"The Cochrane Library" im Niedergang: Da wird allen Ernstes eine Meta-Analyse aus einer bereits vorhandenen "Cochrane Database" generiert, um aus der gesammelten Tendenzliteratur etwas herauszulesen und zu beweisen?

Inhaltlich kriegt man die Krise - Denn wenn keine ausreichend signifikanten Nutzeffekte von Cerebrolysin® bei den allgemeinen kognitiven Funktionen, gemessen mit der Mini-Mental-State-Untersuchung (MMSE), bestehen, nimmt man als obsoleten statistischen Taschenspielertrick die "gewichtete Durchschnittsdifferenz" als "weighted mean difference" (WMD). ["The meta-analyses revealed a beneficial effect of Cerebrolysin on general cognitive function measured by mini-mental state examination (MMSE) (weighted mean difference (WMD) 1.10; 95% confidence interval (CI) 0.37 to 1.82)"]. Lächerliche 1,10 Vorteil bei einem geradezu grotesken 95%-Konfidenzintervall von 0,37 bis 1,82! Genauso gut könnte man auf eine Schrotflinte ein Zielfernrohr schrauben, um "Schweinehirnextrakt" besser treffen zu können.

Gipfel der "Seriosität" dieser Metaanalyse, die sich ausschließlich auf vaskuläre Demenz bezieht, ist die Verwendung eines Alzheimer Assessments ["Alzheimer''s Disease Assessment Scale Cognitive Subpart, extended version (ADAS-cog+)"].

Und für Kolleginnen und Kollegen, die dennoch "Cerebrolysin®" bestellen wollen - der Anbieter B.P. Pharma stellt sich auf seiner eigenen Website vertrauenswürdig vor:

"B.P.Pharma ist ein Prominentestes und überragendstes Unternehmen, dessen Mission man uns deswegens angedeihen läßt, die Lebensqualität unserer Gesellschaft instandzustellen,indem die an jenen schweren Krankenheiten leidenden Patienten sich besser fühlen sollen und ihr normales Leben aufrechterhalten können. Wir bemühen uns um das Wohl der Humanität. Um unsere sublime Mission auszufüllen,dürfen wir uns eigentlich eine Gesamtdarstellung unserer traditionalen und zeitgenössischen Medikamente wiedergeben, die Hochqualität, Sicherheit und Wettbewerbende Preise für unsere Kunden aufweisen. Dadurch, dass wir unsere Zielstrebung erst nun somit errungen haben, können unsere Anstrengungen für Humanitätswohlergehen beglückt und die erhabensten Zielsetzungen der B.P Pharma durchgesetzt werden."

Wie Sie B.P.Pharma erreichen können? Nichts einfacher als das. Die Kontaktdaten sind "Anschrift: Villa 62 der touristische Bezirk 4 -6 Oktober-Ägypten Tel : +202) 38250793 -38250794 - (+2) 012 5913006 - (+2) 012 5917002 Fax: (+202) 38250795 - (+2) 012 1933144 –
E-mail : info@bppharma.net

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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