Rechtsphilosophie

Montgomery kritisiert „kleine Richterlein“, die 2G-Regeln kippen

Die Gewaltenteilung macht auch vor einer Pandemie nicht halt: Gerichte kippen Regeln der Gesetzgeber. Der vormalige BÄK-Präsident schüttelt über manche Entscheidung den Kopf.

Veröffentlicht:
Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery (Vorstandsvorsitzender des Weltaerztebundes) in der ARD-Talkshow ANNE WILL am 20.09.2020 in Berlin. Thema der Sendung: Ein halbes Jahr Corona-Krise ? geht Deutschland mit der richtigen Strategie in den Herbst?

Oft gesehener Talkshow-Gast: Frank Ulrich Montgomery, hier bei Anne Will im September 2020.

© Eventpress Stauffenberg / picture alliance

Berlin. Professor Frank Ulrich Montgomery hat Urteile gegen 2G-Regelungen im Einzelhandel kritisiert. „Ich stoße mich daran, dass kleine Richterlein sich hinstellen und wie gerade in Niedersachsen 2G im Einzelhandel kippen, weil sie es nicht für verhältnismäßig halten“, sagte er der „Welt“.

Der einstige BÄK-Präsident Montgomery ist Ratsvorsitzender des Weltärztebundes WMA (World Medical Association). Mitte Dezember hatte der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts die 2G-Regel im niedersächsischen Einzelhandel vorläufig außer Vollzug gesetzt. Die Regelung sei unter anderem nicht mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar, so die Begründung.

„Da maßt sich ein Gericht an, etwas, das sich wissenschaftliche und politische Gremien mühsam abgerungen haben, mit Verweis auf die Verhältnismäßigkeit zu verwerfen“, monierte Montgomery die Entscheidung im Interview mit der „Welt“.

„Da habe ich große Probleme.“ Und weiter: „Ich halte diese Regeln, die in endlos langen wissenschaftlichen und politischen Prozessen entwickelt werden, für tiefergehender als ein Gerichtsurteil, das im Eilverfahren entschieden wird.“ (nös)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 31.12.202110:13 Uhr

Oh, wenn er doch geschwiegen hätte...

Der Ex-BÄK-Präsident Prof. h.c. (HH) Dr. med. Frank Ulrich Montgomery ist aktuell Ratsvorsitzender des Weltärztebundes WMA (World Medical Association).

Mitte Dezember hatte der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts Hannover die 2G-Regel im niedersächsischen Einzelhandel vorläufig außer Vollzug gesetzt. Die Regelung sei unter anderem nicht mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar, so die Begründung.

Obwohl auch dem Kollegen Montgomery bekannt sein müsste, dass das Bundesland Niedersachsen eine der niedrigsten Corona-Inzidenzen in ganz Deutschland aufweist, fühlte er sich unreflektiert bemüßigt zu kritisieren: „Ich stoße mich daran, dass kleine Richterlein sich hinstellen und wie gerade in Niedersachsen 2G im Einzelhandel kippen, weil sie es nicht für verhältnismäßig halten“.

Oh wenn er doch geschwiegen hätte, wäre er wenigstens ein Philosoph geblieben - "sic tacuisses, philosophus mansisses"

Mf+kG, Ihr Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Olrik Popiolek 29.12.202114:12 Uhr

Es geht doch vorwiegend insbesondere um die völlig danebenliegende Wortwahl des Autors. Diese Aussage ist absolut unsachlich und degradiert die Mitglieder des zuständigen Senates des OVG Münster. Und das war ganz offensichtlich auch die gezielte Absicht des Herrn Montgomery, da hier offensichtlich sachliche Argumente nicht mehr zur Verfügung standen. Und diejenigen, die diese populistische Aussage hier unkritisch unterstützen bzw. auch noch alle Juristen aufgrund der o.g. Entscheidung in einen Topf werfen, bewegen sich auf dem gleichen unteren Niveau. Nichts gegen sachliche Kritik. Jeder sollte in der Lage sein, sachlich höchstrichterliche Entscheidung sachlich und öffentlich kritisieren zu dürften. Davon lebt ja die Diskussion. Aber mit unsachlichen, diffamierenden Entgleisungen bringt man den offenen Diskurs zum Erliegen und man spielt allenfalls den Impfgegnern in die Hände. Dort reibt man sich die Hände.

