In Afrika
Arzneimittel-Fälschungen auf der Spur
In Entwicklungsländern ist Arzneimittelsicherheit oft ein gravierendes Problem. Ein deutsches Mini-Labor hilft, Wirkstoffe auf ihre Echtheit zu untersuchen.
Veröffentlicht:MARBURG. Der schwarze Koffer verbirgt ein ganzes pharmazeutisches Labor - handlich und tropentauglich. Um Arzneimittelfälschungen aufzuspüren, vertreibt der mittelhessische Medizinprojekte-Ausstatter "Technologie Transfer Marburg" (TTM) das sogenannte Mini-Lab, das vor allem in Entwicklungsländern eingesetzt wird.
So gelten ein Drittel der Malaria-Medikamente in Afrika als gefälscht. Sie enthalten stattdessen zum Beispiel Paracetamol - den Patienten geht es kurzfristig besser, weil das Fieber sinkt und die Schmerzen nachlassen, doch der nächste Malariaschub kann dann tödlich sein. Andere Tabletten bestehen nur aus Maismehl oder enthalten gar Gifte.
70 verschiedene Wirkstoffe können mit dem Kompaktlabor getestet werden, wobei verdächtige Arzneimittel jeweils von der Verpackung über Zerfallproben- und Farbreaktionen bis zur Dünnschichtchromatografie überprüft werden können.
Internethandel verstärkt das Problem
Entwickelt wurde der 25 Kilo schwere Koffer von dem Pharmazeuten Dr. Richard Jähnke vom "Global Pharma Health Fund". Im vergangenen Jahr hat er fünf neue Tests entwickelt, mit denen Herz-Kreislauf-Medikamente analysiert werden können.
Ansonsten werden die Untersuchungen vor allem für Antibiotika, antivirale Mittel sowie für Medikamente gegen Tuberkulose, Malaria, Aids und Schmerzen eingesetzt. Von Fälschungen betroffen seien aber im Grunde alle Arzneimittel, berichtet Geschäftsstellenleiter Christian von Berg. Durch den Internethandel sei das Problem noch gravierender geworden.
Das Labor in Koffergröße ist weltweit einzigartig, sagt von Berg. Vor allem in Schwarzafrika und Südostasien - dort gibt es kaum Arzneimittelkontrollen - werden die Mini-Labs eingesetzt, die auch an Häfen vergleichsweise unkompliziert funktionieren.
"Mit einer Einweisung kann das im Prinzip jeder Zöllner", berichtet Laborleiter Hans Jörg Nobereit von TTM. Schulungen werden auch vor Ort angeboten.
Verkauft wird das 4000 Euro teure Labor vor allem an UN-Organisationen, kirchliche Einrichtungen und Entwicklungshelfer in rund 90 Ländern.
Der überwiegend durch Spenden getragene Verein "Global Pharma Health Fund" arbeitet dabei mit dem Medizinprojekte-Ausstatter "Technologie Transfer Marburg" zusammen, der den Vertrieb und die komplizierte Logistik übernimmt.
Gegründet wurde TTM Anfang der 80er Jahre ursprünglich als Beschäftigungsgesellschaft für Langzeitarbeitslose, die gebrauchte medizinische Geräte aufarbeiteten und in Entwicklungsländer verschickten. Deshalb ist das Unternehmen auch bis heute als Verein organisiert.
Breites Spektrum an Ausrüstung
Im Laufe der Jahre stellte sich jedoch heraus, dass in Entwicklungsländern eher einfache, robuste Geräte benötigt werden, berichtet TTM-Geschäftsführer Lutz Kempe. Deswegen ist die Aufarbeitung von gebrauchten Geräten nur noch ein kleines Standbein, mechanische OP-Tische werden sogar selbst produziert.
Versandt werden heute Medizingeräte, Spritzen, Kanülen, Infusionspumpen, Verbandsmaterial und pharmazeutische Produkte. "Wir bieten ein relativ breites Spektrum an medizinischer Ausrüstung für internationale Projekte", sagt Kempe, der selbst Ingenieur für biomedizinische Technik ist.
Dazu gehören die in Kisten verpackten Feldhospitäler, die während des Genozids in Ruanda, in den Kriegsgebieten Ex-Jugoslawiens, nach dem Tsunami in Banda Aceh und den Erdbeben in der Türkei und Haiti im Einsatz waren. Dabei arbeitet das Unternehmen viel mit dem Deutschen Roten Kreuz zusammen, aber auch "Ärzte ohne Grenzen" und "Cap Anamur".
Eine eigene Schreinerei liefert Verpackungskisten, die vor Ort zu Tischen, Regalen und Stühlen werden. Für die Weltgesundheitsorganisation betreut TTM ein großes Tuberkuloseprojekt in 26 Ländern.
Gewinnmaximierung spielt für das Unternehmen keine Rolle. Doch der Jahresumsatz des Medizinprojekte-Ausstatters mit seinen 30 Mitarbeitern steigt - zuletzt auf zehn Millionen Euro.
Inzwischen gibt es auch eine Tochter namens "Marmed": Sie hat sich auf Veterinärmedizin spezialisiert.