Herztabletten können Bombenalarm auslösen

Wenn Flugreisende mit Laptop, Föhn oder Handy die Sicherheitskontrolle am Flughafen passieren wollen, kann es ihnen passieren, dass sie völlig zu Unrecht unter Bombenleger-Verdacht geraten.

Von Eckhard Stengel Veröffentlicht:
Bei der Kontrolle von Handgepäck am Flughafen kann es unliebsame Überraschungen geben. © Imago

Bei der Kontrolle von Handgepäck am Flughafen kann es unliebsame Überraschungen geben. © Imago

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BREMEN. Sogar Herzmedikamente können irrtümlichen Alarm auslösen. Denn immer wieder schlagen die hoch empfindlichen Spürgeräte an, obwohl im Bordgepäck kein Sprengstoff versteckt wurde.

So erging es zum Beispiel 2009 zwei Frauen aus Bremen. Eine 51-Jährige und ihre 81-jährige Mutter, die zu einer Safari nach Afrika fliegen wollten, wurden beim Umsteigen in Frankfurt am Main festgehalten, weil ihr Föhn irrtümlich Sprengstoffalarm ausgelöst hatte. Die beiden verpassten dadurch ihren Flug, kehrten enttäuscht nach Bremen zurück und blieben fast allein auf den Reisekosten von über 4000 Euro sitzen: Der Veranstalter erließ ihnen lediglich zehn Prozent, während Bundespolizei und Föhnhersteller überhaupt nichts zahlen wollten.

Die Bremerinnen waren Opfer eines besonders empfindlichen Sprengstoff-Erkennungssystems namens Egis. Nach Angaben der Herstellerfirma Thermo Fisher Scientific werden diese Geräte auf allen deutschen Flughäfen mit Auslandsverbindungen eingesetzt. Die Kontrolleure entnehmen mit einem Einwegtuch oder einer Art Handstaubsauger Partikel von der Oberfläche des Föhns, Rasierers oder Laptops und stecken die Proben anschließend in das Egis-Gerät. Dort erspüren sogenannte Gas-Chromatographen innerhalb einer Viertelminute, ob die Proben chemische Stoffe enthalten, die auch für die Sprengmittelherstellung verwendet werden können.

Das Problem dabei: Die womöglich aufgespürten Stoffe müssen nicht unbedingt auf eine Bombe hinweisen, sondern können auch genauso gut in harmlosen Produkten stecken - etwa in Kunststoffen oder sogar in Herzmedikamenten, wie ein Sprecher der Herstellerfirma des Systems im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" erläuterte.

Betroffen sind Arzneien, die das gefäßerweiternde Nitroglycerin enthalten und etwa gegen Angina pectoris eingesetzt werden. Beim Einnehmen gelangen meist Spuren davon an die Finger. Wenn der Patient dann seinen Laptop oder sein Handy berührt, überträgt er damit die Nitroglycerin-Partikel auf das Gerät, und am Flughafen schlägt das Prüfsystem Alarm.

Da die Herzmedikamente nur wenig Nitroglycerin enthalten, können sie nach Angaben des Firmensprechers auch in riesigen Mengen nicht als Sprengstoff verwendet werden. "Herzkapseln explodieren nicht." Aber die Konzentration reiche aus, um die Spürgeräte anschlagen zu lassen.

Wie oft es zu irrtümlichen Alarmen kommt, ist dem Sprecher nicht bekannt. Er nennt diese Vorfälle auch nicht "Fehlalarme", denn das Gerät habe ja korrekt die zu suchenden Elemente aufgespürt. Ob es sich wirklich um Sprengstoff handele, müsse dann noch in einem "Routineablauf" weiter überprüft werden - am Ende notfalls mit Spürhunden.

Der Firmensprecher, der nicht namentlich genannt werden möchte, räumt ein, dass das Egis-System "sehr sehr schnell sehr früh reagiert": "Das sind die empfindlichsten und genauesten Geräte, die es auf dem Weltmarkt gibt". Sie messen Stoffe im Billionstel-Gramm-Bereich.

Natürlich könnte Egis auch weniger sensibel eingestellt werden - "aber dann", meint der Sprecher, "ist das Geschrei groß, wenn dadurch irgendeiner durchschlüpft".

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