Hautkrebsdiagnostik

Teledermatologie: Erste S2k-Leitlinie

Ob Verdacht auf malignes Melanom oder Basalzellkarzinom: Bei der Primärdiagnostik sollten Dermatologen die Patienten selbst begutachten und nicht auf assistive KI setzen, so die erste S2k-Leitlinie zur Teledermatologie.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Telemedizin: Wann ist sie bei Hauterkrankungen sinnvoll und sicher?

Telemedizin: Wann ist sie bei Hauterkrankungen sinnvoll und sicher? Eine neue Leitlinie gibt dazu Aufschluss.

© M.Dörr & M.Frommherz / stock.adobe.com

Berlin. Melanozytäre Läsionen und Hautkrebs zeigen unter allen dermatologischen Indikationen in der Telemedizin das mit Abstand größte Publikationsaufkommen in der digitalen Dermatologie – mit 52 publizierten Arbeiten. Das geht aus der nun veröffentlichten, gemeinsam von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) erstellten S2k-Leitlinie hervor. Dabei handelt es sich nach Angaben von DDG und BVDD um die erste Telemedizinleitlinie auf S2k-Niveau in Deutschland.

„Sie definiert, was telemedizinisch versorgt werden kann, wo positive Effekte zu sehen sind und was unterbleiben sollte. Mit ihr können sich behandelnde Ärztinnen und Ärzte und auch die Betroffenen informieren, in welchen Bereichen der Dermatologie ausreichend Sicherheit bei der Anwendung teledermatologischer Verfahren besteht“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung.

Empfehlungen zu vier Indikationen

Die Leitlinie fokussiert dabei die teledermatologische Versorgung von Schuppenflechte (Psoriasis), Neurodermitis und Hautkrebs sowie von akuten und chronischen Wunden. Der BVDD verweist darauf, dass demnach zum Beispiel die Primärdiagnostik akuter und chronischer Wunden durch teledermatologische Verfahren empfohlen werden kann. Eine Erstdiagnostik bei Schuppenflechte und auch bei Neurodermitis allein auf der Basis eines teledermatologischen Befundes sollte hingegen nicht erfolgen. Telemedizinische Verlaufskontrollen könnten wiederum bei allen drei Krankheitsbildern empfohlen werden.

Zu Hautkrebs und melanozytären Läsionen heißt es in der Leitlinie: „Nach einer umfassenden Metaanalyse ist in einem Teil der Studien die Präsenzdiagnostik der digitalen Befundung überlegen gewesen.“ Die Indikation sei somit differenziell und situationsadaptiert zu stellen.

Dananch kann die Primärdiagnostik melanozytärer wie auch nicht-melanozytärer Läsionen auf Basis teledermatologischer Befunde nur unter bestimmten Kriterien erwogen werden. Unterbleiben sollte in jedem Fall die Primärdiagnostik von hellem und schwarzem Hautkrebs allein durch Verfahren der Künstlichen Intelligenz.

Konkret gibt die S2k-Leitlinie zur Teledermatologie folgende Ratschläge für den Versorgungsalltag, in dem gerade – coronabedingt – Videosprechstunden und Ferndiagnostik einen nie dagewesenen Nachfrageschub erfahren:

  • Die Primärdiagnostik melanozytärer Läsionen auf der Basis teledermatologischer Befunde kann erwogen werden, „wenn die morphologischen Befunde klinisch eindeutig sind und die notwendigen zusätzlichen anamnestischen und klinischen Angaben erhoben werden können.“ Bei klinisch unklarem Befund solle ärztlicherseits eine dermatoskopische Untersuchung erfolgen. Diese könne teledermatologisch oder als Präsenzuntersuchung durchgeführt werden, heißt es.
  • Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in der Primärdiagnostik melanozytärer Läsionen sollte nicht derart erfolgen, dass allein deren Ergebnis ausschlaggebend ist. Hier liegen die Dermatologen in ihrer Empfehlung auf einer Wellenlinie mit KI-Experten, die bei einer Anhörung des Deutschen Ethikrates ebenso vor zu viel Freizügigkeit ärztlicherseits mit assistiven KI-Diagnostiksystemen gewarnt haben – wegen möglicher Verzerrungen in den der diagnostischen Entscheidung zugrundeliegenden Algorithmen.
  • Die Primärdiagnostik nicht-melanozytärer Läsionen inklusive der Erkennung des Basalzellkarzinoms (BCC) und des Plattenepithelkarzinoms (SCC) auf der Basis teledermatologischer Befunde könne ärztlicherseits erwogen werden, „wenn die morphologischen Befunde klinisch eindeutig sind und die notwendigen zusätzlichen anamnestischen und klinischen Angaben erhoben werden können“, heißt es dazu in der Leitlinie. Bei klinisch unklarem Befund solle eine dermatoskopische Abklärung erfolgen – teledermatologisch oder vor Ort.
  • Die Primärdiagnostik nicht-melanozytärer Läsionen allein aufgrund von KI-Lösungen solle nicht erfolgen.

Die Dermatologie eigne sich besonders für Telemedizin-Angbeote, da sie eine „bildbasierte“ Ausrichtung habe, so Dr. Klaus Strömer, Leitlinienkoordinator und BVDD-Präsident. „Teledermatologie sollten wir dort einsetzen, wo sie der Versorgung der Patienten hilft, also frühe Diagnosen und Behandlungen möglich macht. Wir sehen große Chancen in der Telemedizin, um Therapie, Therapiemanagement, Nachsorge und die Patientenschulungen zu verbessern“, ergänzt DDG-Pressesprecher und Leitlinienautor Professor Peter Elsner.

Digitale Hautkontrolle als Kassenleistung

Dass niedergelassene Dermatologen offen für telemedizinische Angebote inklusive Diagnostik sind, zeigt sich auch an einem anderen Beispiel. So hat das vom BVDD lancierte Online-Portal „OnlineDoctor“ mit der Techniker Krankenkasse den ersten gesetzlichen Kostenträger gewonnen, der seinen Versicherten die digitale Hautbildkontrolle – unter anderem zur Hautkrebsdiagnostik – bezahlt. Bisher war die fotogestützte Ersteinschätzung ausschließlich Selbstzahlern vorbehalten; je Konsultation werden 38,87 Euro fällig.

Leitlinien-Steckbrief

  • Verfasser: Deutsche Dermatologische Gesellschaft und Berufsverband der Deutschen Dermatologen
  • Indikationen: Hautkrebs, Basalzellkarzinom, Psoriasis, Neurodermitis und chronischen Wunden

Die Leitlinie zum Download: https://bit.ly/38bMJOM

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