Porträt von Philip Lübke
Für den Handball muss die Praxis ruhen
Großwallstadt, Bratislava und vielleicht noch Budapest: Der Orthopäde Philip Lübke aus Kiel hat im Januar besondere Pläne. Er ist neuer Mannschaftsarzt der Handball-Nationalmannschaft der Männer.
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Dr. Philip Lübke ist neuer Mannschaftsarzt der Handball-Nationalmannschaft der Herren. Im Januar startet er mit ihr in die Europameisterschaft. Dirk Schnack
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Kiel. Das neue Jahr beginnt für Dr. Philip Lübke mit Koffer packen: Großwallstadt, Bratislava und im besten Fall auch noch Budapest wird Lübke im Januar zu sehen bekommen. In seiner Praxis in Kiel wird der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie im ersten Monat des Jahres dagegen kaum präsent sein – Lübke ist neuer Mannschaftsarzt der Handball-Nationalmannschaft der Herren.
Am 2. Januar startet die Auswahl in Großwallstadt mit der Vorbereitung für die Europameisterschaft in der Slowakei und in Ungarn. Ab 13. Januar wird erstmals gespielt, das Endspiel in der ungarischen Hauptstadt ist für den 30. terminiert. Es ist das erste große Turnier für Lübke als Teamarzt, der seit November Arzt der Nationalmannschaft ist.
Verletzungsträchtiger Sport?
Der Kieler freut sich auf den Einsatz, weil er die Sportart liebt, die manchen Menschen zu verletzungsträchtig gilt. „Handball ist ein athletischer und körperbetonter Sport, in dem mit harten Bandagen gekämpft wird. Aber ich bin sicher, dass im Handball nie jemand die Absicht hat, andere ernsthaft zu verletzen“, sagt Lübke, der Handballer wie eine große Familie wahrnimmt.
Zur ohnehin hohen körperlichen Belastung kommt bei Spitzenhandballern noch die große Zahl an Spielen hinzu. In der Nationalmannschaft kommen Spieler aus Vereinen auf europäischem Top-Niveau schon mal auf 80 Einsätze im Jahr. „Die Spieler haben im Prinzip keine Pause. Damit bekommen Pflege und Regeneration einen immer höheren Stellenwert“, sagt Lübke, der außerdem beobachtet, wie sich Training und Betreuung im Handball in den vergangenen Jahren immer weiter professionalisiert haben. Ein Hinweis darauf ist die Interaktion zwischen Trainern, Ärzten, Physiotherapeuten, Osteopathen und den Verantwortlichen für die Ernährung.
Aktive Rolle im Therapieprogramm
Ein anderer ist die heute selbstverständliche Compliance bei Spitzensportlern. „Handballer auf diesem Niveau haben verstanden, dass sie einen hohen Eigenanteil zum Behandlungserfolg erbringen müssen. Ohne eigenes Zutun gibt es keinen Behandlungserfolg“, sagt Lübke. Er wünscht sich, dass dies auch mehr von den Menschen verinnerlicht wird, die sportlich nicht aktiv sind. „Patienten sollten eine aktive Rolle im Therapieprogramm stärker annehmen.“
In seine Praxis übertragen hat Lübke auch den Teamgedanken. Von den im Spitzensport entstandenen Strategien für den Behandlungserfolg, von dem geknüpften Netzwerk und den aus der Zusammenarbeit gewonnenen Erkenntnissen profitieren früher oder später alle Patienten.
Lübke selbst hat bis zur ältesten Jugendklasse Handball gespielt und alle Jahre Spitzenhandball als Zuschauer verfolgt. Im Beruf – zunächst als angestellter Arzt im Kieler Lubinus Clinicum, danach als niedergelassener Partner der großen überbetrieblichen Berufsausübungsgemeinschaft „Mare Med“ – zog die Sportart ihn immer wieder an.
Netzwerken enlastet den Arzt
Lübke zählt zum ärztlichen Team des Deutschen Meisters THW Kiel und betreut außerdem noch einen Zweit-, einen Dritt-, und einen Oberligisten in der Kieler Region. Dies alles bekommt er neben einer ausgelasteten Praxis unter einen Hut, weil er nicht bei jedem Team am Spielfeldrand steht, sondern seine Praxis Anlaufpunkt für Behandlungen ist. Lübke steuert von dort die Betreuung und aktiviert sein Netzwerk – immer wieder betont er dabei die Bedeutung der Physiotherapeuten.
Für Lübke ist und bleibt zwar Handball eine Herzensangelegenheit, er hat aber generell Hochachtung vor allen Sportlern, die er als hoch motiviert empfindet und denen er in aller Regel hohe Compliance bescheinigt – zum Teil unabhängig vom Leistungsniveau, auf dem gespielt wird.
Bei so viel Herzblut tun Verletzungen der von ihm betreuten Sportler besonders weh. Besonders schlimm ist es nach Kreuzbandrissen. Dann läuft in Lübkes Kopf ein Parallelprogramm ab: Er fragt sich, was die Verletzung für den Spieler persönlich und für sein Team und den Verein bedeutet, muss zugleich das erforderliche medizinische Programm einleiten und er leidet mit: „Ich kenne den Schmerz und weiß, wie sich das anfühlt.“ Und er kennt die manchmal unausweichliche Konsequenz: Er selbst musste den aktiven Handball in der ältesten Jugendklasse nach einem Kreuzbandriss aufgeben.