Vitamin-D-Mangel - ein unterschätztes Problem von Rheumapatienten
ROM. Ein erniedrigter Vitamin-D-Spiegel ist bei Rheumapatienten eher die Regel als die Ausnahme, bleibt aber meist unerkannt. Das hat Konsequenzen unter anderem für die Krankheitsaktivität.
Veröffentlicht:Quellen für Vitamin D: Sonne, fetter Seefisch, Pilze - und auch Präparate.
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Von Wiebke Kathmann
Bisher wurde dem Vitamin D in der Rheumatologie wenig Aufmerksamkeit geschenkt - es sei denn in der Osteoporosetherapie. Aber nicht erst wenn der Knochenschwund manifest ist, sollte über die Substitution dieses Hormons nachgedacht werden. Denn zum einen spielt das Hormon eine entscheidende Rolle für Knochenmetabolismus und neuromuskuläre Koordination, zum anderen sind Patienten mit entzündlich-rheumatischen Krankheiten häufig unterversorgt. Das belegen mehrere aktuell beim europäischen Rheumakongress EULAR 2010 vorgestellte Studien.
In einer italienischen Studie wies gut die Hälfte der Patienten suboptimale Vitamin-D-Spiegel auf. Dies galt sowohl für Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) als auch jene mit Osteoporose und Myalgie (Abstract FRI0509). Die Spiegel lagen zwischen 12 und 14 ng/ml, also deutlich unter dem angestrebten Wert von 20 bis 60 ng/ml. In einer Schweizer Studie wiesen sogar 84 Prozent aller Patienten einer Rheumaambulanz einen Vitamin-D-Mangel auf (Abstract AB0740-HP). Die erste Botschaft zum Thema Rheuma und Vitamin D heißt daher: Dran denken und den Vitamin D-Spiegel der Patienten messen.
Ein Vitamin-D-Mangel ist klinisch relevant
Dass es nicht nur um einen Laborbefund, sondern einen klinisch relevanten Mangel geht, belegen weitere in Rom vorgestellte Studien. Denn die Vitamin-D-Unterversorgung korreliert mit mehreren Scores der Krankheitsaktivität, sowohl bei der RA (Abstract SAT0093) und der systemischen Sklerose (Abstract THU0302), als auch - weniger stark - der ankylosierenden Spondylitis (Abstract FRI0366). Dieser Zusammenhang gilt aber nicht für Kindern und Jugendliche mit juveniler idiopathischer Arthritis (Abstract AB0820). Dabei spielt es keine Rolle, wie intensiv die Sonnenexposition und Kalziumversorgung sind, zwei entscheidende Faktoren des Vitamin-D-Spiegels. Die Studien legen zudem nahe, dass die Wahrscheinlichkeit, unter der Rheumatherapie symptomfrei zu werden, bei Vitamin-D-Mangel geringer ist.
Vitamin D-Substitution: Klotzen statt kleckern
Für Patienten mit rheumatischen Erkrankungen reicht die übliche Dosis von 800 bis 1000 I.E. Cholecalciferol offenbar nicht aus. Das zeigt eine Studie von Dr. Pier Paolo Sainaghi aus Novara in Italien mit Patienten seiner Abteilung für Rheumatologie und Knochenerkrankungen. Nach sechsmonatiger Substitution waren die Plasmaspiegel zwar gestiegen, im Mittel von etwa 13 auf 24 ng/ml. Den angestrebten Zielwert von mindestens 30 ng/ml erreichten aber nur 29 Prozent der Rheumapatienten, und zwar unabhängig davon, ob sie eine entzündliche oder nicht-entzündliche Autoimmunerkrankung hatten (Abstract SAT0506).
Besteht ein Mangel, sollte also großzügig substituiert werden. Professor Silvano Adami aus Verona plädierte für eine Strategie, wonach erst mit einer hoch dosierten Substitution der Tank gefüllt wird und im weiteren Verlauf die täglich benötigte Menge nachgefüllt wird. Wie die Strategie genau aussehen sollte, ist noch unklar.
Eine ebenfalls in Rom vorgestellte Strategie, bei der über acht Wochen 50.000 I.E. Ergocalciferol pro Woche gegeben und dann auf eine Erhaltungsdosis von 50.000 I.E. pro Monat umgestellt wurde, war nur bedingt erfolgreich, wie Professor Uzma J. Haque aus Baltimore sagte. Am Ende der "Auffüllphase" war zwar bei 94 Prozent der Rheumapatienten der Vitamin-D-Mangel ausgeglichen. Nach achtwöchigem "Nachfüllen" galt dies nur noch für 70 Prozent der Patienten, nach 16 Wochen sogar nur noch für 35 Prozent (Abstract OP0011).
Die zweite Botschaft lautet daher: Die Vitamin D-Spiegel von Rheumapatienten sind nur mit einer hoch dosierten Substitutionstherapie aufzufüllen. Zuvor sollte allerdings der PTH-Spiegel bestimmt werden, um einen Hyperparathyreoidismus auszuschließen.
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