Trauerfeier für Absturzopfer
"Ein Ritual für eine Schicksalsgemeinschaft"
Mit einer großen Trauerfeier im Kölner Dom wird am Freitag der Opfer der Germanwings-Katastrophe gedacht. Was kann die Feier bewirken? Das erläutert ein leitender Notfallseelsorger der Evangelischen Kirche im Interview.
Veröffentlicht:FRANKFURT. Heilt die Zeit alle Wunden? Die Lufthansa hat damit begonnen, den Hinterbliebenen der Germanwings-Opfer Soforthilfen auszuzahlen.
Der Betrag von 50.000 Euro pro Opfer sei bis Montagabend in bereits 80 Fällen angewiesen worden, sagte ein Sprecher des Dax-Konzerns in Frankfurt.
Damit haben bereits mehr als die Hälfte der Hinterbliebenen Geld erhalten. Die Überbrückungshilfe werde umgehend gezahlt, sobald alle erforderlichen Daten und Dokumente vorlägen, erläuterte der Lufthansa-Sprecher.
Seit dem Absturz der Germanwings-Maschine unterstützen Notfallseelsorger die Familien der Opfer. Auch bei der großen Trauerfeier an diesem Freitag in Köln werden sie die Betroffenen begleiten.
Zu der ökumenischen Gedenkfeier werden unter anderem auch Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet. Bei dem Absturz der Germanwings-Maschine waren am 24. März 150 Menschen ums Leben gekommen.
Der Leiter der Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland, Pfarrer Uwe Rieske (53) erklärt im Interview mit der Deutschen Presse Agentur, warum die Feier nicht nur für die Angehörigen eine große Bedeutung hat.
Wie wichtig ist diese Trauerfeier für die Angehörigen?
Uwe Rieske: Diese Trauerfeier ist für mehrere Personengruppen wichtig. Zum einen für die Angehörigen der Passagiere und der Crew, weil damit deutlich wird: Es gibt eine öffentliche Würdigung dieses Ereignisses.
Die Trauerfeier ist aber auch für die Öffentlichkeit wichtig, weil die Identifikation mit den Betroffenen unglaublich hoch ist. Das dritte ist: Sie ist auch für die Einsatzkräfte wichtig, weil sie ein Ritual anbietet, in dem eine Schicksalsgemeinschaft aus Betroffenen und Helfern zusammen finden kann.
Kann sich ein Betroffener durch die Öffentlichkeit auch gestört fühlen?
Rieske: Das kann durchaus sein. Die Verarbeitungswege von Betroffenen sind unterschiedlich. Man kann nur Respekt aufbringen für den individuellen Trauerweg.
Und es wird auch Betroffene geben, die zu dieser Trauerfeier nicht kommen können oder nicht kommen wollen, weil sie sagen: "Mein Weg ist ein anderer."
Was tun Sie als Seelsorger an so einem Tag?
Rieske: Wir werden einerseits mit einem Notfallseelsorge-Team im Gottesdienst und auch davor und danach präsent sein. Es wird aber auch Kräfte geben, die bereits in Kontakt mit den Familien stehen, und die Familien zu diesem Gottesdienst begleiten.
Und es wird auch Notfallseelsorger an Orten geben, wo die Veranstaltung übertragen wird. Wir sind da, um bei Bedarf zu stabilisieren, Orientierung zu geben, zu stärken, sodass Menschen Gesprächspartner finden, wenn sie es denn brauchen.
Wie problematisch ist das große Medieninteresse?
Rieske: Betroffene brauchen ehrliche Empathie und ehrliches Mitgefühl. Wenn es Medieninteresse gibt, kann dies zu einer Konfrontation mit Angehörigen führen, wenn dieses unkontrolliert unbedingt notwendige Schutzräume unterläuft.
Da bin ich dankbar, wenn alle Medien die von den Angehörigen dringend benötigten Schutzräume respektieren.
In welcher Trauerphase befinden sich die Betroffenen jetzt?
Rieske: Es geht immer noch darum, zweifelsfreie Gewissheit zu bekommen, etwa wenn die Identifizierungen erfolgt sind. Es geht weiter um die Überführungen der sterblichen Überreste ihrer Lieben, damit es dann auch Beisetzungen geben kann.
Solange man einen Menschen nicht hat beisetzen können, ist die Situation immer unabgeschlossen. Das ist eine Situation, die sehr belastet.
Diese nächsten Schritte stehen für die Betroffenen im Vordergrund. Es ist zu hoffen, dass die Netzwerke der Betroffenen, die sich jetzt bilden, tragfähig sind und bleiben über diese Akutphase hinaus. (dpa)