Dr. Helmut Müller 29.12.202110:37 Uhr

Wer über "elementare Grundrechte" schwadroniert, sollte sich mal Artikel 2 des Grundgesetzes ansehen, welcher da lautet: "Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt". Impfgegener und -verweigerer verstoßen in der Pandemie permanent gegen die Rechte anderer. Insofern stehen auch die behördlichen Anordnungen einer 2G-Zugangsbeschränkung voll im Umfeld dieser verfassungsmäßigen Ordnung, denn sie sind sowohl durch Expertenrat belegt als auch sinnvoll zum Schutze der "Anderen". Diese Regelungen durch eine juristische Spitzfindigkeit zu kippen ist durchaus kritikwürdig. Und diese Kritik sollte die Demokratie respektive die Justiz ebenso aushalten wie die Meinungen von Minderheiten. Insofern ist Montgomery, der gern mal überzeichnet, im Kern unverändert zuzustimmen.

Dr. Michael Pfeifer antwortete am 30.12.202114:42 Uhr

Sehr geehrter Herr Dr. Müller,

der von Ihnen allein bemühten freien Entfaltung der Persönlichkeit stehen die Grundrechte sowohl auf körperliche Unversehrtheit und auf Leben als auch die Berufs- und meines Dafürhaltens nach sogar die Gewissensfreiheit gegenüber, das sind völlig unterschiedliche Grundrechte und wiederum durch in ihrer Intensität unterschiedlichen Eingriffskautelen unterworfene verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter; das hat mit juristischen Spitzfindigkeiten nun rein gar nichts zu tun, das sind grundrechtsbereichsdogmatische und jeweils für sich zu bewertende Fakten....

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Michael Pfeifer 27.12.202118:39 Uhr

Bezeichnend und mit Demoktratiefeindlichkeit kaum zu überbieten, wie Herr Professor Montgomery meint, die Mehrheit aller nach seinem Weltbild gut und gerecht Denkenden dürfe so mir nichts, Dir nichts in elementare Grundrechte anderer respektive sich anders entscheidender Menschen eingreifen, unter Außerachtlassung jeder Verhältnismäßigkeit und im rationalen Diskurs erst zu erarbeitender Erkenntnisse; immerhin stehen hier die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und die Gewissensfreiheit dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gegenüber; es hat sich eine Gesellschaft von Egozentrikern etabliert, die meint, ihre Reisefreiheit habe apodiktische unantastare Geltung und Vorrang.... ich frage mich wirklich, was die für grundrechtliche Freiheit kämpfende Generation der 68er hierzu gesagt haben würde, wenn man ohne mit der Wimper zu zucken andere dazu bestimmt, Eingriffe in ihre Freiheiten erleiden zu müssen, obwohl es verhältnismäßigere Mittel gibt; immerhin sind die Werte des Grundgesetzes keine amorphen, frei schwebenden Parameter - wozu sie aber wohl schon degradiert zu sein scheinen -, sondern stehen sich auch in einer objektiven Werteordnung gegenüber. Vielleicht macht man sich wirklich mal Gedanken, ob man zum rationalen Diskurs zurückkehrt und auch Minderheiten respektiert, die nicht Mainstream sind.... eine Bundesverfassungsgerichtsentscheidung hatte mal den Satz geprägt: ".... das müsse eine Demokratie aushalten." ich komme immer mehr zur Überzeugung, unsere Demokratie zerbricht zusehends und bekommt jetzt von unreflektierten Egozentrikern jeglicher Couleur den Todesstoß.... ohne Worte .... und was kommt dann? Brave New Word, und alles Gute für die Zukunft

Dr. Helmut Müller 27.12.202116:02 Uhr

Endlich spricht Montgomery das aus, was viele Menschen in unserem Lande empfinden: Dass sich Juristen (von denen übrigens traditionell viele der FDP nahestehen) ohne Sachkenntnis befähigt fühlen, "im Namen des Volkes" derartige Urteile zu fällen. Besonders problematisch in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass Richter ebensowenig Verantwortung für ihre leichtfertigen Urteile übernehmen müssen wie auch Politiker für ihre Fehlentscheidungen. Jeder Arzt, der so handeln würde, stünde seinerseits sehr schnell vor dem Kadi! Insofern ist auch der Kommentar von Herrn Gassen (KBV) wohl genauso unüberlegt, wie seine seinerzeitige Forderung nach einem "Corona-Freedom-Day".

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