Weltweite Schlafstudie
Wer sechs bis acht Stunden pro Nacht schläft, lebt am längsten
Zu viel und zu wenig Schlaf sind ein Warnzeichen – das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall sowie vorzeitigen Tod ist dann deutlich erhöht. Wie viel Schlaf am gesündesten ist, haben Forscher in einer weltweiten Studie mit über 100.000 Teilnehmern untersucht.
Veröffentlicht:Das Wichtigste in Kürze
Frage: Wie ist der Zusammenhang zwischen Schlafdauer, Todesfällen und kardiovaskulären Ereignissen?
Antwort: Eine weltweite prospektive Studie fand eine J-förmige Assoziation: wenig und viel Schlaf gehen mit einer ungünstigen Prognose einher, signifikant waren die Resultate aber nur für ausgeprägte Langschläfer.
Bedeutung: Ein ausgeprägtes Schlafbedürfnis kann Zeichen einer schwerwiegenden Erkrankung sein.
Einschränkung: Daten basieren auf Selbstauskünften, nur wenige Begleiterkrankungen erfasst.
HAMILTON. Wenn Menschen mehr oder weniger als die üblichen sechs bis acht Stunden pro Nacht schlafen, stellt sich die Frage, ob dies ihrem natürlichen Schlafbedürfnis entspricht. Und ob sie mit ihren Schlafenszeiten zufrieden sind, oder ob sie gerne mehr oder weniger schlafen würden, wenn sie nur könnten.
Schließlich gibt es jede Menge psychische und organische Erkrankungen, die den Schlaf entweder verkürzen oder müde machen und verlängern. Eine Abweichung vom durchschnittlichen Schlafoptimum von sechs bis acht Stunden kann also Folge einer gravierenden Erkrankung sein.
Insofern überrascht es nicht, wenn die Abweichler früher sterben oder häufiger kardiovaskuläre Ereignisse erleiden als Personen, denen ihr persönliches Schlafoptimum vergönnt ist. Studien finden daher immer wieder eine U- oder J-kurvenartige Beziehung: je weniger jemand schläft, und je länger jemand im Bett liegt, umso ungesünder.
Dagegen scheinen Kurz- oder Langschläfer per se keine Nachteile zu haben, solange die Schlafdauer ihrem Optimum entspricht.
Mammutprojekt mit 117.000 Teilnehmern
Vor diesem Hintergrund sind auch die Resultate einer weiteren Schlafstudie zu betrachten. Sie bestätigt letztlich die bekannten Zusammenhänge. Neu ist, dass diese weltweit zu gelten scheinen, auch ist die Größe der Studie mit knapp 117.000 Teilnehmern beachtenswert.
Für das Mammutprojekt mit der Bezeichnung PURE (Prospective Urban Rural Epidemiology) konnte ein Forscherstab um Dr. Chuangshi Wang von der McMaster Universität in Hamilton, Kanada, anhand eines standardisierten Fragebogens Schlafgewohnheiten, Lebensstil und bekannte Erkrankungen bei Teilnehmern aus 21 Ländern eruieren. Darunter befanden sich vier Industrie-, zwölf Schwellen- und fünf Entwicklungsländer. Die Forscher deckten damit sämtliche Weltregionen ab.
Gefragt wurden die Teilnehmer, wann sie abends ins Bett gehen und wann sie aufwachen. Zudem sollten sie angeben, ob und wie lange sie Nickerchen halten. Daraus berechneten die Forscher um Wang die nächtliche sowie die gesamte Schlafdauer (European Heart Journal 2018; ehy695).
Zum Studienbeginn waren die Teilnehmer im Schnitt 50 Jahre alt. Rund 43 Prozent schliefen insgesamt sechs bis acht Stunden täglich, 26 Prozent gönnten sich acht bis neun Stunden Schlaf, nur 9,5 Prozent gaben an, sechs oder weniger Stunden zu Schlafen. Neun bis zehn Stunden benötigten 14 Prozent, noch mehr Schlaf 7,5 Prozent.
