Lance Armstrong

Dopingbeichte vor TV-Kameras?

Er hat den Radsport dominiert - doch ob es immer mit sauberen Mitteln zuging, bezweifelten Experten immer wieder. Jetzt soll Lance Armstrong Doping zugegeben haben.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Der US-Amerikaner Lance Armstrong geht bei der Tour de France im Juli 2002 durch die Tür der "Controle Anti-Dopage" in Les-Deux-Alpes. Doping-Vorwürfe gab es gegen ihn bereits damals, eine positive Probe nie.

Der US-Amerikaner Lance Armstrong geht bei der Tour de France im Juli 2002 durch die Tür der "Controle Anti-Dopage" in Les-Deux-Alpes. Doping-Vorwürfe gab es gegen ihn bereits damals, eine positive Probe nie.

© Gero Breloer/dpa

Zwanzig Jahre lang hat sich der ehemalige Radprofi Lance Armstrong der Welt als Saubermann präsentiert. Stets hat er geleugnet, jemals wissentlich leistungssteigernde Medikamente eingenommen oder leistungssteigernde Methoden angewandt zu haben.

Tatsächlich ist er nie positiv getestet worden. Als ihn die britische Zeitung "The Sunday Times" 2004 der Einnahme leistungssteigernder Präparate bezichtigte, verklagte Armstrong das Blatt und erzielte vor Gericht einen Vergleich, bei dem ihm umgerechnet 370.000 Euro zugesprochen wurden.

Noch im August 2012 erklärte Armstrong: "Die Tatsache, dass Athleten ohne positive A- und B-Probe im gleichen Maße beschuldigt werden wie Profis mit positivem Test, pervertiert das System."

Damals hatte die US-Anti-Doping-Agentur bereits erdrückende Beweise zusammengetragen und angekündigt, Armstrong sämtliche Titel seit 1998 aberkennen zu wollen. Der siebenmalige Tour-de-France-Sieger blieb stumm.

Warum leistet er Abbitte?

Nun, da er längst verurteilt und lebenslänglich gesperrt worden ist, will er reden. Warum? Vor zwei Wochen ließ die US-amerikanische Talkshow-Legende Oprah Winfrey verkünden, dass der 41-jährige Texaner, sieben Jahre nach seinem letzten Tour-Sieg, zu einem Exklusivinterview in ihrer Sendung bereit sei.

Seither überschlugen sich die Spekulationen und Gerüchte. Vor wenigen Tagen meldete Winfrey Vollzug.

Mehr als zweieinhalb Stunden habe sie mit Armstrong gesprochen - "das größte Interview, das ich je gemacht habe, am Ende waren wir beide erschöpft". Heute Nacht soll das Gespräch gesendet werden.

Worum es in dem Gespräch im Einzelnen geht, bleibt bis zur Ausstrahlung offen. Angeblich will Armstrong zugeben, gedopt zu haben. Angeblich will er Hintermänner belasten. Angeblich will er die mächtigen Radsportfunktionäre an den Pranger stellen.

Die Frage bleibt: Warum tritt er nach Jahren des Leugnens vor die Kamera? Mögliche Antworten: Um mit einem öffentlichen Geständnis verlorenen Boden wieder wettzumachen.

Um für sich strafmildernde Umstände zu sichern. Um drohende Schadenersatzforderungen zu drücken. Oder um die beschädigte Reputation seiner Krebs-Stiftung, der Livestrong Foundation, wiederherzustellen.

"Du gehst nicht zu Oprah, um zu gestehen", sagt der US-Sportjournalist Don Van Natta, "du gehst zu Oprah, um Vergebung zu finden." In den USA ist es üblich, dass Stars nach Verfehlungen in renommierten Talkshows Abbitte leisten, und Oprah Winfrey ist seit Jahrzehnten die Beichtmutter der Nation.

Schadenersatz für Armstrong?

Tatsächlich gelingt es vielen Bühnen- und Filmgrößen, nach öffentlich wahrgenommenen Drogen- oder Gewaltexzessen sich durch demütige Auftritte vor der Kamera wieder reinzuwaschen - für ihre weitere Karriere ist das meist durchaus von Vorteil.

Armstrong könnte es aber auch darum gehen, die Schadenersatzforderungen, die auf ihn zukommen, zu minimieren. Die Versicherungsgesellschaft SCA Promotions fordert umgerechnet etwa neun Millionen Euro zurück.

2004 hatte sie nach Dopingvorwürfen gegen den US-Amerikaner eine Millionen-Prämie zurückgehalten, die der Radsport-Profi dann aber vor Gericht erfolgreich einklagte.

Der Radsport-Weltverband UCI verlangt die gewonnenen Preisgelder zurück, die sich allein für seine Tour-Siege auf drei Millionen Euro belaufen. Die "Sunday Times" will Armstrong in Folge des Rechtsstreits von 2004 auf 1,2 Millionen Euro verklagen.

So paradox das klingt: Sollte Armstrong als Kronzeuge gegen die Doping-Hintermänner aussagen und so den Betrug gegen das staatliche Unternehmen US Postal, seinen früheren Rennstall, aufdecken helfen, stünde ihm ein Anteil des erzielten Schadenersatzes zu, auch wenn er umgekehrt einen Teil davon selbst zahlen müsste. Der Auftritt bei Oprah Winfrey könnte dafür den Weg bereiten.

Chronologie: Stationen eines Doping-Verdachts

8. Juli 1999: Nach dem Prologsieg Lance Armstrongs wird bekannt, dass es auffällige Werte bei einem Fahrer gibt. UCI-Chef Hein Verbruggen beeilt sich zu erklären, "der betroffene Fahrer hat ein ärztliche Attest zur Gabe von Kortison vorgelegt". Eine Woche später ist klar, dass der "betroffene Fahrer" Armstrong heißt, der eine kortisonhaltige Salbe gegen Sitzbeschwerden verwendet haben will.

