Dauerkonflikt eskaliert

Freiburgs Doping-Aufklärer zurückgetreten

Seit Jahren arbeitet die "Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin" an der Aufarbeitung systematischen Dopings durch Sportärzte der dortigen Uni. Ständig gab es Konflikte zwischen dem Gremium und der Hochschule. Jetzt kam es zum Rücktritt.

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FREIBURG. Die Freiburger Doping-Kommission hat sich als Konsequenz aus den permanenten Konflikten und Differenzen mit Uni-Rektor Hans-Jochen Schiewer aufgelöst.

Am Dienstagnachmittag gaben fünf Mitglieder dieses Gremiums ihren Rücktritt schriftlich bekannt.

"Schwierige Entscheidung"

"Es ist für uns eine schwierige Entscheidung und wir bedauern sehr, die Arbeit so kurz vor ihrem Abschluss abbrechen zu müssen. Aber wir können im Sinne einer wahrhaftigen Aufklärung keine Kompromisse eingehen", begründete der stellvertretende Vorsitzende Hellmut Mahler das endgültige Aus für die Evaluierungskommission.

Schiewer wies die Kritik umgehend in einer Presseerklärung der Albert-Ludwigs-Universität zurück. Den Rücktritt von fünf der sechs Kommissionsmitglieder bezeichnete der Rektor als "unbegründet und verantwortungslos". Nur die Kommissionsvorsitzende Letizia Paoli schloss sich ihren fünf Kollegen nicht an.

Zuspitzung seit Wochen

Der Dauerkonflikt zwischen der "Unabhängigen Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin" und der Hochschule hatte sich in den letzten Wochen weiter zugespitzt. Die gegenseitigen Vorwürfe und Anschuldigungen gipfelten in zwei Ultimaten.

Das Gremium hatte von Schiewer verlangt, bis Mitternacht seine Forderungen zu anerkennen. Der Uni-Rektor reagierte darauf mit der Aufforderung, die sechs Mitglieder sollten bis "spätestens" Dienstag, 14.00 Uhr, mitteilen, ob sie zurücktreten oder sein Gesprächsangebot annehmen wollten.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Nun ist der endgültige Bruch mit gegenseitigen Schuldzuweisungen perfekt. Die fünf Zurückgetretenen, darunter auch die beiden prominenten deutschen Anti-Doping-Experten Fritz Sörgel und Perikles Simon, warfen der Uni Freiburg als Auftraggeberin und damit Schiewer vor, die bei der Einsetzung 2007 garantierte Unabhängigkeit nicht mehr gewährleistet zu haben.

Er habe auch die aktuelle Fassung der Geschäftsordnung der Kommission nicht anerkannt.

Uni verteidigt sich

Schiewer konterte, die wissenschaftliche und inhaltliche Unabhängigkeit der Evaluierungskommission sei zu keinem Zeitpunkt eingeschränkt oder gar infrage gestellt gewesen. Er forderte das Gremium auf, seine bisherigen Erkenntnisse und Ergebnisse zur Verfügung zu stellen.

"Es wäre verantwortungslos gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber dem Auftraggeber, die bis jetzt erstellten Unterlagen der Kommission zurückzuhalten oder gar zu vernichten, da sie Grundlage für die von der Universität weiter angestrebte volle Aufklärung der Geschichte der Freiburger Sportmedizin sind", sagte Schiewer. "Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf."

Die Kommissionsmitglieder versicherten ihrerseits, ihre Aufklärungsarbeit fortzusetzen. "Alle Kommissionsmitglieder fühlen sich der Aufklärung von Dopingvorgängen und wissenschaftlichem Fehlverhalten in der Sportmedizin auch weiterhin verpflichtet", heißt es in der Stellungnahme.

Nun in Eigenregie

"Im Rahmen ihrer jeweiligen wissenschaftlichen Tätigkeit werden sie weiter dazu beitragen, dass die Dopingaufklärung in Deutschland und darüber hinaus fortgeführt wird."

Die Uni Freiburg will ihre düstere Dopingvergangenheit im Bereich Sportmedizin nun in Eigenregie analysieren.

"Freiburg war westdeutsches Dopingzentrum"

Die Aufklärungsarbeit werde durch eine Forschungsstelle zum Thema Doping und Sportmedizin fortgeführt, kündigte die Hochschule an. Diese werde im März als zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität geschaffen und von einem externen wissenschaftlichen Beirat unterstützt.

"Die wissenschaftliche Aufklärungsarbeit muss weitergehen", betonte Schiewer.

Die Evaluierungskommission war 2007 gegründet worden. Sie untersuchte die Vergangenheit der Freiburger Sportmedizin um die stark umstrittenen Professoren Joseph Keul und Armin Klümper.

Paoli sagte: "Freiburg war zweifellos das westdeutsche Doping-Zentrum." So sollen Sportärzte dort unter anderem die Radprofis des früheren Teams Telekom/T-Mobile über Jahre systematisch gedopt haben. (dpa)

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Kommentare
Dr. Erich Blöchinger 02.03.201612:36 Uhr

Wieder einmal wird der Bock zum Gärtner gemacht

Ich habe wieder mal den Eindruck, dass eine wirklich korrekte Aufarbeitung von gewissen Machenschaften in Deutschland nicht gelingen werde. Die Uni Freiburg will ihre düstere Dopingvergangenheit im Bereich Sportmedizin nun in Eigenregie analysieren. Hört sich toll an.
Die beschuldigte Uni soll sich also selbst kontrollieren. Das hört sich ganz nach FIFA an. Ich glaube nicht, dass das funktioniert. Da muss eine ganz andere Philosophie her und "Köpfe rollen". ich glaube nicht, dass das im Land der Sozialromantiker passieren wird. In Deutschland bekommen wir zawr immer mehr Gesetze, Verordnungen (Beispiel Antikorruptionsgesetz). Die Bösen werden aber gar nicht bzw. nicht wirklich verfogt, die Korrekten aber mit überboardender Bürokratie überschüttet.

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