Wie zu erwarten, waren die extremen Vielschläfer im Schnitt etwas älter, körperlich träger, depressiver, rauchten etwas häufiger und tranken deutlich mehr Alkohol als die übrigen Teilnehmer, auch litten sie vermehrt an Hypertonie und COPD. Dagegen hatten die extremen Wenigschläfer gehäuft Diabetes sowie Übergewicht und lebten vermehrt in Städten.
Erhöhtes Risiko vor allem bei Langschläfern
Im Laufe von 7,8 Jahren beobachteten die Forscher um Wang über 7300 kardiovaskuläre Ereignisse oder Todesfälle. Es starben rund 4400 der Teilnehmer, ebenso viele erlitten einen Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Die niedrigsten Ereignisraten fanden die Forscher in der Gruppe mit sechs bis acht Stunden Schlaf. Berücksichtigten sie Alter und Geschlecht, ergab sich für alle anderen Gruppen eine signifikant erhöhte Rate und damit eine J-förmige Kurve bezogen auf die Schlafdauer.
Der Zusammenhang schwächte sich jedoch ab, wenn die Forscher sämtliche bekannten Lebensstilfaktoren und Komorbiditäten berücksichtigten. Dann zeigten sich in der Gruppe der Kurzschläfer keine statistisch belastbaren Differenzen mehr – weder bei den kardiovaskulären Ereignissen noch bei der Sterberate.
Teilnehmer mit neun bis zehn Stunden Schlaf starben hingegen zu 27 Prozent häufiger und erlitten zu 10 Prozent häufiger kardiovaskuläre Ereignisse als solche mit sechs bis acht Stunden, jeweils 61 Prozent und 28Prozent öfter war dies bei Personen mit über zehn Stunden Schlaf pro Tag der Fall, und hier blieben die Resultate signifikant.
Vermehrt Unfälle bei Kurzschläfern
Interessanterweise erlitten die Kurzschläfer vermehrt Unfälle, was darauf deutet, dass sie nicht ganz ausgeschlafen waren und eigentlich mehr Schlaf benötigt hätten.
Auch schien die Rate von kardiovaskulären Ereignissen und Sterbefällen etwas höher zu sein, wenn die Teilnehmer gerne ein Nickerchen machten und zugleich nachts mehr als sechs Stunden schliefen, nicht jedoch, wenn sie mit dem Nickerchen ihre offenkundigen nächtlichen Schlafdefizite kompensierten.
Zwischen den einzelnen Ländern und Regionen gab es wenig Varianz – kulturelle Einflüsse sind wohl wenig relevant.
Wie lassen sich nun die Resultate am besten erklären? Einiges spricht dafür, dass zu wenig Schlaf nicht gesund ist, während Langschläfer nicht gesund sind. Inzwischen würden einige Studien darauf deuten, dass wenig Schlaf den Insulin- und Leptinstoffwechsel beeinträchtige und damit Diabetes und Übergewicht fördere, geben die Forscher um Wang zu bedenken.
Das scheint die Untersuchung mit ihrem erhöhten Anteil von Dicken und Diabetikern unter Kurzschläfern zu bestätigen – davon ausgehend, dass die meisten Kurzschläfer tatsächlich Schlafdefizite haben.
Die gesteigerte Rate von Komorbiditäten sowie das höhere Alter spricht hingegen auf einen wenig gesunden Zustand extremer Langschläfer. Man kann davon ausgehen, dass viele müde machenden Erkrankungen nicht erfasst wurden oder den Betroffenen nicht bekannt waren. Diese könnten die ungünstige Prognose vielleicht erklären, vermuten auch die Forscher um Wang.
Ärzte sollten daher ihre Patienten gelegentlich nach der Schlafdauer fragen. Schlafen sie ungewöhnlich viel, deute dies möglicherweise auf eine noch nicht diagnostizierte gravierende Grunderkrankung.