Offener Brief an Gesundheitssenatorin
Berliner Kinder- und Jugendärzte: „Sind am Ende unserer Kräfte!“
Keine Unterstützung, keine Boni, stattdessen Knüppel zwischen die Beine: Berlins Kinder- und Jugendärzte sehen sich von der Politik stiefmütterlich behandelt.
Veröffentlicht:Berlin. Kinder- und Jugendärzte in Berlin haben der Politik fehlende Unterstützung vorgeworfen. „Die niedergelassen tätigen Kolleginnen und Kollegen sind mit ihren Kräften am Ende. Es fehlt an Wertschätzung und es mangelt an struktureller Unterstützung“, heißt es in einem Schreiben des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) an Berlins Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne).
Gezeichnet ist der Brief vom BVKJ-Landesvorsitzenden Dr. Reinhard Bartezky und seinen beiden Stellvertretern.
Auf Kritik der Pädiater stößt unter anderem, dass bislang sämtliche Sonderboni zur Bewältigung der Coronakrise an den Medizinischen Fachangestellten (MFA) in den Praxen vorbeigegangen seien. Das sei unverständlich, da MFA die ambulante Versorgung häufig aufrechterhalten hätten.
„Klinikkonzerne bedienen sich bequem in Praxen“
Bescheidene Lohnanpassungen der Praxisangestellten fänden zudem keine Berücksichtigung in der Kalkulation der Arztpraxen, monieren die Pädiater. „Stattdessen bedienen sich Berliner Klinikkonzerne bequem in Praxen, indem sie ausgebildete und gut fortgebildete MFAs abwerben und in Klinikpositionen arbeiten lassen an Stellen, an denen sie bis zu vierstellige Eurobeträge an Personalkosten einsparen können.“
Gote sitze in einigen dieser Unternehmen im Aufsichtsrat, heißt es in dem Schreiben von Bartezky weiter. Daher richte man an die Senatorin den Appell: „Stoppen Sie die Zerstörung des Berufs der Medizinischen Fachangestellten und stoppen Sie die Entwertung der Arbeitsbedingungen in den Kinder- und Jugendärztinnenpraxen!“
Kritik an geplantem Aus der Neupatientenregel
Verschärft werde die Lage der Praxen mit der geplanten „Rückabwicklung“ der Neupatientenregelung im Terminservice- und Versorgungsgesetz. Die „Zwangsverpflichtung zu einer nicht funktionierenden Telematik-Infrastruktur“ belaste die Praxen der Kinder- und Jugendärzte ebenfalls. Dabei sperrten sich die Ärzte nicht gegen die TI. „Die meisten von uns sind technikaffin und bereit, Geld für sinnvolle neue Technologie in die Hand zu nehmen.“
Der Anschluss zu dieser „missratenen Technologie“ erfolge jedoch nur aufgrund massiver finanzieller Gängelungen durch den Gesetzgeber. Eine elektronische Krankschreibung zum Beispiel habe keinen Wert für die Vertragsarztpraxis, „wenn sich dadurch der Prozess der Krankschreibung extrem verlängert und das alte System des Ausdruckens zusätzlich gepflegt werden muss“. Dasselbe gelte für das elektronische Rezept, für das weiterhin einheitliche Vorgaben fehlten.
Sein Fett weg bekommt auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Lauterbach sei „verbohrt in eigene Thesen“ und „unfähig“, die reale Versorgung von Kindern und Jugendlichen zu reflektieren, heißt es in dem Brief. Vergangene Woche hatte es in Berlin Praxisschließungen der Pädiater gegeben. (hom)