China
Ein Rauchverbot und viele Zweifel
Lange galt China als das letzte Paradies für Raucher. Nur langsam setzt sich das Bewusstsein durch, dass Rauchen immense Gesundheitsgefahren mit sich bringt. Nun will die chinesische Regierung Druck machen.
Veröffentlicht:PEKING. Unmittelbar vor dem Schild, das Rauchen im Zugabteil verbietet, zündet sich der Reisende eine Zigarette an.
Der Schaffner kommt, schaut ihn an - und geht kommentarlos weiter. Denn obwohl das Rauchen in öffentlichen Räumen, Schulen und Zügen in der Hauptstadt Chinas bereits verboten ist, hält sich bisher kaum ein Raucher an das Gesetz.
320 Millionen Chinesen über 15 Jahren rauchen. Damit kommt fast jeder Dritte der weltweit insgesamt 1,1 Milliarden Raucher aus der Volksrepublik.
Laut dem chinesischen Gesundheitsministerium müssen weitere 740 Millionen Personen in den Familien oder am Arbeitsplatz unfreiwillig mitrauchen.
Jetzt wird kontrolliert
Chinesisches Tagebuch
Drei Monate lang lebt "Ärzte Zeitungs"-Redakteurin Jana Kötter in Peking. In ihrer Kolumne "Chinesisches Tagebuch" berichtet sie regelmäßig aus dem Reich der Mitte. Schon erschienen sind folgende Artikel:
- Peking leidet unter Pappelflocken
- Gesundheitspflege am Strand
- Luft anhalten!
- Die große Angst vor Krankheiten
Damit soll nun Schluss sein: Staatspräsident Xi Jinping, selber Ex-Raucher, will seiner bereits seit vergangenem Jahr laufenden Anti-Rauch-Kampagne zum 1. Juni nun die strengsten Anti-Rauch-Maßnahmen der Geschichte des Landes folgen lassen.
Im November 2014 hatte die Stadtverwaltung Beijing bereits eine Richtlinie erlassen, die das Rauchen in allen öffentlichen Gebäuden, an Arbeitsplätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln verbietet.
Liu Zejun, Direktor des Komitees der Patriotischen Gesundheitskampagne, sagte, Vollzugsbeamte würden ab 1. Juni kontrollieren, dass das Rauchverbot in der Öffentlichkeit eingehalten würde.
Zudem will China die Steuern auf Zigaretten mehr als verdoppeln. Statt bisher fünf Prozent sind nun elf Prozent Steuern fällig, wie das Finanzministerium jüngst ankündigte.
Relativiert wird diese Meldung jedoch bei einem Blick auf die noch immer extrem günstigen Preise: Für ein Päckchen Zigaretten starten diese bereits bei unter einem Euro, nur Import- oder Edelmarken kosten umgerechnet bis zu rund fünf Euro.
Eine groß angelegte Werbekampagne für das Nichtrauchen soll die Anstrengungen unterstützen: Vielerorts klären Plakate über die Folgen der Nikotinsucht auf; auf Chinas beliebter Messaging-App WeChat gibt es einen Account, auf dem die Öffentlichkeit Informationen und Vorschriften zum Rauchen abrufen kann. Follower des Accounts können auch Verstöße gegen das Rauchverbot melden.
Auch Bill Gates macht mit
Unterstützt wird die Kampagne von zahlreichen Prominenten: Die berühmten chinesischen Fernseh-Moderatoren Jing Yidan und Lang Yongchun sind unter den Botschaftern der Anti-Raucher Bewegung. Auch Bill Gates hat in China zum Kampf gegen das Passivrauchen aufgerufen.
In einem Musikvideo von Feng Zhe, Olympiasieger im Geräteturnen, hat der Unternehmer einen Gastauftritt mit wichtiger Botschaft: "Sag nein zum gezwungenen Rauchen", steht dort auf dem Pullover des Multi-Milliardärs. Unterstützt wird er von Peng Liyuan, Ehefrau von Staatspräsident Xi Jinping, höchstpersönlich.
Ob die Kampagne Erfolg haben wird, sieht Professor Chenguang Wang eher skeptisch. "Gerade im Bereich des Rauchens ist es unmöglich, einfach ein Gesetz zu erlassen", sagt der Professor, der an der Rechtsfakultät der renommierten Tsinghua Universität in Peking lehrt.
"Ein Gesetz basiert immer auch auf sozialen Systemen, man kann es nicht aus dem kulturellen Kontext lösen. Gerade in ländlichen Gebieten ist das Rauchen tief in der chinesischen Kultur verwurzelt", gibt er zu Bedenken.
Für sinnvoller halte er es, wenn sich das neue Gesetz zunächst auf die Großstädte Peking und Schanghai konzentrieren und dann Stück für Stück ausgeweitet würde. "Als nationales Gesetz wird es bei der Größe unseres Landes scheitern", ist er sich sicher.
Landesweit sterben in China Jahr für Jahr etwa eine Million Menschen an den Folgen des Rauchens, erklärt Moshu Xu vom kardiovaskulären Zentrum des Beijing United Family Hospitals. Unter ihnen ist laut Gesundheitsministerium jeder zehnte ein Opfer des Passivrauchens.
Nach einer Hochrechnung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird jedes Jahr bei 3,07 Millionen neuen Patienten erstmals Krebs diagnostiziert. Die Zahl ließe sich ließ laut WHO mit einem entschiedenen Vorgehen gegen Rauchen stark reduzieren.
98 Zigarettensorten
Dass die Regierung in China bisher nicht stärker durchgegriffen hat, mag auch daran liegen, dass der Staat über das Tabakmonopol verfügt und damit abkassiert: Im Jahr 2012 stiegen die eingenommenen Steuern erstmals umgerechnet über die 100-Milliarden-Yuan-Marke (rund 15 Milliarden Euro), lobte der Chef der staatlichen Tabakverwaltung, Jiang Chenghang, jüngst.
Auf dem chinesischen Markt werden derzeit 98 verschiedene einheimische Zigarettensorten angeboten. Daran soll sich auch in naher Zukunft nichts ändern.
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