Neue Anlaufstelle
„Die Kümmerei“ in Köln begleitet und hilft, wo Ärzte es nicht können
Im Kölner Stadtteil Chorweiler hat die neue Einrichtung „Die Kümmerei“ eröffnet. Sie will Anlaufstelle für Menschen mit sozialen und gesundheitlichen Problemen sein und ist mit Ärzten vernetzt.
Veröffentlicht:Köln. Bei seiner Arbeit im MVZ Chorweiler in Köln erlebt Pädiater Dr. Fabian Engelbertz häufig, dass seine kleinen Patienten und ihre Familien über die rein medizinischen Belange hinaus großen Unterstützungsbedarf haben. Es geht um viel mehr, als er mit seinen Möglichkeiten in der knapp bemessenen Zeit in der Praxis leisten kann.
„Als Kinderarzt sind mir oft die Hände gebunden“, sagt Engelbertz bei der offiziellen Eröffnung der Quartierszentrale „die Kümmerei“ in Köln-Chorweiler.
Häufig handelt es sich um Familien, die kaum oder gar kein Deutsch sprechen und sich im hiesigen Gesundheits- und Sozialsystem nicht zurechtfinden. Genau auf sie ist „die Kümmerei“ zugeschnitten. Das Gesundheitsnetzwerk versteht sich als Anlaufstelle für die vielen sozial benachteiligten Bewohner des Stadtteils im Norden der Domstadt.
Das Team deckt 13 Sprachen ab
In den Räumen im Herzen von Chorweiler arbeitet ein neunköpfiges interdisziplinäres Team, darunter Medizinische Fachangestellte, Krankenschwestern, Pflegefachkräfte, Sozialpädagoginnen und -pädagogen sowie Gesundheitswissenschaftler. Sie sprechen insgesamt 13 Sprachen.
So wird eine kultursensible Beratung und Begleitung möglich, berichtet die Leiterin Birgit Skimutis. „Es wird Vertrauen hergestellt. Das ist nötig, damit die Familien ihre Kinder in andere Hände geben.“ Das Netzwerk stehe im regen Austausch mit den niedergelassenen Haus- und Fachärzten in dem Stadtteil.
Ziel der „Kümmerei“ sei es, den Menschen Zugang zu medizinischen und sozialen Leistungen zu verschaffen, sie in die bestehenden Angebote zu vermitteln, aber keine Konkurrenz aufzubauen. „Wir füllen Lücken“, sagt Skimutis.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übersetzen, begleiten Ratsuchende beim Arztbesuch oder Behördengängen, erinnern an Termine oder helfen dabei, die Papiere zu ordnen. „Wir sind da“, nennt sie das Motto der Einrichtung.
Modell wird von TH Köln evaluiert
Das ist eine wichtige Ergänzung der etablierten Strukturen, findet Kinderarzt Engelbertz. „In meiner täglichen Praxis gibt es einen wahnsinnigen Bedarf an einem solchen Angebot.“ Er konnte schon in der Pilotphase auf „die Kümmerei“ zurückgreifen. „Bislang wurde den Menschen immer geholfen“, freut er sich.
Das neue Angebot ist eine gemeinsame Initiative des Sozialunternehmens HNC HerzNetzCenter, der Stadt Köln und der AOK Rheinland/Hamburg. Ab Oktober ist auch die IKK Classic mit von der Partie. Das Modell wird von der Technischen Hochschule Köln evaluiert.
Ein solches niederschwelliges Angebot sei insbesondere für sozial und ökonomisch schlechter gestellte Stadtteile notwendig, betont Matthias Mohrmann, Vorstand der AOK Rheinland/Hamburg. „Nicht jeder findet gleich den Weg zur richtigen Versorgung.“ Alle Menschen müssten die gleichen Gesundheitschancen haben. „Daran lassen wir uns messen.“
Gerade in Stadtteilen mit einer überdurchschnittlichen Krankheitslast bedürfe es einer guten Koordination. „Es geht darum, die Gesamtproblemlage zu erfassen“, sagt er.
AOK hofft auf weitere Kassen
Die Bezeichnung „Kümmerei“ findet Mohrmann gelungen. „Sich kümmern hinterfragt nicht, wie die Hilfsbedürftigkeit entstanden ist, und kreidet keine Versäumnisse an.“ Im Moment finanziert die Kasse das Projekt, außer wenn es um soziale Leistungen geht. Dann kommt die Stadt Köln mit ins Spiel. Mohrmann hofft, dass sich neben der IKK Classic noch weitere Kassen beteiligen werden.
„Das wird sicher bundesweit Strahlkraft entfalten“, erwartet Dr. Harald Rau, Kölner Sozial- und Gesundheitsdezernent. Die COVID-19-Pandemie zeigt nach seiner Ansicht den Bedarf für ein solches Angebot. Sie habe die Auswirkungen der mangelnden Gesundheitsgerechtigkeit deutlich gemacht.
„Nicht jeder Mensch in unserer tollen Stadt hat gleichermaßen Zugang zum Gesundheitssystem, zu allen Angeboten, die wichtig sind“, sagt Rau. „Wir lernen immer mehr, dass wir mit den Angeboten zu den Menschen gehen müssen.“ „die Kümmerei“ hat noch viel vor. „In einem nächsten Schritt wollen wir uns zusammensetzen, um die Strukturen zu verbessern und verbesserte Versorgungspfade zu entwickeln“, kündigt Leiterin Skimutis an.