Kein Sex? Dann besaufen sich Fliegen-Männchen

Frusttrinker gibt es nicht nur beim Menschen - auch Fliegen stürzen sich, vom Leben enttäuscht, gern auf Alkohol. Ob die Mechanismen im Hirn sich gleichen, sei aber noch nicht hinlänglich untersucht, erklären Forscher.

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Werden ihre Sexwünsche nicht erfüllt, suchen Männchen der Fruchtfliege Trost im Alkohol.

Werden ihre Sexwünsche nicht erfüllt, suchen Männchen der Fruchtfliege Trost im Alkohol.

© Schuller Sorin / panthermedia

WASHINGTON (dpa). Wenn männliche Fruchtfliegen keinen Sex bekommen, suchen sie Trost im Alkohol. Sexuell zufriedene Fliegen-Männchen trinken deutlich weniger, schreiben US-Forscher (Pressemitteilung Science; Abstract: Science 2012, 335(6074):1351-1355 ).

Sex aktiviert Belohnungszentrum - genau wie Alkohol auch

Sex aktiviere genau wie Alkohol ein Belohnungszentrum im Gehirn. Möglicherweise könne die Untersuchung dazu beitragen, Suchtverhalten beim Menschen besser zu erklären und zu behandeln.

Die Forscher um Dr. Galit Shohat-Ophir von der Universität in San Francisco hatten im Labor männliche Fruchtfliegen mit weiblichen zusammengebracht, die sich zuvor bereits gepaart hatten.

Die Weibchen hatten folglich kein Interesse mehr an Sex und wiesen die Männchen zurück.

Ließen die Wissenschaftler den frustrierten Fliegen-Männchen anschließend die Wahl zwischen normalem und Ethanol-haltigem Futter, stürzten sie sich auf den Alkohol.

Die Forscher fanden auch eine Erklärung für das Verhalten: Sex und Alkohol veränderten den Gehalt eines kleinen Moleküls im Gehirn der Fliegen, berichten sie. Nach Sex werde mehr von dem Neuropeptid F genannten Molekül gebildet. In der Folge lasse das Verlangen nach Alkohol nach. Bei zurückgewiesenen Fliegen-Männchen hingegen sei das Neuropeptid F-Level sehr niedrig. Die Fliegen erhöhten ihn durch den Verzehr von Alkohol.

Neuropeptid F beeinflusst Alkoholkonsum

In verschiedenen Experimenten belegten die Forscher diese Annahme. Sie zeigten, dass sie das Trinkverhalten der Fliegen beeinflussen konnten, indem sie den Neuropeptid F-Gehalt im Gehirn gezielt veränderten. Beim Menschen gebe es ein ganz ähnliches Molekül, das Neuropeptid Y, heißt es in einer Pressemitteilung der Universität von Kalifornien.

Es sei bekannt, dass Menschen mit einer Depression oder einer posttraumatischen Belastungsstörung - also mit Erkrankungen, die häufiger mit Alkohol- und Drogenmissbrauch einhergehen - geringe Neuropeptid Y-Level besitzen.

Durchaus verführerisch, das Fliegenverhalten auf Menschen zu übertragen

Es sei verführerisch, das bei den Fliegen beobachtete Verhalten auf den Menschen zu übertragen, schreibt Dr. Troy Zars von der Universität in Columbia im US-Staat Missouri in einem Kommentar (Science 2012; 335(6074):1309-1310). Ein solcher Zusammenhang sei aber noch nicht erwiesen.

Die Entdeckung des Neuropeptid-Systems lasse aber hoffen, die molekularen und genetischen Grundlagen von Belohnung sowie den Einfluss auf Missbrauchsverhalten künftig besser zu verstehen.

Fliegen-Larven bekämpfen Parasiten mit Alkohol - und zwar von innen

Erst kürzlich hatten Forscher die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, der zufolge mit tödlichen Parasiten belastete Fruchtfliegen-Larven gezielt alkoholische Nahrung fressen, um ihre inneren Schmarotzer zu bekämpfen.

Fruchtfliegen vertragen bis zu vier Volumenprozent Alkohol

Fruchtfliegen (Drosophila malanogaster) ernähren sich unter anderem von reifem Obst, das vielfach bereits in Gärung übergeht und daher Alkohol enthält. Erst bei einem Gehalt von mehr als vier Volumenprozent schadet der berauschende Stoff den Insekten, die sich im Laufe ihrer Evolution eine gewisse Alkohol-Toleranz zugelegt haben.

Die Larven der Fliegen sind attraktive Ziele für Schlupfwespen, die ihre Eier in ihnen ablegen, erklärt die Gruppe um Dr. Todd Schlenke von der Emory Universität in Atlanta (Current Biology 2012, online 16. Februar). Die geschlüpften Nachkommen fressen die Larven von innen heraus auf.

Infizierte Larven bevorzugten bei den Versuchen eindeutig Nahrung mit Alkohol: Sie fanden sich in etwa 80 Prozent der Fälle im alkoholischen Bereich der Futterschale. Nicht infizierte Larven suchten diese Speise nur zu etwa 40 Prozent auf.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 16.03.201218:40 Uhr

"Menschelt" es wirklich so sehr beim Fliegen-Geschlechtsverkehr?

"Fliegen, vom Leben enttäuscht" werden zu "Frusttrinkern". Sexuell abstinent und eher "Trost im Alkohol" suchend, sind männliche Vertreter der Gattung "Drosophila melanogaster" (Fruchtfliegen) alkoholabstinenter dagegen bei "sexueller Zufriedenheit". Im Durchschnitt tranken (sexuell) zurückgewiesene Männchen vier mal mehr Alkohol, als diejenigen, die sich paaren konnten ("On average, the rejected males drank four times more alcohol than the mated ones").

Doch hängt der Mensch mit seinem Verhalten ebenso am Fliegenfänger? Da ist Skepsis angesagt, auch wenn die Medien nicht nur hier in Österreich begierig Parallelen zu menschlichem Sexual-, Alkoholkonsum- und Suchtverhalten ziehen wollten. Im Gegensatz zu Fruchtfliegen (von den grünschillernden Schmeißfliegen ist hier nicht die Rede) ist das allgemeine Ernährungsverhalten des Menschen durchaus differenzierter. Und Alkoholkonsum wirkt häufig eher enthemmend bis permittierend, wenn es um sexuelle Kontakte und Beziehungsaufnahme geht. Viel spannender sind dagegen mögliche Effekte und therapeutische Einflussnahmen auf das Neuropeptid-System des Insekten- oder Menschenhirns.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM (z. Zt. Mauterndorf/A)

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