Albtraum Ebola

Jetzt droht eine Hungerkatastrophe

Tausende Menschen sind schon in Folge einer Ebola-Infektion gestorben. Jetzt droht in den betroffenen westafrikanischen Ländern auch noch eine Hungersnot.

Von Carola Frentzen Veröffentlicht:
In Monrovia warten im Oktober Tausende auf die Verteilung von Hilfsgütern duch Unicef. Den betroffenen Ländern in Westafrika droht durch Ebola möglicherweise noch eine viel schlimmere Hungerkatastrophe.

In Monrovia warten im Oktober Tausende auf die Verteilung von Hilfsgütern duch Unicef. Den betroffenen Ländern in Westafrika droht durch Ebola möglicherweise noch eine viel schlimmere Hungerkatastrophe.

© Mohammed Elshamy / Anadolu Agency / dpa

MONROVIA/FREETOWN. In Westafrika ist 2014 einer der größten Albträume der Menschheit wahr geworden.

Ein gefährliches Virus, gegen das es weder eine zugelassene Impfung noch ein Medikament auf dem Markt gibt, hat sich den Weg von Guinea in die Nachbarländer Liberia und Sierra Leone gebahnt.

Die Szenen schienen einem Hollywood-Drama entsprungen - und reichten vom plötzlichen Auftauchen ausländischer Helfer in futuristischen Schutzanzügen über notdürftig improvisierte Quarantänestationen bis hin zu Massenfluchten panischer Patienten, die bisher nur die Kräutertranks traditioneller Heiler kannten.

Forscher nehmen rückblickend an, dass ein kleiner Junge in Guinea das erste Opfer der Ebola-Epidemie in Westafrika gewesen sein könnte. Er starb Ende Dezember 2013. Erst im vergangenen März wurde die Epidemie öffentlich bekannt.

Tod, Trauer, Verzweiflung

Da die Krankheit zunächst in abgelegenen Regionen auftrat, weit weg von Europa und Amerika, wurde sie maßlos unterschätzt. Die Folge: Als die Weltgemeinschaft aufwachte, war es schon zu spät, um den unsichtbaren Gegner unter Kontrolle zu bringen.

Und so stürzt er immer mehr Familien in Trauer und Verzweiflung. Tausende Männer, Frauen und Kinder sind schon qualvoll gestorben.

"Ein früheres Eingreifen wäre nötig und möglich gewesen", sagt Frank Dörner, der medizinische Koordinator von "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) in Sierra Leone.

"Und damit meine ich nicht nur die Bereitstellung von Geldern, sondern vor allem die Entsendung von geeignetem Personal, das in der Lage gewesen wäre, die Patienten zu behandeln und weitere Ansteckungen zu verhindern."

Aber sich über die Verfehlungen der Vergangenheit zu beklagen, sei müßig, so der Experte: "Die Situation bleibt besorgniserregend." Es werde noch immer zu viel geredet und zu wenig getan, warnt er. "Pläne, die nur auf dem Papier existieren, helfen einem Infizierten nicht - ebenso wenig wie ineffektive Sitzungen.

Die Auswirkungen des Virus sind mittlerweile überall zu spüren, nicht nur in den Krankenstationen.

"Die Ebola-Epidemie schadet bereits sehr der Landwirtschaft, dem Handel und den Märkten. In Sierra Leone sind lokale Märkte sogar verboten worden wegen der Ansteckungsgefahr", erklärt der Leiter des Berliner Büros des Welternährungsprogramms (WFP), Ralf Südhoff.

Volkswirtschaften liegen brach

Durch die brachliegenden Volkswirtschaften seien zudem die Einkommen vieler Menschen eingebrochen. "Wir müssen daher davon ausgehen, dass bereits 1,7 Millionen Menschen in den drei Ländern vom Hunger bedroht sind."

Wenn die Seuche jetzt nicht eingedämmt werde, dann sei zudem die nächste Ernte bedroht. Selbst die optimistischsten Schätzungen des WFP gehen derzeit von mindestens 2,3 Millionen vom Hunger bedrohten Menschen bis Januar aus - womöglich sogar drei Millionen.

 Auch die UN-Wirtschaftskommission für Afrika (UNECA) befasste sich in einem Bericht mit den weitreichenden Folgen der Epidemie: Negativ habe sich die Seuche unter anderem auf das Erziehungswesen ausgewirkt, da viele Schulen geschlossen wurden, sowie auf die Arbeitslosenquoten und die Nahrungsmittelsicherheit.

Die Epidemie schadet Liberia, Sierra Leone und Guinea nach Angaben der Weltbank wirtschaftlich mehr als bislang angenommen. Insgesamt betrage der Schaden in diesem und im kommenden Jahr rund zwei Milliarden Dollar (1,61 Milliarden Euro).

Wichtig sei es jetzt, die Gesundheitssysteme in Westafrika zu stärken, betont Katherine Mueller, die Sprecherin des Roten Kreuzes in Afrika. "Auf lange Sicht sind massive Investitionen in diese Systeme nötig, denn sie waren schon vor dem Ebola-Ausbruch schwach und sind nun völlig kollabiert."

So gebe es kaum noch Mittel und Möglichkeiten, andere Krankheiten wie Malaria, Cholera oder Knochenbrüche zu behandeln. "Momentan könnte es gut sein, dass in den drei Ländern mehr Menschen an anderen Krankheiten sterben als an Ebola", erklärt Mueller.

So hat die Seuche auch die Malaria-Bekämpfung in Westafrika stark beeinträchtigt, wie WHO-Generaldirektorin Margaret Chan berichtet. Dort wollen Experten nun mit Massenmedikation einem Anstieg der Malaria-Todesfälle entgegenwirken. (dpa)

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