Enzephalitis

Virustatika oft nutzlos?

Steckt hinter den meisten Enzephalitiden gar keine Herpes-Infektion? Neue Studiendaten aus den USA legen diesen Schluss nahe. Dennoch wird dort oft zu Aciclovir gegriffen. Liegt es am späten Labor?

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HSV unter dem Elektronenmikroskop: Nur selten werden die Viren bei einer Enzephalitis nachgewiesen.

HSV unter dem Elektronenmikroskop: Nur selten werden die Viren bei einer Enzephalitis nachgewiesen.

© Dr. Fred Murphy; Sylvia Whitfield / CDC

SAN DIEGO. Ärzte befinden sich bei Patienten mit plötzlich verändertem Mentalstatus, Fieber, Kopfschmerzen oder manifesten neurologischen Symptomen in einem Dilemma.

Sollen sie bei Verdacht auf Herpes-Simplex-Enzephalitis erst die Laborbefunde abwarten oder gleich mit der teuren und nicht ganz ungefährlichen Aciclovir-Therapie beginnen? In den USA greifen offenbar viele Mediziner rasch zu Aciclovir, hat Dr. Andy Rodriguez von der Uni in New York berichtet.

Auf der Tagung des US-amerikanischen Neurologenverbandes AAN in San Diego stellte Rodriguez eine retrospektive Studie mit 123 Patienten vor, die mit Verdacht auf HSV-Enzephalitis antiviral behandelt wurden. Danach wurde geschaut, ob sich tatsächlich eine HSV-Infektion als Ursache bestätigen ließ.

Vereinzelt bakterielle Infektion festgestellt

Klinisch deutete bei den Patienten tatsächlich vieles auf eine Enzephalitis: Knapp die Hälfte hatte einen veränderten Mentalstatus, etwa ein Drittel zeigte Fieber, über Kopfschmerzen klagte jeder Vierte, etwa 10 Prozent hatten epileptische Anfälle.

Die Ärzte hatten vor der Therapie nur bei 65 Prozent den Liquor untersucht, einen spezifischen Nachweis von HSV über eine PCR unternahmen nur 46 Prozent, ein EEG wurde nur bei jedem Fünften abgeleitet. Der Nachweis einer zerebralen HSV-Infektion per PCR gelang nur bei drei der Patienten (2,4 Prozent).

Meist lautete die Diagnose "nicht genauer bestimmte virale Enzephalitis oder Meningitis", bei 15 Prozent lag eine toxische oder metabolische Enzephalopathie vor, vereinzelt wurden Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder bakterielle Infektionen als Ursache festgestellt.

Jedenfalls, so Rodriguez, war die antivirale Therapie bei den meisten Patienten offenbar überflüssig. Da die intravenöse Aciclovir-Behandlung in der Klinik mit umgerechnet 12.000- 15.000 Euro zu Buche schlägt, stellte Rodriguez die Frage, ob Intensivmediziner nicht zu häufig vorschnell antiviral behandeln.

Risiko schwerer Nebenwirkungen bei Aciclovir-Therapie

Nach epidemiologischen Daten, so der Neurologe, müsse man davon ausgehen, dass nur jede zehnte Enzephalitis durch HSV verursacht wird. Auch birgt die Aciclovir-Therapie das Risiko schwerer Nebenwirkungen: Bei fünf der Patienten kam es zu einem akuten Nierenversagen.

Ärzte sollten also vor dem Beginn der Therapie zumindest den Liquor untersuchen und, wenn möglich, eine rasche PCR vornehmen. Genau das ist aber häufig ein Problem, lautete dann auch sofort die Kritik.

Einige Ärzte beim Kongress berichteten, dass sie mehrere Tage auf das Ergebnis der PCR warten müssen, andere bemängelten, dass sich in frühen Krankheitsphasen oftmals noch keine Erreger per PCR im Liquor nachweisen lassen.

Das Risiko, dass die Erkrankung einen fatalen Verlauf nimmt, wollen dann doch viele nicht eingehen. (mut)

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