25. Juli 1999: Mit dem Tour-Gesamtsieg gelingt Armstrong 518 Tage nach seiner Hodenkrebs-Diagnose ein sensationelles Comeback. Ein Jahr nach dem Festina-Doping-Skandal hätten sich die Tour-Verantwortlichen eigentlich keinen besseren Sieger wünschen können.

Juni 2001: Bei der Tour der Suisse fällt ein Dopingtest Armstrongs auf, EPO-Doping wird vermutet. Die Version der "auffälligen Probe" bestätigt Martiel Saugy, der Laborleiter des Instituts in Lausanne, Jahre später. Armstrong wird nicht belangt, gewinnt die Rundfahrt. Danach spendet er dem Weltverband UCI 125.000 Dollar, die laut UCI für an den Anti-Doping-Kampf verwendet werden.

2. Juli 2004: Unmittelbar vor der Tour de France erscheint das Buch "L.A. Confidential". Darin erheben die Journalisten David Walsh und Pierre Ballester schwere Doping-Vorwürfe gegen Armstrong.

24. Juli 2005: Armstrong gewinnt zum siebten Mal die Tour de France und beendet danach seine Karriere.

23. August 2005: Die französische Sportzeitung "L‘Équipe" berichtet, dass in sechs Urinproben Armstrongs aus dem Jahr 1999 das Dopingmittel EPO nachgewiesen wurde. Die Proben waren eingefroren worden und konnten eindeutig Armstrong zugeordnet werden. EPO ist seit 2001 nachweisbar.

31. Mai 2006: Eine vom Weltverband UCI eingesetzte Kommission spricht Armstrong von den Doping-Vorwürfen frei. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA nennt den UCI-Bericht "fast schon lächerlich".

2. Oktober 2008: Die französische Anti-Doping-Agentur AFLD schlägt Armstrong vor, die sechs Proben der Tour 1999 nochmals zu testen. Der Amerikaner, der zum Tour-Comeback 2009 rüstet, lehnt das ab.

20. Mai 2010: Armstrongs ehemaliger Teamkollege Floyd Landis gibt öffentlich zu, die meiste Zeit seiner Karriere gedopt zu haben. Der Amerikaner beschuldigt in diesem Zusammenhang auch Armstrong des Dopings. US-Behörden ermitteln gegen Armstrong, der Anfang 2011 zum zweiten Mal seinen Rücktritt als Radprofi erklärt.

20. Mai 2011: Tyler Hamilton ist der nächste ehemalige Teamkollege, der schwere Doping-Vorwürfe gegen den früheren Kapitän erhebt. "Ich sah EPO in seinem Kühlschrank. Ich sah mehr als einmal, wie er es sich gespritzt hat", sagt Hamilton dem TV-Sender CBS.

4. Februar 2012: Die US-Staatsanwaltschaft stellt ihre Doping-Ermittlungen gegen Armstrong überraschend ein.

12. Juni 2012: Die US-Anti-Doping-Agentur USADA klagt Armstrong an. Proben aus den Jahren 2009 und 2010 sollen "vollkommen mit Proben übereinstimmen, an denen Blutmanipulation, inklusive EPO und/oder Blut-Transfusionen vorgenommen wurden." Armstrong wird sofort für alle Wettbewerbe gesperrt.

24. August 2012: Armstrong teilt in einem Statement mit, dass er den Kampf gegen die Anschuldigungen aufgibt. 10. Oktober 2012: Die USADA schickt ihre Urteilsbegründung an die UCI. Armstrongs langjähriges Profiteam US Postal habe das "ausgeklügelste, professionellste und erfolgreichste Dopingprogramm betrieben, das der Sport jemals gesehen hat", installiert.22. Oktober 2012: UCI-Präsident Pat McQuaid gibt bekannt, dass der Weltradsportverband die Sanktionen der USADA übernimmt. Die UCI streicht damit sämtliche Ergebnisse Armstrongs seit dem 1. Januar 1998, darunter die Erfolge bei den Frankreich-Rundfahrten von 1999 bis 2005. Zudem sperrt die UCI den Texaner lebenslang.14. Januar 2013: Die TV-Show der amerikanischen Talk-Ikone Oprah Winfrey mit Interview-Partner Armstrong wird aufgezeichnet. Der Ex-Profi soll Medienberichten zufolge darin Doping gestanden haben. Zugleich wolle er laut "New York Times" gegen die UCI aussagen. (dpa)

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Herausforderung Klimawandel

Reha macht sich nachhaltig

Engagement für Reanimation

Ian G. Jacobs Award für Bernd Böttiger

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

SUMMIT-Studie

Tirzepatid auch erfolgreich bei Herzinsuffizienz-Therapie

Lesetipps
Eine schwangere Frau sitzt auf dem Fussboden ihres Wohnzimmers und liest die Packungsbeilage eines Medikaments. 

Usage: Online (20210812)

© Christin Klose / dpa Themendiens

Neurologische Entwicklungsstörungen

Epilepsie in der Schwangerschaft: Start mit Lamotrigin empfohlen

Ordner auf dem Bildschirm

© envfx / stock.adobe.com

Forschungsbürokratie darf nicht ausufern

Krebsmedizin will neuen Digitalisierungsimpuls setzen

Die Freude, den Krebs besiegt zu haben, kann später getrübt werden. Nicht selten erleben ehemalige Patienten Diskriminierungen.

© picture alliance / Westend61 | ANTHONY PHOTOGRAPHY

Tagung der Vision Zero Oncology

Krebs nach Heilung: Jung, genesen, diskriminiert