Chor und Orchester
Nur Ärzte musizieren
Der Deutsche Ärztechor und das Tübinger Ärzteorchester haben sich auch für das kommende Jahr wieder viel vorgenommen.
Veröffentlicht:TÜBINGEN. "Die Orgel fängt an", ruft Dirigent Dr. Norbert Kirchmann. Doch es erklingt keine Orgel, sondern Klavier. Die Orgel ertönt erst am Abend beim Auftritt in Tübingen und einen Tag später in Memmingen.
Jetzt ist die letzte Probe. Der Deutsche Ärztechor musiziert zusammen mit dem Tübinger Ärzteorchester. 150 Mitwirkende, nicht in Weiß und noch nicht in Schwarz, waren vor Kurzem auf der Probebühne in der württembergischen Landesakademie Ochsenhausen.
Auf dem Programm standen die "Cäcilienmesse" von Charles Gounod und das "Te Deum" von Hector Berlioz. Das Werk von Berlioz "für drei Chöre, Orgel und großes Orchester" ist musikalisch besonders schwierig.
Es hatte bei der Uraufführung 1855 in Paris 1250 Mitwirkende. So viele bringen die Mediziner nicht auf die Beine.
Einmaliger Ärztechor
Seit 1984 besteht das Tübinger Ärzteorchester. Es erarbeitet jährlich zwei bis drei Programme. 2005 wurde, ebenfalls als Verein, der Deutsche Ärztechor gegründet.
Erstmals musizieren sie hier zusammen. Während es in mehreren Städten und für verschiedene Fachdisziplinen Mediziner-Orchester gibt, ist der Chor einmalig.
"Man merkt deutlich, dass hier Akademiker unter sich sind", sagt Dr. Angelika Pethran und vergleicht mit ihrem Chor daheim in München. Neue Mitglieder sind herzlich willkommen, doch alle Sänger müssen bereits Chor-Erfahrung haben.
Einer der Jüngsten in Ochsenhausen ist Lukas Macke, Medizin-Student im 11. Semester aus München . Er spielt Klavier und Klarinette und singt in Chören.
Warum ist er dabei? "Wir Jungen haben sehr viele Fragen zur Zukunft unseres Berufes, aber es geht hier weniger um Medizin als um Musik."
Der Chor trifft sich ein oder zwei Mal im Jahr zu einer Chorwoche. Den Abschluss bilden Konzerte für einen guten Zweck. Eine ganze Woche frei für die Musik - das ist für die Teilnehmer eine Auszeit vom Job.
Aber nur knapp ein Drittel der rund 300 Vereinsmitglieder hatten Zeit, um nach Ochsenhausen zu kommen. Sie bewerben sich, die Leitung prüft dann, ob alle Singstimmen ausgewogen vertreten sind.
Tenöre fehlen
Wie in vielen Sängervereinigungen überwiegen auch im Ärztechor die Frauen und es fehlen Tenöre. Einige Frauen - eigentlich Altstimmen - müssen einspringen; sie sind beim Fortissimo aber nicht so kräftig wie Männer.
Dirigent Norbert Kirchmann unterbricht; das Orchester ist zu laut. "Bitte nochmal". Das Orchester spielt die Stelle etwas leiser. Die Musiker notieren die Stelle mit dem Stift im Notenblatt.
Kirchmann hat die Stücke ausgewählt. Der 70-Jährige war bis zum Ruhestand Nervenarzt und Psychotherapeut in Hechingen, studierte zunächst Musikwissenschaft und Philosophie, wechselte nach dem dritten Semester aber dann doch zur Medizin.
In den neunziger Jahren absolvierte er schließlich eine Ausbildung zum Dirigenten und leitet das Freiburger Ärzteorchester."Er dirigiert recht getragen", findet eine Zahnärztin aus dem Chor. "Jeder Leiter interpretiert die Musik eben anders."
Dr. Matthias Wagner, Dermatologe mit eigener Praxis in Rosenheim, seit der Gründung 1. Vereinsvorsitzender des Deutschen Ärztechors, ist stolz auf das Klima. Man duzt sich trotz wechselnder Besetzung und der Altersunterschiede.
Er blickt voraus: Nächstes Jahr singt der Chor erstmals ohne Orchester - Proben ab 27. April auf Amrum. 2016 soll es nach China gehen.