Militärische Forschung

Mit Biotechnologie zum Super-Soldaten?

Wird der Soldat der Zukunft pharmazeutisch auf Höchstleistung eingestellt und mit Implantaten ausgerüstet? Militärwissenschaftler erforschen, was möglich ist – und fordern internationale Regeln für die Begrenzung des Machbaren.

Von Carsten Hoffmann Veröffentlicht:
Flottillenarzt Dr. Christian Haggenmiller warnt vor einem möglicherweise ungehemmten Einsatz von Biotechnologie für die Leistungssteigerung künftiger Soldaten.

Flottillenarzt Dr. Christian Haggenmiller warnt vor einem möglicherweise ungehemmten Einsatz von Biotechnologie für die Leistungssteigerung künftiger Soldaten.

© Lene.Bartel/FüAkBw/dpa

Berlin. Deutsche Militärwissenschaftler warnen vor einem möglicherweise ungehemmten Einsatz von Biotechnologie für die Leistungssteigerung künftiger Soldaten.

Es sei deswegen nötig, die Anwendung neuer Technologien besser zu beobachten und international zu regeln, erklärt Flottillenarzt Dr. Christian Haggenmiller, Forscher der Bundeswehr-Denkfabrik GIDS (German Institute for Defence and Strategic Studies).

Haggenmiller leitet eine Arbeitsgruppe in einem militärischen Forschungsverbund (Multinational Capability Development Campaign/MCDC), in dem Nato, EU und 22 Staaten Chancen und Risiken ausloten. Der Mediziner befasst sich mit leistungssteigernden und -mindernden Anwendungen am Menschen.

Es geht um den Einsatz von Biosensoren, Implantaten, Roboteranzügen zur Unterstützung des menschlichen Bewegungsapparates und Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine.

Künstliche Fähigkeiten

Die neuen Methoden gehen über „Optimierung“ durch Sport und Training hinaus und führen in das Feld künstlicher Fähigkeiten („Enhancement“). Da auch lange bekannte Technik wie Ferngläser und Druckluftflaschen für Taucher zu dieser Gruppe zählen können, stellen sich neue Definitionsfragen.

Politisch brisant auch: Technologien, die die Kampfkraft des Gegners mindern („Degradation“). Dies ist beispielsweise möglich durch gezielte Bestrahlung mit Ultraschall oder Mikrowellen. Möglich sind zudem Manipulationen und das Abfangen von Daten, wie sie Biosensoren oder Fitnessuhren erzeugen.

„Ohne dass ich meiner Arbeitsgruppe beim MCDC vorweggreifen möchte: Ich empfehle dringend die Schaffung eines multinationalen, interdisziplinären Zentrums zur Beobachtung und Bewertung potenzieller Gefahren“, so Haggenmiller. „Das enorme Feld der Biotechnologie wird unsere Gesellschaften massiv beeinflussen und ein wesentliches Element künftiger Kriege sein.“

Leistungssteigernde Mittel nicht überall verboten

Ein Vorgeschmack gibt es schon jetzt in der Zusammenarbeit von Streitkräften. „Da kann es vorkommen, dass einige Nationen ganz legal, auf Basis ihrer nationalen Gesetze, leistungssteigernde Mittel oder Geräte verwenden, die bei anderen verboten sind“, erklärte Haggenmiller.

Ein Beispiel: „Wenn die einen aufgrund von Medikamenten eine Woche lang durchkämpfen können, während die anderen diese Substanzen nicht nehmen dürfen und am fünften Tag nicht mehr imstande sind, Feuerschutz zu geben, entsteht offenkundig ein Ungleichgewicht. Vermeiden wollen wir das durch länderübergreifend akzeptierte medizinische und ethische Standards.“

Kein Doping in der Bundeswehr

Bei der Bundeswehr ist leistungssteigernde Einsatz von Medikamenten verboten. In der Erprobung sind sogenannte Exoskelette. Es handelt sich um Maschinen, die man sich anziehen kann und die beim Heben und Tragen schwerer Lasten helfen.

Haggenmiller geht davon aus, dass andere Nationen schon wesentlich mehr Geld in diese Projekte stecken bis hin zu „Degradation“. „Andere Nationen haben eben weniger Scheu vor manchen Entwicklungen, ein anderes ethisches und juristisches Verständnis“, so der Forscher.

Leichtere Verfügbarkeit von BioTech

Ein ernstes Problem entstehe, wenn in relativ naher Zukunft Biotechnologie leichter handhabbar werde. Kriminelle oder terroristische Organisationen könnten dann, womöglich unterstützt von Staaten, in den Besitz von Biowaffen gelangen, indem sie Viren, Bakterien oder Sporen modifizieren. „Solche Szenarien müssen wir denken. Wir müssen Regeln und Instanzen schaffen, bevor Gestalt annimmt, was gestern noch Fiktion war.“

Haggenmiller betrachtet die Forschung als Beitrag zur Sicherheitsvorsorge. „Ich analysiere, sensibilisiere und stelle die extrem dynamischen, teils brisanten Entwicklungen zur Diskussion, heiße sie aber nicht gut. Weder als Wissenschaftler noch als Staatsbürger in Uniform.“ Und: „Für mich ist immens wichtig, dass wir das Vordringen in Grauzonen und darüber hinaus verhindern. Dazu brauchen wir in Deutschland und international eine öffentliche Debatte.“ (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025