Nach Bestattungs-Panne

Ärztekammer drängt auf bessere Leichenschau

Nach dem Drama um eine fälschlich für tot erklärte Frau in Gelsenkirchen drängt die Ärztekammer Westfalen-Lippe auf Verbesserungen bei der Leichenschau.

Veröffentlicht:

MÜNSTER/GELSENKIRCHEN. Die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) reagiert auf den aktuellen Fall einer schwer kranken 92-jährigen Frau, die am Samstagabend in ihrem Pflegeheim in Gelsenkirchen von einem Arzt für tot erklärt worden war und anschließend in der Kühlkammer des Bestattungsunternehmens wieder aufgewacht ist.

Die ÄKWL setzt sich nun nach eigenem Bekunden für eine Verbesserung der Leichenschau ein.

"Wir werden den aktuellen Fall ohne jegliche Vorverurteilung mit den Mitteln des ärztlichen Berufsrechts untersuchen und prüfen, ob und was gegebenenfalls falsch gelaufen ist. Fehler eines einzelnen werden wir sanktionieren. Bestehende Fehler im System wollen wir abstellen", erläuterte Kammerpräsident Dr. Theodor Windhorst.

Optimierungspotenzial beim Prozedere

Windhorst sieht generell Optimierungspotenzial beim Prozedere der ärztlichen Leichenschau.

"Unabhängig von einzelnen Vorfällen wollen wir die Leichenschau verbessern. Derzeit sind die Bedingungen für eine Leichenschau schwierig. Dazu bestand und besteht Kontakt zum Gesundheitsministerium in Düsseldorf", so der Kammerpräsident.

2013 haben die Ärztekammern in NRW nach eigener Aussage im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des am 1. Oktober 2014 in Kraft getretenen neuen Bestattungsgesetzes eine Stellungnahme auch zur Leichenschau und Todesfeststellung abgegeben.

Darin hätten sie auf die bestehende Problematik der Leichenschau hingewiesen. Problematisch seien insbesondere Anforderungen wie die unverzügliche Untersuchung der unbekleideten Leiche vor Ort sowie die Ermittlung von Todesart und Todesursache.

Die Kammern sprächen sich für Modellversuche aus, die Qualität der äußeren Leichenschau zu verbessern sowie die hieraus abgeleiteten Erkenntnisse wie Todesursachenstatistik und Kriminalitätsbekämpfung zu verbessern.

"Das Problem bei der Leichenschau ist nicht das übersehene Messer im Rücken, das dann die Schlagzeilen füllt, sondern die methodisch bedingten Unzulänglichkeiten durch die Verbindung von Todesfeststellung und Leichenschau mit der Erwartung, valide Angaben zur Todesursache machen zu können", so Windhorst.

Dafür fordert er ein "angemessenes" Budget im Landeshaushalt. (maw)

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Kommentare
Dieter Döring 27.03.201514:56 Uhr

Ärztekammer drängt auf bessere Leichenschau

Bei der Leichenschau schon alles erlebt. Mit der Bitte um mehr Licht wurde ich schon beschimpft, beleidigt und bedroht. Das Entkleiden der Leiche wurde mir sehr übel genommen.
Wenn ich auf dem Totenschein natürlicher Tod ankreuzte und der Bestatter den Totenschein hatte bekam ich fast nie, die mir zustehenden 34 Euro. Das ganze dann mitten in der Nacht. Hausbesuch konnte auch nicht mehr abgerechnet werden, da der Patient schon verstorben.
Alles in allem eine sehr undankbare Tätigkeit ohne Vergütung in den meisten Fällen.
Das das reformiert werden soll hör ich schon dreißig Jahre. Aber vielleicht wird es jetzt mal was.

Dr. Henning Fischer 27.03.201508:41 Uhr

es ist doch das übliche politische Vorgehen

- behaupten, alles sei (mehr oder weniger) gut
- natürlich so billig wie möglich
- im Versagensfall nicht das System infrage stellen, sondern den einzelnen platt machen

Die Vorschriften zur Leichenschau und zum Not/Bereitschaftsdienst sind absolut skandalös. Und das seit Jahrzehnten.

Und die Vertretung duch Kammern und KV ist ein schlechter Witz.

Ich habe noch 4 1/2 Jahre, dann werde ich heilfroh sein, das alles hinter mir lassen zu können.

Mit kollegialen Grüßen
H. Fischer

Dr. Thomas Georg Schätzler 25.03.201518:48 Uhr

Unverzügliche Leichenschau durch niedergelassene Praxis- und Klinikärzte - ein Anachronismus!

