Umfrage
Fast jeder Fünfte findet Bier für Schwangere vertretbar
Schon wenige Tropfen Alkohol in der Schwangerschaft können beim Kind zu schweren Störungen führen. Darauf will der Tag des "Alkoholgeschädigten Kindes" am 9. September hinweisen. Trotzdem hält jeder sechste Bürger es vertretbar, wenn werdende Mütter ab und zu ein Gläschen trinken.
Veröffentlicht:BERLIN. Das Spektrum reicht von leichten Konzentrationsproblemen bis zu dauerhaften schweren geistigen und motorischen Störungen: In Deutschland werden jedes Jahr 10.000 Kinder mit Fetalen Alkoholspektrum Störungen (FASD) geboren, jedes Fünfte davon mit einem voll ausgeprägten Fetalen Alkoholsyndrom (FAS).
Immer wieder warnen Pädiater und Gynäkologen vor Alkohol während der Schwangerschaft. Eine Umfrage im Auftrag der Privaten Krankenversicherung (PKV) zeigt allerdings: Entgegen aller Warnungen halten 18 Prozent der Bundesbürger ein gelegentliches Gläschen Sekt oder Bier während der Schwangerschaft für vertretbar.
Unter dem Eindruck dieser Zahlen hat die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler zum "Tag des Alkoholgeschädigten Kindes" am 9. September noch einmal auf die Problematik hingewiesen.
Gemeinsam mit dem Verein FASD-Deutschland stellte sie das im Rahmen eines Forschungsprojekts entstandene Buch "Suchtgefährdete Erwachsene mit Fetalen Alkoholspektrumsstörungen" vor, das helfen soll, die Versorgungslage zu verbessern.
Suchtgefahr ist später größer
Fast jeder zweite Erwachsene mit einer Fetalen Alkoholspektrumsstörung entwickele zusätzlich zur bestehenden Beeinträchtigung eine Suchtstörung, erklärte Mortler.
Daher sei es wichtig, bei der Diagnose, Behandlung und Betreuung dieser Patientinnen und Patienten deren besondere Situation zu berücksichtigen.
Das Buch zeigt auf, wie Diagnostik, Screening-Ansätze und Interventionsmöglichkeiten aussehen können. Es gibt Anregungen für den diagnostischen, therapeutischen und pädagogischen Umgang mit Betroffenen.
Marlene Mortler kündigte an, es sei darüber hinaus ein Handbuch geplant, das sich direkt an die Betroffenen wendet. Denn eines sei klar: FASD sei die einzige Krankheit, die zu 100 Prozent vermeidbar sei.
Jüngere sind konsequenter
Die Umfrage des Markt- und Sozialforschungsinstituts INSA im Auftrag des Verbands der PKV zeigt, dass trotz der Fehleinschätzung von 18 Prozent die große Mehrheit der Bevölkerung Alkoholkonsum während der Schwangerschaft ablehnt. Mit steigendem Alter wird allerdings die Toleranz gegenüber einem Gläschen zwischendurch größer.
Die Forscher hatten 2000 Personen ab 18 Jahren gefragt, ob sie ein Glas Bier oder Sekt während der Schwangerschaft für vertretbar halten. 72 Prozent verneinen das, 18 Prozent sehen in dem gelegentlichen Alkoholkonsum kein Problem, zehn Prozent sind unentschlossen.
Die Umfrage ergab, dass die Ablehnung bei den 18- bis 24-Jährigen mit 84 Prozent am höchsten ist. Danach nimmt sie kontinuierlich ab, den niedrigsten Wert haben die über 55-Jährigen mit 67 Prozent.
PKV-Verbandsdirektor Dr. Volker Leienbach begrüßt, dass gerade junge Menschen wenig tolerant gegenüber Alkohol in der Schwangerschaft sind. Das zeige, dass Aufklärungskampagnen zum Alkoholmissbrauch wirken, sagt er. Leienbach kündigte an: "Wir werden sie deshalb weiterhin unterstützen."
Das Buch "Suchtgefährdete Erwachsene mit Fetalen Alkoholspektrumsstörungen" von Gela Becker, Klaus Hennicke und Michael Klein ist im Verlag De Gruyter erschienen und unter der ISBN-Nummer 978-3-11-042511-6 erhältlich.