Doping

Riskanter Griff in "Chemie-Kiste"

Der Meldonium-Skandal hat erneut ein Schlaglicht auf die Dopingszene geworfen: Man schluckt alles, auch wenn es nichts bringt - mit tödlichen Risiken.

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Doping-Kontrolleure im Dauer-Dilemma: Sie können nur finden, was sie bereits kennen. In den Doping-Laboren entstehen derweil immer neue Designerstoffe.

Doping-Kontrolleure im Dauer-Dilemma: Sie können nur finden, was sie bereits kennen. In den Doping-Laboren entstehen derweil immer neue Designerstoffe.

© Karina Hessland / imago

BERLIN. Mit dubiosen Designerdrogen vom Schwarzmarkt gehen Sportler nach Meinung des Anti-Doping-Experten Professor Fritz Sörgel ein hohes Risiko ein. "Wenn Athleten dann in die Chemie-Kiste der unbekannten Stoffe greifen - das ist für mich künftig die größte Gefahr", sagte der Pharmakologe aus Nürnberg nach den jüngsten Dopingfällen mit dem Herzmedikament Meldonium.

"In vielen Geheimlaboren tüfteln sie schon an neuen Designerstoffen"

"Meldonium geht nicht mehr - sie suchen im Internet, und nach zwei Tagen haben sie 20 neue Substanzen in der Hand, die sie in China bestellen", erklärte er. "Das kann schon mal schief gehen."

Sörgel warnte erneut vor fatalen Folgen von Doping-Experimenten mit nicht zugelassenen Mitteln. "Das ist wie im Leben: Der beißt ins Gras, der die schlechten Dinge nehmen muss - in diesem Fall verunreinigte Substanzen. Das ist ja auch bei Drogen so", meinte der Wissenschaftler und schilderte ein düsteres Szenario. "In vielen Geheimlaboren tüfteln sie schon an neuen Designerstoffen - auch für Athleten", sagte Sörgel.

"Sportler, die im Jahr 50 Millionen und mehr verdienen, können sich doch ein eigenes Labor leisten, das ihnen nicht nachweisbare neue Mittel liefert."

Meldonium (Handelsname Mildronat®) war von der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA nach einer Beobachtungsphase im Jahr 2015 zum 1. Januar 2016 auf die Verbotsliste gesetzt worden. Jüngst wurden zahlreiche russische Athleten des Dopings mit Meldonium beschuldigt.

Meldonium: bei 66 von 762 Athleten nachgewiesen

Prominentester Fall: Tennis-Star Maria Scharapowa. Auch beim Council des Weltverbandes IAAF, das bis Freitag in Monaco tagte, stand der Skandal in Russland ganz oben auf der Agenda. Der englische Pharmakologe Mark Stuart enthüllte jetzt in einer Studie, dass 2015 bei den 1. Europa-Spielen in Baku bei 66 von 762 kontrollierten Athleten Meldonium im Urin nachgewiesen wurde - damals indes noch nicht strafbar.

"Die Analysen der Europaspiele in Baku haben sicher dazu beigetragen, Meldonium vom 1. Januar an auf die Verbotsliste zu setzen", sagte der Kölner Dopinganalytiker Mario Thevis. "

Manchmal trägt ein Fall, den die ganze Welt hört und sieht, dazu bei, dem Ganzen Nachdruck zu verleihen."Die weitverbreitete Häufigkeit des Gebrauchs von Meldonium durch ansonsten ganz gesunde Sportler erfolgte "ganz eindeutig nicht in erster Linie aus therapeutischen Gründen", betonte Stuart. Vielmehr wurde das Mittel mit der Absicht genutzt, "sowohl die Regeneration zu verbessern als auch die Leistung zu steigern".

Das sieht Sörgel ganz anders - und beschreibt es ziemlich drastisch. "Der große Menschenversuch mit Meldonium ist nur deshalb nach bisheriger Kenntnis gut gegangen, weil das Mittel aus klinischer Sicht keinerlei Wirkung hat", meinte der 65-Jährige und fragte: "Wie kommt man auf die Idee, dass eine bei herzkranken Patienten eingesetzte Substanz auch bei Gesunden als Dopingmittel wirken soll?"

 Allerdings musste sich die WADA "natürlich erst einmal auf den Standpunkt stellen: Die Substanz könnte gefährlich sein. Man muss den Sportler vor sich selbst schützen!"

Für Sörgel bleibt das Dauer-Dilemma der Dopingfahnder: "Man kann bei Tests nur etwas finden, wenn man weiß, was und wonach man suchen will." Und in der Literatur gebe es "jede Menge solcher Substanzen, denen man eine Wirkung zur Leistungssteigerung zutrauen kann und die man sofort einsetzen könnte". (dpa)

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