Prost Neujahr!

Sekt, Wein, Bier und Schnaps zu Silvester – die wissenschaftliche Perspektive

In wenigen Stunden stehen zur Begrüßung des Neues Jahres 2024 wieder ausreichend Sekt, Wein, Bier und Schnaps bereit. Ein Kollege fasst zusammen, was im Körper passiert, wenn zu tief ins Glas geschaut wird.

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Zu viel Alkohol? Im Gehirn werden dann – bildlich gesprochen – das Gas- und Bremspedal gleichzeitig durchgetreten, beschreibt ein Kollege die dann ablaufenden komplexen Prozesse.

Zu viel Alkohol? Im Gehirn werden dann – bildlich gesprochen – das Gas- und Bremspedal gleichzeitig durchgetreten, beschreibt ein Kollege die dann ablaufenden komplexen Prozesse.

© freshidea / stock.adobe.com

Kaiserslautern. In einer durchzechten Nacht, etwa an Silvester, vollziehen sich komplexe Prozesse im menschlichen Körper. Durch Alkohol werden im Gehirn bildlich gesprochen das Gas- und Bremspedal gleichzeitig durchgetreten, filigrane Prozesse geraten aus dem Takt, wie Dr. Martin Morgenthaler, Leitender Oberarzt der Klinik für Neurologie am Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern, erklärt. All das vollziehe sich schon kurze Zeit nach dem ersten Schluck Sekt, Wein, Bier oder Schnaps.

Alkohol könne schon sechs Minuten nach der Aufnahme das Gehirn erreichen. In den dortigen Zellmembranen laufen bekannterweise viele Transportfunktionen ab, die den Aktivitätszustand der Zelle bestimmten. In den allermeisten Hirnregionen wirke Alkohol dämpfend, erinnert Morgenthaler. Es komme zu einem Anstieg von Chlorid-Ionen, was sich verlangsamend auf Zellprozesse auswirke – „vor allem auf die Reizübertragung, also die Kommunikation zwischen Zellen“.

„Die Reaktion nimmt ab, mir wird schwindelig, das Sehvermögen lässt nach, ich kann Situationen nicht mehr richtig einschätzen“, sagte Morgenthaler. Auch auf die Energieversorgung der Zellen wirke sich Alkohol aus. Die Prozesse der Mitochondrien, bekanntlich die Kraftwerke der Zellen, würden verlangsamt. Dieser Effekt falle noch stärker aus, wenn Alkohol gemeinsam mit Nikotin konsumiert werde.

Die Reizdämpfung

Das Extrem einer solchen Reizdämpfung ist der sprichwörtliche Filmriss. Dann funktioniere die Übertragung vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis nicht mehr. Die Arbeit der Synapsen werde im Hippocampus, der hier wie eine Art Zwischenspeicher funktioniert, gebremst. „Medizinisch gesehen ist der Filmriss also eine Amnesie für Dinge, die ich gerade erlebe“, erklärt Morgenthaler.

Es gebe fragmentarische Filmrisse, wenn „Erinnerungsinseln“ blieben. „Da kann ich mich an bestimmte Punkte noch erinnern, dazwischen sind aber Lücken.“ Beim kompletten Filmriss sei dann ein Abend oder eine Nacht in Gänze weg. „Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, je schneller und je mehr Alkohol ich konsumiere.“ Und sie werde noch größer, wenn verschiedene alkoholische Getränke durcheinander getrunken würden oder Alkohol mit Drogen kombiniert werde.

Die euphorisierende Wirkung

In ein paar wenigen Hirnregionen wirke Alkohol wiederum aktivierend. „Deshalb haben wir dann diese euphorisierende Wirkung, sind ein bisschen enthemmter, weil Botenstoffe wie Endorphine, Dopamin und Serotonin ausgeschüttet werden“, so Morgenthaler. Es könne ein Rauschzustand entstehen, den man immer mal wieder haben wolle, was ja in eine Abhängigkeit führen könne. „Das haben wir beim Binge-Trinken oder beim Komasaufen.“

Das Wechselspiel aus vor allem dämpfender, vereinzelt aber auch aktivierender Wirkung von Alkohol bringe im Gehirn so einiges durcheinander, sagte Morgenthaler. „Das ist im Prinzip so, wie gleichzeitig Gas und Bremse zu treten. Da kommt die ganze Balance, die da herrschen muss, komplett durcheinander.“

... und dann der Brummschädel

Am nächsten Tag brummt dann häufig der Kopf. Warum?

Zum einen entstehe beim Abbau von Alkohol Acetaldehyd, erinnert der Kollege. Das wirke sich auf den Stoffwechsel im Gehirn aus, etwa auf der Ebene der Zytokine, es bildeten sich freie Sauerstoff-Radikale, was Kopfweh verursache. Außerdem enthalte jedes Alkoholgetränk Methanol. Bei dessen Abbau entstünden Formaldehyd und Essigsäure, die auch den leidigen Kaer verursachten.

„Ein zweiter Punkt ist die Entwässerung“, sagt Morgenthaler. Alkohol lasse wie Kaffee häufiger auf die Toilette gehen. „Durch Alkohol wird die Produktion des Hormons Vasopressin gehemmt. Das sorgt eigentlich dafür, dass Wasser im Körper bleibt. Wird die Produktion gehemmt, scheide ich einfach mehr aus.“ Damit verliere der Körper Mineralstoffe. Es empfehle sich, auf jedes Glas Alkohol ein Glas mit Wasser folgen zu lassen. Der positive Nebeneffekt: „Das schützt auch noch vor Speiseröhrenkrebs, weil ich so den Alkohol ein bisschen aus der Speiseröhre spüle.“

Gute Nacht!

Typisch ist nach einer durchzechten Nacht auch unruhiger Schlaf. Dabei sei Alkohol zunächst schlaffördernd. „Deshalb trinken viele ja auch abends, dann hört das Grübeln so ein bisschen auf, man kommt gut in den Schlaf“, sagt der Neurologe. „Das verkehrt sich aber in der Nacht.“ Die beim Alkoholabbau entstehenden Substanzen ließen einen immer wieder aufwachen und man müsse mehr auf Toilette. „Viele haben auch Durstempfinden, werden wach und haben so einen ganz fraktionierten Schlaf.“

Alkohol beeinflusse zudem den Tiefschlaf, der dann nicht mehr alle Hirnregionen umfasse. Der Frontallappen im Gehirn bleibe nach Alkoholkonsum auch im Schlaf aktiv, das wirke sich auf die sogenannte REM-Schlafphase aus. In Verbindung mit einem weiter aktiven Frontallappen träume man eher negativ, am Folgetag fühle man sich dann häufig gerädert und abgeschlagen. (dpa)

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