Corona-Zeiten

Weinhostie ersetzt Kelch beim Abendmahl

Für viele Gläubige ist das Abendmahl wichtiger Bestandteil der Messe. Doch gemeinsam aus einem Kelch trinken? Ein No-Go in Corona-Zeiten. In vielen Gemeinden dienen nun Weinhostien als Ersatz.

Veröffentlicht:
Ein Kelch mit Wein zum Abendmahl herumreichen? Undenkbar in Corona-Zeiten. Eine Bäckerei backt als Alternative Weinhostien.

Ein Kelch mit Wein zum Abendmahl herumreichen? Undenkbar in Corona-Zeiten. Eine Bäckerei backt als Alternative Weinhostien.

© Nicolas Armer / dpa

Neuendettelsau. Den Geistesblitz hatte die Pfarrerin einer fränkischen Gemeinde beim Backen. „Ich habe für meinen Sohn einen Rotweinkuchen gebacken“, erzählt Julia Kleemann. Dabei habe sie gegrübelt, wie sie bei den anstehenden Konfirmationen Abendmahl feiern könnte.

„Ich habe mir gedacht: Eigentlich muss es doch möglich sein, Wein in den Hostien zu verbacken. Genauso wie bei meinem Kuchen.“ So könne auf den Kelch beim Abendmahl verzichtet werden. Kurzentschlossen rief sie bei der Hostienbäckerei in Neuendettelsau (Landkreis Ansbach) an und erzählte von ihrer Idee.

„Wir haben schon ein paar Testläufe gebraucht“, sagt Sabine Sauernheimer, während sie in der Bäckerei Teig auf die dampfenden Hostieneisen schöpft. „Das Problem ist der Fruchtzucker des Weins. Der Teig ist ganz anders, bleibt am Eisen kleben und bricht viel leichter.“ Doch nach einer Woche Tüfteln hätten sie die Rezeptur gefunden: Sechs Liter Wasser, ein Liter halbtrockener Bacchus und 14 Schaufeln Mehl.

Jeden Morgen rühren Sauernheimer und ihre Kolleginnen den nun leicht gelblichen Teig an. Dann reiben sie die drei Hostieneisen mit Bienenwachs ein und heizen sie auf 90 Grad. Ein Schöpfer Teig pro Eisen, dann wenige Minuten backen. Über Nacht lagern die Hostienplatten in einem Raum mit mehreren Eimern Wasser, bevor sie ausgestanzt werden.

Jede Hostie wird einzeln verpackt

Vor Renate Bürkel türmen sich die Hostien. „Normalerweise verpacken wir hundert Stück in einer Rolle“, erzählt die Mitarbeiterin der Bäckerei. Doch wegen der Corona-Krise fummelt sie nun jede Hostie einzeln in eine kleine Plastiktüte. So soll die Hostie kontaktlos übergeben werden können. Umweltbewusste Gemeinden können die Weinhostien gegen einen Aufpreis auch in kompostierbaren Zellophanhüllen bestellen.

Rund 140 Gemeinden in Deutschland und Österreich haben schon Weinhostien geordert, berichtet Diakonie-Sprecherin Manuela Renner. Die Gläubigen können beim Abendmahl die Hostie einzeln abholen und zurück auf der Kirchenbank dann gemeinsam mit den anderen Gottesdienstbesuchern zu sich nehmen. „Uns war ganz wichtig, dass das Abendmahl so wieder gemeinsam gefeiert werden kann.“

In der evangelischen Landeskirche gelten momentan strikte Regeln für das Abendmahl: Die Gottesdienstbesucher müssen mindestens 1,50 Meter Abstand halten. Die Hände müssen vor der Austeilung desinfiziert werden, trotzdem muss die Hostie möglichst ohne Berührung überreicht werden.

Wein kann nur in Einzelkelchen ausgeteilt werden. Möglich sei auch, dass Austeilende die Hostie in einen Kelch mit Wein tauchen, am Kelchrand abtupfen und in die Hand des Gottesdienstbesuchers legen. Die Weinhostie sei da eine interessante Alternative, sagte ein Sprecher der Landeskirche.

Katholiken müssen auf Weinhostie verzichten

In der katholischen Kirche nehmen sowieso nur Priester und Kommunionhelfer Hostie und Wein zu sich, betonte ein Sprecher des Erzbischöflichen Ordinariats München. Gottesdienstbesucher empfangen in der Regel nur die Hostie. Außerdem gelte für die Herstellung der Hostien in der katholischen Kirche eine Art Reinheitsgebot, erklärt eine Sprecherin des Erzbistums Bamberg.

„Gemäß der katholischen Tradition werden Hostien ausschließlich aus den Zutaten Weizenmehl und Wasser gebacken. Deswegen ist eine Weinhostie für Katholiken kein Thema.“

Im Internet gebe es auch Anfeindungen, berichtet Renner von der Diakonie Neuendettelsau. Gerade von katholischer Seite, aber auch einige evangelische Kirchen seien skeptisch. „Das muss jeder für sich entscheiden. Unsere Theologen sagen, dass absolut nichts dagegen spricht.“

Konfirmation ohne Abendmahl wäre undenkbar gewesen

In der Neuapostolischen Kirche hat die Weinhostie sogar Tradition. Seit 1917 werde zum Abendmahl eine Hostie gereicht, die mit drei Tropfen Rotwein beträufelt ist. Das habe auch hygienische Gründe, erklärt eine Sprecherin der Neuapostolischen Kirche. „In den Jahren zuvor hatte es Grippe-Epidemien gegeben und gegen Ende des Ersten Weltkriegs grassierte eine schreckliche Grippe-Pandemie.“

Die Kirchengemeinde Alesheim/Trommetsheim von Pfarrerin Julia Kleemann muss sich noch an die besonderen Hostien gewöhnen. „Wir sind eine Dorfgemeinde in Franken, da ist noch alles sehr traditionell.“ Doch eine Konfirmation ohne Abendmahl wäre erst recht undenkbar gewesen. „So konnte ich die Hostien schon vor dem Gottesdienst in den Kirchenbänken verteilen“, erzählt Kleemann.

Während der Konfirmand am Taufstein einzeln die Weinhostie erhalten habe, konnte die Familie zeitgleich auf ihren Plätzen das Abendmahl feiern. „Ich hatte das Gefühl, dass das ganz gut war.“ Ihre Gemeinde habe jedenfalls schon Nachschub bestellt. (dpa)

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Ursprung des Coronavirus

Bericht: BND sah Indizien für Corona-Laborthese

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

© Spinger Medizin Verlag

Vitamin C als hochdosierte Infusionstherapie

Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Formulierung der Einladung zum Darmkrebs-Screening

iFOBT: Rückgabefrist macht TEMPO

Lesetipps
Übergabe der Petition

© HÄV / Marco Urban

„Sensationelles Ergebnis“

Gegen das Praxensterben: 600.000 unterzeichnen Bundestagspetition

Figuren stehen Hand in Hand vor einer Weltkugel.

© Vladislav / generiert mit KI / stock.adobe.com

Kolumne „Hörsaalgeflüster“

Gemeinsam statt gegeneinander – die IFMSA in Verantwortung

Im Vordergrund stehen ein paar Gläser und Flaschen. Im Hintergrund ist schematisch der Körper eines Menschen zu sehen, dessen Organe sichtbar sind.

© freshidea / stock.adobe.com

Pathomechanismen ungeklärt

Schlechteres Lipidprofil bei Alkohol-Abstinenz