„Silver Economy“

Wenn der demografische Wandel keine Bürde ist

Finnland will während seiner EU-Ratspräsidentschaft die Aufmerksamkeit auf die weltweit voranschreitende Überalterung lenken. Am Dienstag startet in Helsinki das erste hochrangige EU-Forum zur „Silver Economy“. Dies soll vor allem positive Signale in eine Welt senden, in der das Alter zunehmend negativ besetzt ist.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Im Alter aktiv sein und trotz möglicher Krankheiten Spaß haben, das ist ein Aspekt gesunden Alterns.

Im Alter aktiv sein und trotz möglicher Krankheiten Spaß haben, das ist ein Aspekt gesunden Alterns.

© diego cervo / Fotolia

HELSINKI. Der demografische Wandel ist nicht aufzuhalten, weltweit zählen immer mehr Länder zu den überalternden Gesellschaften.

Zwar wird die Weltbevölkerung nach den im Juni von den Vereinten Nationen veröffentlichten „World Population Prospects 2019“ bis zum Jahr 2050 um weitere zwei Milliarden auf dann 9,7 Milliarden Menschen anwachsen. Doch das Wachstum wird aller Voraussicht nach vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern stattfinden.

Für die Industrieländer, in denen die Geburtenraten bereits seit Jahrzehnten rückläufig sind und unterhalb des Reproduktionsniveaus von 2,1 Kindern je Frau liegen, das für eine Aufrechterhaltung der Bevölkerung erforderlich ist, stehen die Zeichen somit weiter auf Überalterung.

Gemäß UN-Prognose soll die Zahl der Menschen, die über 60 Jahre alt sind, von 962 Millionen im Jahr 2017 auf 2,1 Milliarden im Jahr 2050 steigen – 1980 seien weltweit nur 382 Millionen Senioren gezählt worden.

Thema für die finnische EU-Ratspräsidentschaft

Tendenziell ist der demografische Wandel in der politischen Diskussion weltweit eher negativ konnotiert. Dem will Finnland – offiziell mittlerweile die weltweit drittälteste Gesellschaft – nun im Zuge seiner zu Monatsbeginn aufgenommenen sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft einen Kontrapunkt setzen.

Die Welt soll den demografischen Wandel als Chance begreifen – für die betroffenen Menschen, Gesellschaften, aber auch ökonomisch.

Zu diesem Zweck lädt die finnische Regierung an diesem Dienstag und Mittwoch nach Helsinki zum ersten „High-Level Forum on The Silver Economy“. Das hochrangige Forums bietet hochrangigen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft eine Bühne.

So werden neben zahlreichen Ministern aus aller Welt auch WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus und EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis sprechen.

Das Wort ergreifen wird aber auch Bayer-Chef Werner Baumann, dessen Unternehmen die Veranstaltung ebenso wie die Bank of America als strategischer Partner unterstützt. Insgesamt werden mehr als 600 Teilnehmer in der finnischen Hauptstadt erwartet.

Best-Practice-Beispiele aus Prävention

Thematisch knöpfen sich die einzelnen Foren die vielen Facetten der Silver Economy vor. Neben dem Imagewandel der Langlebigkeit geht es auch um das gesunde Altern. Dies erfordere einen neuen Blick auf Gesundheit, Krankheit und die Rahmenbedingungen des Alterns.

Auch geht es um Best-Practice-Beispiele aus der Prävention wie auch der Pflege, um ein aktiveres und produktiveres Altern der Bevölkerung zu ermöglichen, das der Gesellschaft wie der Wirtschaft einen Nutzen bringen kann.

Die Silver Economy, so ein weiteres Thema, solle als Klammer für alle Politikstrategien gesehen werden – von Sozial- und Gesundheitspolitik über die städtische Planungs- bis zur Finanzpolitik –, um den Belangen der alternden Gesellschaften gerecht zu werden.

Nicht außen vor sind auch die künstliche Intelligenz (KI) und andere innovative Techniken als Antwort auf die Nachfrage nach Produkten und Systemlösungen, die das menschliche Wohlbefinden und die Versorgung unterstützen sollen. Ebenfalls auf der Agenda stehen soziale Innovationen und die Frage, wie Regierungen sinnvoll mit der Wirtschaft im Kontext der Silver Economy zusammenarbeiten können.

Analysten hegen Hoffnung auf die fitten Senioren

Mitorganisator des EU-Forums ist die Global Coalition on Aging (GCOA). Diese Allianz von Pharma- und anderen Unternehmen hat es sich nach eigenen Aussagen zum Ziel gesetzt, die Chancen zu nutzen, die die Langlebigkeit bietet und die globale Diskussion um das Altern zu prägen.

Von Pharma- und Medizintechnikseite her gehören der GCOA Amgen, Bayer, General Electric, GSK, Lilly, Nestlé Skin Health, Novartis, Nutricia, Pfizer, Philips, Roche sowie Roivant Sciences an.

Indes glauben nicht nur diese Unternehmen und die finnische Ratspräsidentschaft – in Helsinki ist erst im April die Mitte-Rechts-Koalition an einer lange geplanten Gesundheits- und Pflegereform zerbrochen – an die positiven Verheißungen der Silver Economy und damit der Langlebigkeit.

Rückenwind bekommt der finnische Vorstoß auch von der Finanzbranche. „Die zunehmende Alterung dürfte künftig einen starken gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Treiber darstellen, der eine Neuausrichtung der Konsumentenmärkte und einen Wandel der Gesundheits- und Immobilienmärkte nach sich zieht“, schätzt zum Beispiel die Schweizer Bank Credit Suisse in einer entsprechenden Marktanalyse.

Sie verweist darauf, dass die Kaufkraft der über 60-Jährigen Schätzungen zufolge bis 2020 weltweit 15 Billionen US-Dollar erreichen sollen.

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