Eine Naturkatastrophe mit ungeheurem Ausmaß

Kliniken ringen um die Versorgung ihrer Patienten, Wasser und Essen werden knapp, Menschen haben von einer Minute zur anderen alles verloren: Nichts ist wie vorher nach dem schweren Erdbeben im Nordosten Japans.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

FRANKFURT/TOKIO. 200 Patienten in einer Klinik der nordostjapanischen Präfektur Fukushima sind Samstag am frühen Morgen Ortszeit von der Wasserversorgung abgeschnitten. Es gibt nichts mehr zu essen.

Klinikangestellte richten einen Appell an die Behörden und fordern die Außenwelt auf, die Versorgung sicherzustellen - notfalls über die inzwischen alarmierten Selbstverteidigungskräfte, wie die japanische Staatsarmee offiziell heißt.

Japaner rund um die Welt bangen um Angehörige

Das ist nur eine Szene, über die der staatliche japanische Fernsehsender NHK auf seiner Internetseite nach dem desaströsen Erdbeben vor der Küste der nordostjapanischen Präfektur Miyagi am Freitag und Samstag berichtet.

Die Internetseite, die sonst außerhalb Japans kostenpflichtig ist, wurde nach dem verheerenden Erdbeben sofort freigeschaltet. Sie wird nicht zuletzt für die vielen Japaner, die rund um die Welt um ihre Familien und Verwandtschaft im Heimatland bangen, zur Hauptquelle für Informationen, wie zum Beispiel Tsunami-Warnungen.

Nichts ist wie vorher in Japan, nachdem am Freitag um 14.46 Uhr Ortszeit eine Plattenverschiebung ein Beben ungekannten Ausmaßes in Japan auslöst - Stärke 8,8 auf der nach oben offenen Richter-Skala.

Während auch die restliche Welt den Atem anhält und für mehrere Staaten im tektonischen Einzugsgebiet Tsunami-Warnungen herausgegeben werden, brechen in großen Teilen Japans Feuer aus, reißen bis zu zehn Meter hohe Wellen alles mit, was nicht niet- und nagelfest ist.

Das Leben der ansonsten quirligen Hauptstadt Tokio mit ihren zig Millionen Menschen wird von einem Moment auf den anderen lahm gelegt. Handyverbindungen sind über Stunden gekappt, Züge, vor allem die Schnellzüge Shinkansen, die die Pendler in ihre teils 100 und mehr Kilometer entfernten Schlafstätten zurückbringen, stehen still.

Die ersten Züge fahren erst wieder am Samstag morgen. Im Bahnverkehr geht nahe zu nichts mehr. Auf Taxen müssen die Menschen fünf Stunden und länger warten.

Die Regierung hat mittlerweile einen Service eingerichtet, unter dem Betroffene mit der Eingabe ihrer Telefonnummer und einer vorangestellten 171 eine Mailbox besprechen können, auf die jeder, der die Nummer wählt, Zugriff hat.

Gestrandete nehmen die Offerte von Rathäusern wahr, die eine kostenlose Übernachtung im Großraum anbieten. Unternehmen lassen Angestellte im Büro übernachten.

Zurück zu den Kranken: Beatmungspflichtigen Patienten drohen nach NHK-Angaben inzwischen landesweit Versorgungsengpässe, da auch abseits von Tokio in immer mehr Ortschaften Stromausfälle zu verzeichnen sind.

Die Regierung hat derweil laut NHK zugesichert, dass jeder, der in Kliniken oder bei niedergelassenen Ärzten vorstellig wird, auch eine Behandlung bekommt.

In Japan ist es normalerweise bei Krankenbehandlungen nötig, in Vorkasse zu treten. 30 Prozent Eigenanteil muss jeder Japaner obligatorisch leisten. Fernab jeder Bürokratie reiche es jetzt, wenn Patienten statt ihrer Versicherungsnummer Name und Adresse angäben, so die Botschaft der Regierung.

Kliniken arbeiten mit Notstromaggregaten

Im Internet finden sich inzwischen Informationen für Dialysepatienten: Welche Klinik hat landesweit noch welche Kapazitäten, wo sind noch alle Medikamente verfügbar?

In der Präfektur Iwate arbeiten einige Kliniken mit Notstromaggregaten. Operationen sind nicht mehr möglich, die Mitarbeiter in der Verwaltung arbeiten im Mantel - in Iwate herrschen kalte Temperaturen vor.

Im Touhoku Kouseinenkin Hospital in Sendai, der Hauptstadt der Erdbebenprovinz Miyagi, haben zu den 400 hospitalisierten Patienten zusätzlich mehrere hundert Menschen aus der Nachbarschaft Zuflucht im Krankenhaus gesucht.

Am Freitag Nachmittag deutscher Zeit wird es brenzlig: Aus Fukushima kommt die Nachricht, dass das dortige Kernkraftwerk nur noch via Batterien gekühlt werden kann. Premierminister Naoto Kan richtet einen Krisenstab ein und begibt sich via Helikopter zum Ort des Geschehens.

"Endlich tut er mal was und redet nicht nur", lautet ein Blogger-Kommentar auf NHK. Kan fordert seine Bürger auf, das beispiellose Desaster gemeinsam zu überwinden.

Das Leben in Japan wird weitergehen - aber nichts ist mehr so, wie es einmal war.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 13.03.201115:43 Uhr

Danke für die Berichterstattung zu Japan in der ÄZ!!!

Ich möchte die Gelegenheit nutzen (weil ich auch sonst nie die Klappe halten kann), der Online-Redaktion der Ärzte Zeitung herzlich zu danken für ihre unermüdliche Berichterstattung zu diesem Super-GAU in Japan mit den lokalen und weltweiten Folgen der Erdbeben, der Flutwellen und der Nuklearkatastrophen.

Das ganze Wochenende erreichen uns ÄZ-Online ständig aktualisierte Artikel, Berichte und Infos mit umfassenden Bildern. Besonders betroffen machen mich die Auswirkungen auf Verletzte, Verstrahlte und unversorgte Patientinnen und Patienten, die Zuspitzung bei Morbidität und Mortalität. Dagegen verblassen Probleme mit H1N1, HIV, Hypertonie, Diabetes, endogene Tumorkrankheiten, KHK, um nur einige zu nennen.

Wenn jetzt internationale Hilfsfonds, humanitäre Organisationen, medizinische Projekte und technische Hilfswerke um Unterstützung und Spenden bitten, sollten wir Alle uns einen Ruck geben und großzügig sein: Stellen Sie sich vor, bei Ihnen zu Hause, in Klinik und Praxis wäre A l l e s um 2 Meter verschoben, da wäre kein Stein mehr auf dem anderen. Nichts anderes ist laut GPS-Messungen bei diesem gewaltigen Erdbeben und seinen Folgen passiert: Die g e s a m t e japanische Inselgruppe wurde geografisch um 2 Meter verschoben!

Mit freundlichen, kollegialen Grüßen, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM

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