Corona-Ausbruch
Lockdown im Kreis Gütersloh
Nach mehr als 1500 Corona-positiv getesteten Tönnies-Mitarbeitern gelten wieder massive Beschränkungen im Landkreis Gütersloh. Es ist der erste regionale Lockdown nach den bundesweiten Lockerungen.
Veröffentlicht:Düsseldorf. Der Kreis Gütersloh in Nordrhein-Westfalen wird nach den Lockerungen der Pandemie-Schutzmaßnahmen als erster bundesweit wieder in den regionalen Lockdown gehen. Grund ist die hohe Zahl von Infektionen mit SARS-CoV-2 bei Mitarbeitern der Fleischverarbeitungsfirma Tönnies und ihren Angehörigen. Die einschränkenden Maßnahmen für die 365.000 Bewohner sind zunächst bis zum 30. Juni befristet, teilte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) vor Journalisten in Düsseldorf mit.
Nach Corona-Ausbruch in Schlachtbetrieb
Lockdown auf Kreis Warendorf ausgeweitet
Bei dem Corona-Ausbruch im Schlachtbetrieb von Tönnies in Rheda-Wiedenbrück handele es sich um das bisher größte Infektionsgeschehen in Deutschland, betonte Laschet. Von 6140 getesteten Mitarbeitern sind 1553 COVID-19-positiv. Hinzu kommen weitere Infizierte aus dem familiären Umfeld. Die meisten Infektionen gibt es bei Beschäftigten, die mit der Fleischzerteilung beauftragt waren.
Wer noch außerhalb von Tönnies?
„Wir werden die Maßnahmen so schnell wie möglich zurücknehmen, wenn wir Sicherheit über das Infektionsgeschehen haben“, kündigte Laschet an. Die zentrale Frage sei, wie viele Menschen außerhalb der Mitarbeiter und ihrer Angehörigen infiziert sind. Bis Dienstag waren das lediglich 24. Deshalb handelt es sich nach seinen Worten bei dem Lockdown um einen prophylaktischen Schritt.
Entscheidend sei, dass es ohne Bezug zu Tönnies weiterhin keinen signifikanten Anstieg der Infektionen gibt. „Wir müssen Infektionsketten analysieren, das ist eine mühevolle Arbeit.“
Bis zum 30. Juni gelten für Menschen im Kreis Gütersloh ähnliche Regeln wie bereits Ende März. Dazu gehören Kontaktbeschränkungen, das Verbot von großen Veranstaltungen, die Schließung von Kinos und Bars. Restaurants bleiben mit Einschränkungen geöffnet. Die Schulen und Kitas waren bereits vor einer Woche geschlossen worden.
Breite Testung – auch in Heimen
Der Lockdown wird flankiert von einer deutlichen Ausweitung der Testungen. „Alle vulnerablen Gruppen müssen geschützt werden“, sagte Laschet. Deshalb gibt es flächendeckende Tests in Alten- und Pflegeheimen. Zudem können sich alle Bürger des Kreises kostenlos testen lassen. „Wir werden eine repräsentative Testung der Bevölkerung vornehmen, um ein reales Bild zu bekommen“, kündigte der Ministerpräsident an.
Zudem werden in Nordrhein-Westfalen alle Mitarbeiter in der Fleischindustrie getestet. In Zusammenarbeit mit den Industrie- und Handelskammern möchte die Landesregierung bei allen Unternehmen ähnlich vorgehen, die Subunternehmen beschäftigen und die Arbeitnehmer in zentralen Unterkünften unterbringen. Das sei rein präventiv, bislang gebe es keine Hinweise auf ein Infektionsgeschehen in diesem Bereich.
Im Kreis Gütersloh und in benachbarten Kreisen werden Plätze in Kliniken freigehalten, falls es zu einer hohen Zahl von Erkrankten und der Notwendigkeit von intensivmedizinischen Maßnahmen kommen sollte. Auch dafür gibt es nach Angaben von Laschet bislang keine Anzeichen.
KV hat zwei Diagnosezentren eingerichtet
Um den öffentlichen Gesundheitsdienst zu unterstützen, können auch niedergelassene Ärzte im Kreis Gütersloh Corona-Tests an asymptomatischen Personen vornehmen.
Zwar falle das eigentlich nicht in die Zuständigkeit der Vertragsärzte, sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), Dr. Dirk Spelmeyer. „Angesichts der aktuell besonderen Situation im Kreis Gütersloh hat uns der Öffentliche Gesundheitsdienst jedoch damit beauftragt, diese Tests auch in den Vertragsarztpraxen der Region durchzuführen.“
Die KVWL hat in Gütersloh zudem ein Corona-Diagnosezentrum eingerichtet. Zur Versorgung von symptomatischen Patienten und von Tönnies-Mitarbeitern sowie ihren Angehörigen hält die KVWL auch zwei Behandlungszentren im Klinikum Gütersloh und auf dem Tönnies-Betriebsgelände in Rheda-Wiedenbrück vor.
7000 Personen stehen unter Quarantäne
Im Kreis Gütersloh stehen zurzeit rund 7000 Personen unter Quarantäne. Das Einhalten der Quarantäne-Regeln werde genau überwacht, nicht zuletzt mit Unterstützung der Polizei, sagte Laschet. „Die Mitarbeiter des Öffentlichen Gesundheitsdienstes werden beim Besuch von Wohnungen und Siedlungen künftig verstärkt von Polizei begleitet.“
Der Hygiene-Experte Professor Martin Exner und Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts gehen zurzeit der Frage nach, ob bei den Corona-Tests bei Tönnies vor wenigen Wochen alles korrekt gelaufen ist. Damals war kaum ein Mitarbeiter positiv getestet worden.