Nutzen widerlegt
Strom hilft nicht bei Rückenschmerzen
Einen Versuch war es wert: Forscher haben untersucht, ob die transkranielle Gleichstromtherapie chronischen Rückenschmerz-Patienten Linderung bringt. Mit ernüchternden Ergebnissen.
Veröffentlicht:HAMBURG. Gegen chronischen Rückenschmerz ist bekanntlich kaum ein Kraut gewachsen, am ehesten scheinen multimodale Konzepte unter Einbeziehung einer kognitiven Verhaltenstherapie etwas zu nützen.
Damit lässt sich dysfunktionales, symptomverstärkendes Denken und Handeln abschwächen, aber die Effekte sind häufig nur minimal, geben Schmerzexperten um Dr. Kerstin Lüdtke und Professor Arne May vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf zu bedenken.
Wirksamere Therapien sind also dringend nötig, und es gibt kaum etwas, das nicht versucht wird. Zu den experimentellen Ansätzen zählt auch die transkranielle Gleichstromtherapie (tDCS). Dabei werden Elektroden am Schädel angelegt und die angrenzenden Hirnstrukturen mit einem leichten Gleichstrom gereizt.
Auf diese Weise kann die kortikale Exzitabilität beeinflusst werden. Da das Schmerzempfinden letztlich im Gehirn entsteht, hoffen Forscher, auf diese Weise auch chronische Schmerzen zu lindern.
Kleinere Studien mit tDCS bei chronischem Rückenschmerz hatten zum Teil eine gewisse Wirksamkeit nahegelegt.
Therapie mit intensivem Training
Dem wollte das Team um Lüdtke nun anhand einer großen randomisiert-kontrollierten Studie mit 135 Patienten auf den Grund gehen (BMJ 2015; 350: h1640). Die Teilnehmer hatten alle seit mindestens zwölf Wochen persistierende unspezifische lumbale Schmerzen.
Alle bekamen eine multimodale Therapie mit Übungen zur Stärkung der Rückenmuskulatur, Entspannungsübungen und Schmerzbewältigungsstrategien.
Das Training war sehr intensiv: Fünf Stunden pro Tag mussten sich die Patienten mit den Übungen beschäftigen, und das vier Wochen lang.
Vor Beginn des Trainings erhielten sie nun fünf Tage lang täglich eine 20-minütige tDCS-Behandlung mit 2 mA anodalem Strom über dem linken motorischen Kortex oder aber eine Scheinstimulation. Dabei wurde der Strom nach 30 Sekunden abgeschaltet.
Die Ärzte um Lüdtke wollten zum einen schauen, ob die tDCS die Schmerzen direkt lindert, zum anderen, ob die Behandlung in der Lage ist, den Erfolg der anschließenden multimodalen Therapie zu verbessern.
Dies war jedoch nicht der Fall. Nach fünf Tagen tDCS-Therapie war der Schmerz auf einer 100-Punkte-Analogskala im Schnitt von 48 auf 42 Punkte gesunken, mit der Scheinstimulation von ebenfalls 48 auf 41 Punkte.
Nach den vier Wochen multimodaler Therapie lag der Wert in der tDCS-Gruppe bei 26, in der Kontrollgruppe bei 23 Punkten - hier gelang die Schmerzlinderung sogar etwas besser, die Unterschiede waren jedoch nicht signifikant.
Nach einem Jahr lag der Schmerzwert bei 29 Punkten in der tDCS- und bei 22 Punkten in der Kontrollgruppe. Die multimodale Therapie scheint also durchaus wirksam zu sein, die initiale tDCS-Behandlung hatte jedoch zu keinem Zeitpunkt einen Einfluss auf die Schmerzen.
tDCS bei Rückenschmerz ungeeignet
Nicht viel besser war das Ergebnis, wenn sich die Forscher die Auswirkungen der Rückenschmerzen auf die Beweglichkeit, den Schlaf sowie das Sozial- und Sexualleben anhand des Oswestry Disability Index anschauten. Auch hier gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.
Nach Angaben der Studienautoren ist diese die erste randomisiert-kontrollierte Studie mit einer Patientenzahl, die groß genug ist, die Wirksamkeit der tDCS auf Schmerzintensität und Einschränkungen bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen zu belegen.
Dabei ließ sich nach fünf tDCS-Sitzungen weder allein noch in Kombination mit der folgenden multimodalen Therapie ein signifikanter Effekt nachweisen.
Das Ergebnis spreche dafür, dass die tDCS zur Therapie bei chronischem lumbalem Rückenschmerz ungeeignet sei, schreiben die Ärzte um Lüdtke.