"Erforschliches erforschen - das schönste Glück"

FRANKFURT/MAIN. Johann Wolfgang von Goethe ist heute vor 175 Jahren gestorben. Der Dichter hat sich auch einen Namen als Naturforscher gemacht.

Von Friedrich Hofmann Veröffentlicht:

Heute vor 125 Jahren setzte sich der berühmte Physiologe Emil Heinrich du Bois Reymond in einer Vorlesung mit Goethes Wirken als Naturforscher auseinander. Anlaß war der 50. Todestag des Universalgenies, doch was der über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannte Redner über den Weimarer Geheimrat sagte, war wenig schmeichelhaft; denn er argumentierte, man solle den Naturforscher Goethe endlich ad acta legen, "anstatt ihn immer wieder der urteilslosen Menge übertrieben anzupreisen und die Gegenrede mehr kritisch Gestimmter herauszufordern."

Dabei hat sich Goethe nicht nur mit den Problemen des Bergbaus auseinandergesetzt, sondern hat auch über Fragen der Botanik (1794 übernahm er die Leitung der neugegründeten Botanischen Anstalten in Jena) publiziert und monatelange Versuche über das Pflanzenwachstum unter verschiedenen Lichtverhältnissen durchgeführt. Daneben befasst sich der Dichter mit Fragen der Geologie, der Astronomie, der Elektrizität, des Magnetismus und mit Themen aus dem Bereich der Geologie und der Geographie.

In seinen letzten Lebensjahren wendet er sich schließlich meteorologischen Phänomenen zu und nimmt genaue Wetterbeobachtungen vor. Bis zum Ende seines Lebens (und selbst noch während seiner letzten Lebenstage) ist er mit Versuchen zur Optik und zur "Farbenlehre" befasst. Hier, und nur hier hat er ohne Frage den Boden der Wissenschaft verlassen und ist in Polemik abgeglitten, wenn er beispielsweise über die Newton’schen Versuche schreibt, dass "besonders die Franzosen" - damit ist wohl Voltaire gemeint - "die größte Schuld an der Verbreitung und Verknöcherung dieser Lehre" treffe. Auch Goethes Urteil über Newton selbst ist hart, wenn er schreibt: ,,,wie ein so außerordentlicher Mann sich in einem solchen Grade irren, seinen Irrtum bis an sein Ende mit Neigung, Fleiß, Hartnäckigkeit, trotz aller äußeren und inneren Warnungen bearbeiten und befestigen und so viel vorzügliche Menschen mit sich fortreißen hat können." Besonders eingehend hat sich Goethe Zeit seines Lebens auch mit Fragen der Medizin, und hier insbesondere mit der Chirurgie und den Problemen der Anatomie auseinandergesetzt.

Auch wenn er bisweilen dem einen oder anderen Irrtum unterlegen ist, so hat er doch versucht, zu einer Synthese von Mensch und Wissenschaft zu kommen. Im Nachlaß findet sich denn auch ein Aphorismus, den auch die Mitglieder der heutigen Forschergeneration beherzigen sollten: "Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren."



Naturforscher aus Frankfurt

Johann Wolfgang von Goethe wird am 28. August 1749 in Frankfurt am Main geboren. Während seiner Straßburger Studienzeit hört er Vorlesungen über Chemie, Anatomie und Chirurgie. Ab 1775 befaßt er sich mit Studien zur Knochen- und Schädellehre sowie mit der Farbenlehre und Fragen der Geologie. Ein Jahr später beginnen seine Versuche zur Theorie der Pflanzenwelt. Ab 1780 treibt er mineralogische Studien. Nachdem er 1781 wieder Anatomievorlesungen gehört hat, trägt er selbst mehrfach über das Thema vor. 1788 (sowie 1802 und 1819) beschäftigt er sich wieder mit der menschlichen Anatomie und der vergleichenden Osteologie. 1796 beginnen seine Versuche zum Pflanzenwachstum. Bis zu seinem Tod am 22. 3. 1832 ist er hauptsächlich mit Studien zur Farbenlehre befasst.



Warum hat Goethe Knochen verglichen?

In seiner 1784 in Jena erschienenen Publikation "Versuch aus der vergleichenden Knochenlehre, dass der Zwischenknochen der obern Kinnlade dem Menschen mit den übrigen Tieren gemein sei" geht Johann Wolfgang von Goethe der Frage nach, wie weit eigentlich die Ähnlichkeit zwischen Säugetier und Mensch im Knochenbau geht.

Vor dem Hintergrund seiner eigenen Versuche an Schädeln und anhand mehrerer höchst eindrucksvoller Zeichnungen vom Os intermaxillare verschiedener Säugetiere (wie Eisbär, Wolf, Walross und Affen) kommt er im Gegensatz zu der bis dahin gültigen Meinung zu einem bemerkenswerten Schluss: "Es wird also kein Zweifel übrig bleiben, dass diese Knochenabteilung sich sowohl bei Menschen als Tieren findet..."

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