Fußball-Bundesliga
Dr. Jochen Drees: Job in der Zentrale der Video-Schiedsrichter ist anstrengender als der als Hausarzt
Vor fünf Jahren gab Dr. Jochen Drees seinen Beruf als Hausarzt auf, um Leiter des „Video-Assist-Centers“ beim Deutschen Fußball-Bund zu werden. Die Gründe für seine Entscheidung hat der Schiedsrichter-Funktionär im „ÄrzteBall“-Podcast erläutert.
Veröffentlicht:Frankfurt/Main. Das Stethoskop hat er noch, „sowohl das normale für Erwachsene als auch das Kinder-Stethoskop“, wie Dr. Jochen Drees betont. Doch in seinem Leben spielt die Medizin nur noch eine untergeordnete Rolle, gibt der Allgemeinmediziner im „ÄrzteBall“-Podcast preis.
„Es gibt natürlich Freunde und Bekannte, die mich um ärztlichen Rat bitten. Auch habe ich einen großen Freundeskreis von Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Fachrichtungen, mit denen ich mich austausche“, erzählt der 54-Jährige, der lange Zeit als Hausarzt in einer Gemeinschaftspraxis im rheinland-pfälzischen Münster-Sarmsheim gearbeitet hat.
Arztberuf aufzugeben war „pragmatische Entscheidung“
Vor fünf Jahren entschied sich Drees dazu, seinen Arztkittel an den Nagel zu hängen, um hauptberuflich seiner zweiten Leidenschaft nachzugehen: der Schiedsrichterei. Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) trat er im Oktober 2018 die Stelle als Leiter des „Video Assist-Centers“ an - und steht somit den Video-Schiedsrichtern, auch „Video Assistant Referees (VAR) genannt, vor.
Die Entscheidung für den Jobwechsel und den Ausstieg aus der medizinischen Versorgung hat sich Drees gut überlegt. Mehrere Faktoren spielten dabei eine Rolle, wie er im „ÄrzteBall“, dem Fußball-Podcast der Ärzte Zeitung, verrät: „Es war eine pragmatische Entscheidung. Ich habe damals in einer Gemeinschaftspraxis gearbeitet mit zwei Kollegen. Einer davon ging in den Ruhestand und der andere hat sich inhaltlich verändern wollen. Ich habe dann versucht, die hausärztliche Praxis alleine fortzuführen, aber schnell festgestellt, dass ich an meine persönlichen Grenzen komme.“
So habe es nicht lange gedauert, bis Unzufriedenheit in ihm aufkam. „Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich dem Anspruch an meine Arbeit und auch an die Qualität, die ich abliefern möchte, nicht mehr gerecht werden kann.“
Just in dieser Phase sei der DFB an ihn herangetreten und habe gefragt, ob er die Tätigkeit als VAR-Chef übernehmen wolle. Drees war vorher schon als VAR-Projektleiter eingesetzt und bringt zudem eine langjährige Erfahrung als Schiedsrichter in der Fußball-Bundesliga mit. Zwischen 2003 und 2017 hat der gebürtige Bad Kreuznacher selbst 233 Partien in den beiden deutschen Profiligen geleitet.
Auf sein Herz hören
„Ich habe dann überlegt und lange Gespräche geführt mit meiner Frau, aber auch mit meinem Vater, der selbst in der Arztpraxis tätig war. Mit ihm habe ich zwei Jahre zusammenarbeiten können, das war eine der schönsten Zeiten, die ich in meinem Leben hatte“, berichtet der 54-Jährige. Sein Vater habe ihn als jungen Kollegen, der frisch aus der Uni kam und voller Ideen in den Beruf startete, einfach machen lassen, und sei ihm als erfahrener Mediziner zur Seite gestanden. „Das war eine coole Zeit“, erinnert sich Drees.
Sein Vater habe ihm schließlich geraten, auf sein Herz zu hören. „Und mein Gefühl sagte mir: Ich will das beim DFB machen“, erzählt Drees.
Anstrengender Job im „Kölner Keller“
Statt in die Arztpraxis führt sein Weg seither in den so genannten Kölner Keller, wo sich an den Spieltagen der 1. und 2. Bundesliga die Video-Schiedsrichter einfinden. Pro Partie unterstützt ein Video Assistant Referee mit einem Assistenten den Schiedsrichter auf dem Platz, indem er bei strittigen Szenen Bewegtbilder der verschiedenen Stadionkameras sichtet und begutachtet. Über ein Headset können sich der Video-Schiedsrichter und seine Kollegen auf dem Spielfeld austauschen. Ziel des VAR-Einsatzes ist es, klare Fehlentscheidungen zu verhindern.
Der Job im „Video-Assist-Center“ sei anstrengend, berichtet der Mediziner – und im Vergleich zum Hausarzt-Job sei er sogar anstrengender. „In der Praxis habe ich das nie so als anstrengende Arbeit empfunden. Es gab natürlich stressige Tage, wenn viel los war, das ist klar. Aber ich habe das immer als Privileg empfunden, mich um Menschen kümmern zu können, und ihr Vertrauen zu bekommen“, unterstreicht Drees. Er gibt auch zu, dass ihm vom alten Berufsleben etwas fehlt: „Ich vermisse die Arbeit mit den Menschen und für sie da zu sein.“