Es ist ein Anachronismus sondergleichen, dass überwiegend von Hausärztinnen und Hausärzten, aber auch von den in der Krankenversorgung tätigen Assistenz-, Fach- und Spezial-Ärzten in Klinik und Praxis bzw. zusätzlich im Rahmen des ambulanten/stationären Notdienstes Spezialkenntnisse und Fähigkeiten der professionellen Leichenschau eingeforderte werden. Denn nicht nur Allgemeinärzte und hausärztliche Internisten sind in Primär- und Sekundärprävention, biografisch begründeter Anamnese, Patienten-Untersuchung, abgestufter und Evidenz-basierter Differenzialdiagnostik, Risiko-Stratifizierung, Krankheitslast adaptierter konservativer und interventioneller Therapie, Schmerzlinderung, Palliation und Sterbebegleitung derart involviert, weitergebildet und qualifiziert, dass sie die Aufgaben eines geschulten und hochqualifizierten Rechtsmediziners mit entsprechender Institutsausstattung oder eines amtlich bestallten Leichenschauers ("Coroner") nicht auch noch übernehmen können. Zumal gelegentlich das ganze Geschehen durch Organspende-Teilnahme und Diskussionen unter klinischen Transplantations-Beauftragten verkompliziert wird.

Außerdem ist ihnen die Inspektion und Untersuchung eines von Fachpersonal herbeigeschafften, vollständig entkleideten, gut ausgeleuchteten und nach Fotodokumentation des Auffindungsortes von Verschmutzungsspuren gereinigten Leichnams gemeinsam mit Assistenzpersonal nicht möglich. Nur dabei könnten versteckte Injektions- und Schusswunden unter dem Haaransatz, diskrete Strangulationsspuren, Erstickung durch äußere Einwirkungen, Schädelbasis-Frakturen, verdächtige Hauteffloreszenzen, aber auch Beibringung von tödlich wirkenden Mitteln in Körperöffnungen etc. detektiert werden.

Es wäre übrigens ein Armutszeugnis für die rechtsmedizinische Profession bzw. den Leichenbeschauer, wenn sie nicht r e g e l h a f t eine w e i t a u s bessere Klärung natürlicher respektive unnatürlicher Todesursachen fänden, als es den übrigen „Feld-, Wald- und Wiesen-Doktores“ jemals möglich wäre.

Hinzu kommt, dass nach den unterschiedlichen Ausführungsvorschriften der deutschen Bundesländer die Leichenschau „unverzüglich“, d. h. ohne eigenes schuldhaftes Verzögern, von jedem, der im Besitz einer Approbation als Arzt ist, durchzuführen ist. Unter dem Druck einer Notfallsprechstunde, eines übervollen Wartezimmers, der Dokumentation einer gerade ambulant/stationär durchgeführten Intervention, einer besonders Leichenschau-fremden Spezialisierung, einer notwendigen Krankenbeobachtung, der Regelung und Befriedigung persönlich-privater Verrichtungen und Betätigungen, aber auch im Beisein von trauernden, wehklagenden, verstörten, in seltenen Fällen innerlich frohlockenden Angehörigen, ist die korrekte Leichenschau im häuslichen Milieu unter den kritischen Blicken einer sich stetig vergrößernden Trauergemeinde ein fast undurchführbares „Public Viewing“.

Dabei wäre Alles so einfach: Ein staatlich vereidigter und beamtenbesoldeter „Coroner“, wie z. B. in allen Bundesstaaten der USA für über 300 Millionen Menschen gesetzlich geregelt, würde als neutraler, rechtsmedizinisch geschulter Untersucher, Sachverständiger und Amtsperson mit Unterstützung von Hilfskräften das ihm fremde Terrain eines häuslichen oder öffentlichen Auffindungsortes inspizieren und die Trauergemeinde mit der ihm eigenen Professionalität und Autorität in die Schranken weisen. Suspekte, möglicherweise strafrechtlich relevante Umstände würden detektiert und den hinzukommenden Ermittlungsbehörden gegenüber kommuniziert werden. Ggf. könnte dies bereits vor Ort zu vorläufigen Festnahmen im sozialen Nahbereich führen. In besonders komplizierten Fällen würde man einen wissenschaftlich qualifizierten Rechtsmediziner hinzuziehen, der den Casus in einer Fachzeitschrift publizieren würde.

Wenn das Ganze dann im Fernsehen gesendet wird, könnten wir rechtsmedizinisch eher einfältig unter

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