Immer mehr Selbstständige

124.000 Ärzte sind frei

Selbstständige in Deutschland sind eine Wirtschaftsmacht. Sie erwirtschaften zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes und beschäftigen mehr Menschen als die Kirchen. Ärzte bilden die drittgrößte Gruppe der Freiberufler.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Patientengespräch in der eigenen Praxis. 124.000 Ärzte in Deutschland sind selbstständig.

Patientengespräch in der eigenen Praxis. 124.000 Ärzte in Deutschland sind selbstständig.

© Alexander Raths / Photos.com

BERLIN. Hausärzte werden zunehmend rar. Vor allem in strukturschwachen Regionen werden sie selten.

Das geht aus dem Bericht zur Lage der Freien Berufe hervor, den die Ministerrunde um Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch abgenommen hat.

Bis 2020 fehlten laut einer Studie des Instituts für Freie Berufe (IFB) an der Universität Erlangen-Nürnberg etwa 56.000 Ärzte sowie 140.000 Pflege- und andere nichtärztliche Fachkräfte.

Die Beschäftigungslücke in den Gesundheitsberufen ohne Altenpflege könne bis zum Jahr 2030 auf knapp eine Million Fachkräfte anwachsen, heißt es in dem Bericht.

Jeder Vierte niedergelassene Arzt ist älter als 60

Eine ebenfalls zitierte Prognose des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) zeichnet ein sogar noch dramatischeres Bild. Ihr zufolge liegt der Ersatzbedarf bis 2019 sowohl bei den Vertragsärzten als auch im Krankenhaus bei 139.000 Ärzten.

Bis dahin könnten etwa 108.000 Ärzte altersbedingt ihren Beruf aufgeben. Der bis dahin auflaufende Mehrbedarf belaufe sich auf 31.000 Ärzte. Fast ein Viertel der niedergelassenen Ärzte sei älter als 60 Jahre. Lediglich vier Prozent seien jünger als 40 Jahre.

Bei den Krankenpflegekräften träten die Engpässe laut dem Bericht in allen westlichen Bundesländern und in Sachsen am deutlichsten hervor.

Bei examinierten Altenpflegekräften registrieren die Autoren des Berichts in allen Bundesländern eine angespannte Nachfragesituation.

Ärzte sind drittgrößte Gruppe der Freiberufler

Der Bericht erscheint etwa alle zwölf Jahre. Die Zahl der selbstständigen Freiberufler in Deutschland wächst ihm zufolge kontinuierlich und hatte Anfang des Jahres 2012 mit knapp 1,2 Millionen einen neuen Höchststand erreicht.

Sie erwirtschafteten gut zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Als Arbeitgeber und Ausbilder ist die Berufsgruppe nicht zu unterschätzen. Drei Millionen Menschen ständen bei ihr in Lohn und Brot, meldet der Bericht, darunter knapp 112.000 Auszubildende.

Damit waren zum Stichtag 30. Juni 2012 rund zehn Prozent aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Menschen in Deutschland in freiberuflichen Unternehmen tätig.

Ärzte bilden mit 124.012 Praxisinhabern die drittgrößte Gruppe der selbstständigen Freiberufler. Vor ihnen rangieren die Angehörigen der freien Heilberufe mit 136.000 und die der freien Kulturberufe mit 291.000 Selbstständigen.

Notare und Patentanwälte führen das Ranking bei den Einkommen der Freiberufler an. Sie erzielen gemäß der im Bericht zitierten Zahlen des Statistischen Bundesamtes durchschnittliche Einkünfte je Steuerpflichtigem von 192.000 und 154.000 Euro im Jahr.

Ihnen folgen die Zahnärzte und die Ärzte mit 122.000 und 105.000 Euro im Jahr.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ein Armutszeugnis

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 11.04.201317:09 Uhr

Und wenn es nicht die Wahrheit ist, dann ist es halt gelogen?

Aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) als Pressemitteilung vom 10.04.2013: "Das Bundeskabinett hat den Bericht der Bundesregierung zur Lage der Freien Berufe beschlossen." Siehe: http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/B/bericht-der-bundesregierung-freie-berufe-2013,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf - "Danach erwirtschaften die Freien Berufe rund zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts und beschäftigten mehr als drei Millionen Mitarbeiter. Mit etwa 112.000 Auszubildenden im Jahr 2011 tragen die Freien Berufe auch langfristig zur Leistungs- und Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft bei."

