Vom Bleisatz ins Netz

1990 - Mehr Farbe und Kommunikation

Durchstart des Privat-Fernsehens, mehr Zeitungsseiten mit Farbe, globaler Standard für Mobilfunk und massentaugliches Internet - mit den 1990er Jahren beginnt eine technologische Umwälzung der Medien.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
Heinz Sänger, Inhaber des "Handy-Museums", mit einem der ersten GSM-Mobilfunkgeräte (Motorola International 3200 von 1994, links) und einem Handy aus dem Jahr 2002 (Siemens, rechts).

Heinz Sänger, Inhaber des "Handy-Museums", mit einem der ersten GSM-Mobilfunkgeräte (Motorola International 3200 von 1994, links) und einem Handy aus dem Jahr 2002 (Siemens, rechts).

© dpa

Die 1990er Jahre brachten eine dramatische politische Wende - und auch im Medienmarkt vollzog sich ein extremer Umbruch: Start des Privatfernsehens, technologische Weiterentwicklung des Mobilfunks und Aufkommen des Internets für den Normalverbraucher.

Die Nutzung und Verbreitung von Zeitungen bleibt durch diese Veränderungen nicht unberührt.

Seit Mitte der 1980er Jahre gibt es in Deutschland das Privatfernsehen. Das stellte für die Medienpolitik eine Herausforderung dar und war ein zähes Ringen.

Nachdem 1981 das dritte Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts die Zulassung privater Rundfunkveranstalter für rechtmäßig erklärt hatte, stellte die Bundesregierung Förderprogramme zur Verbesserung der Rahmenbedingungen vor, die Länder änderten bis 1989 ihre Landesmediengesetze.

1987 tritt der Rundfunkstaatsvertrag der Länder in Kraft, der den öffentlich-rechtlichen Sendern eine Bestands- und Entwicklungsgarantie gibt, die privaten Veranstalter erhalten eine Entwicklungschance.

Auf das viel buntere TV-Programm -  man erinnere sich an TV-Shows wie "Tutti-Frutti" des Senders RTL - und auf das hohe Zuschauerinteresse mussten auch Zeitungsverlage reagieren.

Zeitungsmarkt ändert sich in Ostdeutschland

In Zeitungen erschienen mehr Farbe und Fotos -  damit wurde mit einem jahrelangen Glaubensgrundsatz der Zeitungsmacher gebrochen: Bislang galt die Annahme, dass Farbe, aber auch Fotos "keinen zentralen Stellenwert haben und nur eine typografische und inhaltliche Ergänzung" zum Text seien, hieß es in der Fachliteratur noch Anfang der 1990er Jahre.

Mit heutigem Wissen mutet die Diskussion, ob ein Foto für Zeitungsseiten sinnvoll ist und ob sich Leser an mehr Farbe in ihrer Zeitung gestört fühlen könnten, seltsam verstaubt.

Ein Umdenken startete, nachdem 1990 eine Studie des renommierten Poynter Institute, eine führende amerikanische Journalistenschule im US-Staat Florida, folgendes ergab: "Zeitungsleser steigen stets über ein Bild in eine Seite ein und nicht über die Schlagzeile." Und: "Kein Element findet in Zeitungen so viel Aufmerksamkeit wie Fotos und Grafiken."

Anfang der 1990er Jahre war der Zeitungsmarkt in Deutschland im Zuge der Wiedervereinigung im Umbruch - in den Wendetagen gründeten sich in Ostdeuschland zahlreiche neue Zeitungen, die aber oft kaum ein Jahr überlebten.

Die deutschen Großverlage kauften hauptsächlich die ehemaligen SED-Bezirkszeitungen auf und verschafften ihnen so auch nach der Wende eine große Meinungs- und Marktmacht.

Die "Ärzte Zeitung" veröffentlichte ab März 1990 bis weit in die 1990er Jahre hinein eine spezielle Ausgabe für die damals neuen Bundesländer.

Im Windschatten dieser politischen Wende bahnte sich eine andere Revolution auf dem Technikmarkt an: Internet und Mobilfunk. In der letzten Juniwoche 1992 nahm Mannesmann (heute Vodafone) sein D2-Netz in Betrieb.

Der GSM-Standard (Global System for Mobile Communication) löste das analoge C-Netz ab. Damit begann die Ära der kleinen und leistungsstarken Mobiltelefone. Ein paar Tage nach Mannesmann folgte in Bonn die Deutsche Telekom mit ihrem D1-Netz.

Erste Zeitungen und Magazine gehen ins Netz

Über den neuen GMS-Standard konnten nun auch Kurznachrichten geschickt werden, die erste SMS wurde am 3. Dezember 1992 von einem PC an ein Mobiltelefon im britischen Netz von Vodafone gesendet.

Damit begann der Siegeszug der SMS: Mit der Kurznachricht veränderte sich das Kommunikationsverhalten, das Wort "simsen" schaffte es in den Duden. Ein lohnendes Geschäft ist die SMS für Mobilfunkkonzerne, Experten vermuten hohe Gewinne, da für eine SMS nur eine sehr kleine Datenmenge übertragen werden muss.

In der gleichen Zeit wurden Personal Computer (PC) günstiger und die Nutzung des Internets populärer. Ab 1994 gehen die Medienverlage mit ihren Produkten ins Netz - als erstes deutsches Nachrichtenmagazin war es der Spiegel, der 1994 Texte aus seiner Ausgabe den Internet-Nutzern zur Verfügung stellte.

Laut Selbstdarstellung des Verlages befüllten damals zwei Redakteure "nebenberuflich" die vorhandene Seite mit Texten aus dem Magazin.

Auch die "Ärzte Zeitung" ging als eines der ersten Fachblätter online -  im Jahr 1996. Die Abbildungen von damals muten mit heutigem Blick spartanisch an -  waren damals aber "State of the Art".

Wie sehr das Internet die Medienlandschaft - egal, ob Fernsehen, Hörfunk oder Zeitungen -  noch verändern wird, wird erst ab dem Jahr 2000 deutlich.

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