Metaanalyse
Testosteron kann Depressionen lindern
Eine Behandlung mit Testosteron kann bei depressiven Männern die Stimmung verbessern, berichten Dresdner Forscher. In einer Metaanalyse zeigt sich: Der Erfolg hängt von der Dosis ab.
Veröffentlicht:Das Wichtigste in Kürze
Frage: Kann eine Testosteronsubstitution Depressionen lindern?
Antwort: Eine Metaanalyse deutet auf eine dosisabhängige Reduktion depressiver Beschwerden.
Bedeutung: Testosteron könnte vor allem bei älteren depressiven Männern die Stimmung bessern.
Einschränkung: Die Studien waren sehr heterogen, es sind größere kontrollierte Untersuchungen nötig.
DRESDEN. Immer wieder wird diskutiert, ob eine Testosteronsubstitution die Stimmung älterer Männer verbessern kann und, falls ja, ob dies auch bei einer manifesten Depression der Fall ist.
Unklar ist zudem, ob nur hypogonadale Männer oder auch solche mit normalen Testosteronspiegeln von einem antidepressiven Hormonersatz profitieren.
Inzwischen gibt es zwar viele Hinweise, dass sich die Testosteronsubstitution günstig auf die Stimmung hypogonadaler Männer auswirkt, weniger klar ist die Evidenz jedoch bei Männern mit Major-Depression und Männern ohne Testosteronmangel.
Immerhin scheint Testosteron die Serotoninausschüttung und die neuronale Plastizität zu fördern, beides könnte zu einer antidepressiven Wirkung beitragen, berichten Forscher um Dr. Andreas Walther aus der Abteilung Biologische Psychologie der TU Dresden.
Moderater Effekt ab 500 mg/Woche
Wie es um den Nutzen einer Testosteronsubstitution bei Depressiven steht, haben die Dresdener Wissenschaftler anhand einer Metaanalyse eruiert.
Sie fanden 27 randomisiert-kontrollierte Studien mit zusammen knapp 1900 Männern, die unter depressiven Symptomen litten und Testosteron oder Placebo bekamen (JAMA Psychiatry 2018; online 14. November).
Über alle Studien gemittelt fanden sie mit einem Hedges g von 0,37 eine zwar signifikante, aber relativ geringe Effektstärke der Hormonbehandlung auf die depressiven Beschwerden. Wurde eine einzelne Studie ausgeschlossen, welche die Heterogenität extrem aufblähte (auf über 80 Prozent), so blieb eine Effektstärke von 0,21.
Dies entspreche einem Rückgang von rund 2,2 Punkten nach dem Becks-Depressions-Inventar, schreiben die Forscher um Walther. Der Wert liegt damit im Grenzbereich dessen, was als klinisch bedeutsam erachtet wird.
Immerhin ergaben die Studien fast durchweg einen Vorteil für die Testosteronbehandlung, nur drei zeigten eine tendenziell bessere Symptomlinderung unter Placebo.
Für sich genommen führte allerdings kaum eine Studie zu signifikanten Unterschieden zwischen einer Testosteron- und Placebotherapie – diese offenbarten sich vor allem in der Zusammenstellung.
80-Jährige profitierten mehr
Die Testosteronbehandlung schien bei 80-Jährigen etwas besser zur wirken als bei 40-Jährigen, bei hypogonadalen Männern besser als bei eugonadalen, bei schweren und subklinischen Symptomen besser als bei milder Depression – doch all diese Unterschiede erwiesen sich als nicht signifikant.
Der einzige statistisch belastbare Zusammenhang ergab sich mit der Testosterondosis – je höher, desto antidepressiver. Für eine wöchentliche Dosis von 500 mg berechneten die Forscher bereits einen moderaten Therapieeffekt (Hedges g von 0,52).
„Unsere Resultate legen zum ersten Mal nahe, dass ein besserer Therapieeffekt eine höhere Dosis erfordert“, schreiben die Forscher. Bislang sei ein Dosiseffekt für die antidepressive Wirkung von Testosteron nicht klar nachgewiesen worden.
Ein weiteres Ergebnis der Analyse: Die Abbruchrate war in den Testosterongruppen tendenziell, aber nicht signifikant geringer als unter Placebo.
Das Team um Walther verweist auf ein teilweise erhebliches Bias-Risiko der einzelnen Studien. In einem Editorial zu der Metaanalyse bemängeln Dr. Shalender Bhasin und Dr. Stuart Seidman von der Harvard Medical School in Boston zudem die hohe Heterogenität der Studienteilnehmer.
Resultate mit Vorsicht genießen
So seien Männer mit Dysthymien, depressiven Verstimmungen und klinisch manifesten Depressionen in einen Topf geworfen worden. Auch seien in den Studien sehr unterschiedliche Testosterondosierungen und -formulierungen zum Einsatz gekommen.
Die Resultate sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden. Derzeit würden in der großen Testosteronstudie TRAVERSE mit rund 6000 hypogonadalen Männern auch die Auswirkungen eines Testosteronersatzes unter depressiven Patienten geprüft.
Bis die Resultate vorliegen, sollten Ärzte weiterhin nur bei einem Testosteronmangel und typischen Hypogonadismussymptomen eine Hormonsubstitution erwägen, raten Bhasin und Seidman.