Psychologe berichtet
So lässt sich Flugangst überwinden
Flugangst kennen viele - das Phänomen tritt allerdings bei Menschen aus unterschiedlichen Gründen auf. Ein Psychotherapeut gibt Tipps, wie man diese Angst in den Griff bekommt.
Veröffentlicht:KÖLN. Bei einigen Reisenden steigt schon Tage vor der Flugreise der Angstpegel; andere realisieren ihre Furcht erst, wenn sich die Türen des Fliegers schließen oder sie angesichts einer kleinen Turbulenz in Panik verfallen. Wieder andere können sich gar nicht vorstellen, jemals in ein Flugzeug einzusteigen.
Flugangst hat viele Facetten und ist weit verbreitet. Laut einer Allensbach-Umfrage leiden 30 Prozent der Bevölkerung darunter.
"Das sind aber nur diejenigen, die zu ihrer Angst stehen", erklärt der niedergelassene Diplom-Psychologe und Psychologische Psychotherapeut Rudolf Krefting aus Iserlohn. "Die Dunkelziffer ist hoch."
Es gebe viele Personen, die Fliegen zwar als unangenehm empfinden, aber ihre Ängste runterschlucken und trotzdem an Bord gehen.
Flugangst rationell nicht begründet
Krefting ist mit dem Thema bestens vertraut. Seit Anfang der 80er Jahre hat er über 3000 Flugangst-Geplagte bei den Seminaren betreut, die die Texter-Millott GmbH in Kooperation mit der Lufthansa in verschiedenen deutschen Großstädten anbietet.
Was den Menschen am Fliegen genau Angst macht, ist sehr unterschiedlich. "Bei manchen ist das Flugzeug selbst der Anlass", erklärt Krefting. Die Enge löse bei ihnen klaustrophobische Ängste aus.
"Andere haben Probleme mit der Luft, durch die das Flugzeug fliegt", sagt er. Sie sei nicht sichtbar, aber durchaus spürbar. "Das ist für viele unangenehm", erklärt Krefting.
Einige Personen fürchten den Kontrollverlust. "Vor allem für Menschen, die sonst die Zügel fest in der Hand haben, ist es bedrohlich, keinen Einfluss nehmen zu können."
Andere, die noch nie geflogen sind, aber Angst davor haben, machen sich vielleicht nur ein falsches Bild von der Fliegerei.
Es gibt aber auch Menschen, die diese Angst erst beim Flug entwickeln, weil sie sich in einer subjektiv gefährlichen Situation wähnen, etwa, wenn der Flieger beim Anflug auf die Landebahn plötzlich durchstarten muss.
Rational begründen lässt sich die Flugangst nicht. Das Risiko, bei einem Flugzeugabsturz zu sterben, beträgt 1: 5,6 Millionen.
Der Straßenverkehr, in den sich die meisten Deutschen bedenkenlos hineinwagen, ist da viel gefährlicher. Hier liegt die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls mit tödlichem Ausgang bei 1: 24190.
Aber das ist das Wesen der Angst. "Sie ist oft disproportioniert zu den tatsächlichen Risiken", erklärt Krefting.
Piloten mit im Seminar
Diese Furcht könne er bei den Flugangstseminaren auch nicht einfach abstellen. "Wir geben Hilfestellungen, damit die Menschen selbst in der Lage sind, dagegen vorzugehen", sagt er.
Dazu zählen Atem- und Entspannungsübungen gegen die körperlichen Angstsymptome, aber auch eine Vertiefung des technischen Verständnisses für die gedankliche Ebene.
So sind bei den Seminaren auch immer Piloten der Lufthansa dabei, die von ihrem Beruf erzählen und den Teilnehmern in einer Art Trockenübung das am Boden geparkte stehende Flugzeug von innen zeigen.
"Für manche ist es schon ein großer Fortschritt, eine Stunde im stehenden Flugzeug zu sitzen", sagt Krefting. Das gebe ihnen Selbstvertrauen.
Die Piloten erklären auch, wie gefährlich Turbulenzen wirklich sind, wie das Flugzeug gewartet wird und wie sie selbst überprüft werden - das ist seit dem Absturz der Germanwings-Maschine über den französischen Alpen ein wichtiges Thema.
Ein weiteres bewährtes Mittel gegen Flugangst: Fliegen. Als Abschlussprüfung steht in den Seminaren deshalb ein Inlandsflug an.
Nur die wenigsten Teilnehmer kneifen, über 90 Prozent lassen sich auf den Praxistest ein. "Die meisten bleiben auch dabei", sagt Krefting.
Eine Kontrollumfrage ergab, dass 82 Prozent der Seminarteilnehmer sich auch nach wie vor trauen, in ein Flugzeug zu steigen.
Krefting zitiert in diesem Zusammenhang gern den US-Philosophen Ralph Waldo Emerson: "Tue das, wovor Du Angst hast, und der Tod Deiner Angst ist sicher."
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