Bundesminister Dr. med. Philipp Rösler (FDP) erklärte dazu: "Die Freien Berufe verkörpern in besonderer Weise die Ideale unseres selbständigen Mittelstandes - sie sind engagierte und leistungsbereite Impulsgeber für unsere Soziale Marktwirtschaft und ein wichtiger Wachstumsmotor in der modernen Dienstleistungswirtschaft. Immer mehr Menschen wagen den Schritt in die Selbständigkeit. Die Politik der Bundesregierung zielt darauf ab, den Menschen mehr Chancen zu eröffnen, eigene Ideen zu verwirklichen und selbstbestimmt zu leben und zu arbeiten. Sie schafft und sichert wachstumsstärkende Rahmenbedingungen für den Mittelstand einschließlich der Freien Berufe. Die Rekordzahl von knapp 1,2 Millionen Selbständigen in Freien Berufen zeigt, dass die Bundesregierung mit ihrer Politik die Grundlagen für einen weiteren Erfolg der Freien Berufe gelegt hat."

So kann doch nur jemand abgehoben daherreden, der noch nie in seinem Leben freiberuflich tätig war und seine medizinische Aus- und Weiterbildung ausschließlich unter den Fittichen der Bundeswehr als Sanitätsoffizier absolviert hat. Denn die eklatanten Widersprüche selbständiger ärztlicher Tätigkeit kann und will dieser Minister nicht offen ansprechen - er muss die FDP ja auch aus dem desolaten 4% Wählerstimmenanteil herausführen.

Die in dem Bericht aufgeführten Zahlen des Statistischen Bundesamtes (www.destatis.de) für das Jahr 2007 geben beim Durchschnitt aller selbständig tätigen 124.012 Ärztinnen und Ärzten in Deutschland nur 105.000 € steuerlich relevantes Einkommen an. Jetzt werden viele stutzig und sagen 2007? - Was soll das, das sind 6 Jahre alte Zahlen! Doch destatis.de wird erst für dieses Jahr 2013 die Zahlen neu erheben können. Wer aber glaubt, in der Zwischenzeit hätten freiberufliche selbständige Ärzte einkommensmäßig zulegen können, hat sich gründlich getäuscht.

Nach einem fadenscheinigen Prognos-Gutachtens des Spitzenverbands Bund (SpiBu) der GKV-Kassen wurde von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ein fiktiv unterstelltes, zu versteuernden Einkommen von über 160.000 pro Vertragsarzt weitgehend widerspruchslos akzeptiert. Der Schlichter Prof. Jürgen Wasem, Gesundheitsökonom an der Uni Duisburg/Essen, hatte darauf die ursprüngliche KBV-Forderung von plus 10% Steigerung des Orientierungspunktwertes auf plus 0,9% herunterverhandelt. Dabei entspricht diese Praxisumsatzsteigerung von 0,9 Prozent von 2009 bis heute einem jährlichen Plus von 0,225 abzüglich 50% durchschnittlicher Praxiskosten. Bei den Privatabrechnungen nach GOÄ, die in den destatis-Zahlen m i t enthalten sind, sieht es noch schlechter aus: Der GOÄ-Punktwert wurde in 29 Jahren (1983-2012) um ganze 14 % gesteigert. Das war ein annueller Umsatzanstieg von 0,48%. Der kalkulatorische GOÄ-Punktwert stieg vor der letzten Währungsreform von 10 (1983) auf zuletzt 11,4 Pfennige (1996). Mit der Euro-Umstellung zum 1.1.2002 war bis heute keine Preiserhöhung mehr drin.

Der Bericht zur Lage der Freien Berufe ist nichts als ein modernes Märchen, mit dem sich die Politik aus der Realität stiehlt bzw. sich selbst in die Taschen lügt.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

S2k-Leitlinie

Husten – was tun, wenn er bleibt?

Lesetipps
Viele gesunde Lebnesmittel, darunter Gemüse, Lachs und Sesam, liegen auf einem Tisch.

© aamulya / stock.adobe.com

Leckere und gesunde Ernährung

Remission bei Morbus Crohn: Das glückt auch mit einer rein oralen Diät

Moderne Grafik eines Gehirns und eines Darms nebeneinander. Der Hintergrund ist mehrfarbig.

© KI-generiert watz / stock.adobe.com

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Psychische Erkrankungen begünstigen CED-Schübe

Ein Modell eines Herzens steht auf einem Tisch.

© Jonima / stock.adobe.com (Generi

DGK-Jahrestagung

Präzisionsmedizin: Die Kardiologie ist auf dem Weg