Die spannende Geschichte der HeLa-Zellen

HeLa - die Abkürzung steht für Henrietta Lacks. Diese 1951 gestorbene Frau hat Medizingeschichte geschrieben. Jetzt wurde ihr ein Buch gewidmet.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Arbeit im Labor - dort beginnt die Geschichte um die Krebszellen von Henrietta Lacks, die bis heute vielfach in der Forschung eingesetzt werden.

Arbeit im Labor - dort beginnt die Geschichte um die Krebszellen von Henrietta Lacks, die bis heute vielfach in der Forschung eingesetzt werden.

© Schäfer / fotolia.com

Es ist der 9. Februar 1951. In der Frauenklinik des Johns Hopkins Krankenhauses von Baltimore liegt eine 31-jährige Frau mit Zervixkarzinom auf dem Operationstisch. Dr. Lawrence Wharton Jr., der diensthabende Chirurg, bereitet sich auf eine Radiumtherapie vor.

 Doch als erstes schneidet er der Patientin mit einem Skalpell zwei münzgroße Gewebestücke vom Gebärmutterhals, eines aus dem Tumor, ein anderes aus dem benachbarten gesunden Gewebe. Die Gewebeproben lässt er Dr. George Gey, Leiter der Abteilung für Gewebekulturforschung am Hopkins-Krankenhaus, zukommen.

 Sie sind gekennzeichnet mit den ersten beiden Buchstaben des Vor- und Nachnamens der Patientin - HeLa. Es sind die ersten humanen Zellen, aus denen eine permanente Zelllinie entsteht, die ersten unsterblichen Zellen eines Menschen.

Den meisten Ärzten sind die HeLa-Zellen ein Begriff, aber kaum jemand kennt den Namen, von dem das Kürzel abstammt: Henrietta Lacks hieß jene Patientin, der ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung Gewebeproben entnommen wurden, mit denen einmal Medizingeschichte geschrieben werden sollte.

Ihr hat die US-amerikanische Wissenschaftsjournalistin Rebecca Skloot nun ein Denkmal gesetzt, eine in elfjähriger Arbeit entstandene Biographie und Medizingeschichte in einem: "Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks".

Rebecca Skloot (links) recherchierte das Schicksal einer Frau, aus deren Zellen eine permanente Zelllinie etabliert wurde.

Rebecca Skloot (links) recherchierte das Schicksal einer Frau, aus deren Zellen eine permanente Zelllinie etabliert wurde.

© Randomhouse

Die Krebszellen vermehrten sich rasant

Bis zu jenen Wochen im Februar des Jahres 1951 war es noch niemandem gelungen, menschliche Zellen künstlich am Leben zu erhalten. Die Krebszellen von Henrietta Lacks jedoch begannen sich in Geys Labor nach wenigen Tagen zu teilen.

Nicht nur das: Sie vermehrten sich in einer Geschwindigkeit, die schon fast beängstigend war. Die Zahl der Zellen verdoppelte sich alle 24 Stunden. Schon bald gab Gey HeLa-Zellen an Kollegen weiter, die in der Krebsforschung tätig waren.

In weltweit Dutzenden Laboren vermehrten sich Henrietta Lacks' Zellen weiter. Heute übertrifft ihre Gesamtmasse die Körpermasse der unfreiwilligen Spenderin um mehr als das Hundertfache. Im Laufe der Jahrzehnte bildeten die HeLa-Zellen die Grundlage für wichtige medizinische Forschungen.

Unter ihrer Verwendung wurden der Polioimpfstoff sowie Arzneien gegen Parkinson und Leukämie entwickelt. Laut Rebecca Skloot gibt es inzwischen 17 000 Patente und 60 000 Forschungsergebnisse, die auf HeLa-Zellkulturen basieren.

Henrietta Lacks starb am 4. Oktober 1951 an den Folgen ihrer Krebserkrankung. Weder sie noch ihr Mann, weder ihre fünf Kinder noch ihre Enkelkinder erhielten auch nur einen Cent aus den Gewinnen, die mit HeLa-Zellen verdient wurden.

"Ich hab das immer komisch gefunden, wenn deine Mutter so viel für die Medizin getan hat, warum können ihre Angehörigen es sich dann nich mal leisten, zum Arzt zu gehen?", fragt Henriettas Tochter Deborah, mit der sich Rebecca Skloot im Laufe ihrer Recherchen angefreundet hat. "Is doch verrückt. Die Leute sind durch meine Mutter reich geworden, und wir haben nicht mal gewusst, dass sie ihre Zellen genommen haben, und wir haben keinen Penny gekriegt."

Eine ungewöhnliche Freundschaft

In ihrem großartig erzählten Sachbuch verwebt Rebecca Skloot mehrere Geschichten: die Geschichte einer medizinischen Revolution, die sich jenseits ethischer Bedenken vollzieht; die tragische Geschichte einer Familie, die von Rassismus und Armut geprägt ist; und nicht zuletzt die Geschichte einer Freundschaft zwischen einer Wissenschaftsjournalistin und einer Tochter, die erst 24 Jahre nach dem Tod ihrer Mutter erfährt, dass mit deren Zellen weltweit geforscht wird.

Rebecca Skloot erhielt für "Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks", unter anderen den Wellcome Trust Book Prize. Ihr Buch ist inzwischen in 18 Sprachen übersetzt. Mit den Verkaufserlösen hat sie die Henrietta Lacks Foundation gegründet, einen Stipendienfonds für die Nachkommen der unfreiwilligen Zellspenderin.

Rebecca Skloot: Die Unsterblickeit der Henrietta Lacks. Irisiana Verlag. München 2010. 512 Seiten. 19,90 Euro.

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