Etikettenschwindel
Das Geschäft mit der "Gesundheit"
Viele Lebensmittel locken damit, nicht nur satt zu machen: Sie sollen auch besonders wohltuend sein - für Fitness, Immunsystem oder Wachstum. Manches Versprechen auf dem Etikett trägt aber zu dick auf.
Veröffentlicht:BERLIN. Dass Currywurst mit Pommes und Mayo nicht besonders gesund ist, weiß jeder. Da greifen viele Verbraucher bewusst zu anderen Lebensmitteln - mit dem Ziel, damit etwas Gutes für ihre Fitness zu tun: Müsli, vitaminhaltige Getränke oder spezielle Joghurts.
Produkte mit einem verlockenden Gesundheitseffekt lassen sich Supermarktkunden auch schon einmal etwas mehr kosten. Doch Verbraucherschützer bemängeln, dass bei der Werbung dafür zu häufig getrickst werde. Dabei gelten für sensible Gesundheits-Kennzeichnungen besonders genaue europäische Regeln.
Die Palette der Produkte mit einem versprochenen Extra für das Wohlbefinden wird zusehends größer. Auf dem Etikett werben Hersteller gern mit Begriffen wie "aktiv", "vital" und "Sport". Was konkrete Werbung mit Gesundheitswirkungen angeht, sind der Fantasie aber enge Grenzen gesetzt.
Seit 2012 gilt in der EU eine Liste mit erlaubten gesundheitsbezogenen Aussagen ("Health Claims"), die eigens zugelassen und wissenschaftlich fundiert sein müssen. Aufgeführt sind inzwischen rund 250 Formulierungen, sie lauten etwa eher nüchtern: "Roggen-Ballaststoffe tragen zu einer normalen Darmfunktion bei."
Schlechte Noten für Kinderprodukte
Von den strikten Vorgaben weichen manche Anbieter jedoch leicht, dafür aber wirkungsvoll ab, wie die Verbraucherzentralen bei einer Stichprobe mit 46 Produkten monierten. So ist auf der Packung eines Beeren-Müslis von "wertvollen Wachstumsbausteinen" Eisen, Jod und Zink zu lesen.
Zugelassen sei allerdings nur eine Aussage für Jod, erläutert Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg - nämlich, dass es "zum normalen Wachstum beiträgt". Ausgerechnet Kinderlebensmittel hätten bei korrekten Gesundheitsaussagen besonders schlecht abgeschnitten.
Bei einem Pflanzenöl verspricht der Aufdruck, enthaltene Fettsäuren sorgten mit für einen Cholesterinspiegel auf "gesundem" Niveau. Zugelassen ist aber nur, von einem "normalen" Cholesterinspiegel zu sprechen. "Zwischen normal und gesund besteht ein Unterschied", kritisiert Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).
Gesundheitsangaben seien ein entscheidendes Kaufkriterium, wenn man zwischen zwei Produkten zu wählen habe. Gerade in diesem sensiblen Feld müsse daher gelten: "Mit Gesundheit spielt man nicht."
Problematisch sind aus Sicht der Verbraucherschützer auch andere Werbekniffe, die Gesundheitseffekte nahelegen. So glaubten in einem Vergleichstest 39 Prozent der Befragten, dass ein abgebildetes Zitronen-Erfrischungsgetränk "wenige Kalorien" habe.
Mit einem eingefügten Bild einer joggenden jungen Frau sagten dies 66 Prozent. Generell hat die Vorderseite der Packung - mit ihren verlockenden Aufdrucken - die stärkste Wirkung, wie Studienautorin Anke Zühlsdorf erläutert.
Die Rückseite mit klein gedruckter Zutatenliste ändere am ersten Eindruck auch zu Gesundheitseffekten nur erstaunlich wenig.
Positive Wirkung auf die Nerven?
"Zuckerbomben" oder Würstchen mit hohem Fettanteil dürften gar nicht als "gesund" angepriesen werden, fordern die Verbraucherzentralen. Es könne nicht sein, bei einem Saft mit höherem Zuckergehalt als eine Cola eine positive Wirkung auf Nerven und Muskeln herauszustellen.
Der Dachverband der Lebensmittelwirtschaft (BLL) verweist dagegen darauf, dass sich die EU-Vorschriften nur auf das jeweils beworbene Kriterium beziehen und nicht auf die Gesamtzusammensetzung. Überhaupt seien Pauschalvorwürfe falsch. Pflicht sei auch kein exakter Wortlaut von Gesundheitsaussagen, solange die Botschaft dieselbe bleibe.
Verbraucherzentralen und Politiker fordern indes weitere Regeln. Die EU-Kommission müsse endlich Nährwertprofile festlegen, verlangt SPD-Verbraucherexpertin Elvira Drobinski-Weiß.
Auch vzbv-Chef Müller mahnt solche Messlatten dafür an, ab welchem Anteil von Fett, Salz oder Zucker ein Produkt einfach nicht mehr als "gesund" präsentiert werden darf. Die Organisation Foodwatch hält prinzipiell nichts von Gesundheitswerbung auf Lebensmitteln: "Wer krank ist, sollte zum Arzt gehen und nicht in den Supermarkt." (dpa)