Praxisbarometer Digitalisierung
Ärzte haben bei der Digitalisierung viel Luft nach oben
1764 Ärzte und Psychotherapeuten haben sich an einer Umfrage der KBV zum Stand der Digitalisierung in Praxen beteiligt. Fazit: Ärzte haben schon manches umgesetzt. Aber es gibt noch viel zu tun.
Veröffentlicht:BERLIN. Vertragsärzte haben in weiten Teilen die Voraussetzungen für eine weitere Digitalisierung im Gesundheitswesen geschaffen. Aber bei den konkreten Anwendungen einer Arzt-Arzt-Kommunikation online oder auch bei der Online-Anbindung von Patienten hat sich in vielen Praxen noch nicht viel getan. Das zeigt das Praxisbarometer Digitalisierung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), dessen Ergebnisse die KBV-Spitze am Dienstagvormittag in Berlin vorgestellt hat.
Die KBV sieht als wichtigstes Resultat der Umfrage: "In den Praxen sind digitale Anwendungen Standard", heißt es in der Mitteilung zum Praxisbarometer, an dem sich insgesamt 1764 Praxen beteiligt haben. Für die Umfrage hatte das beauftragte IGES Institut 7000 Praxen angeschrieben.
Patientendokumentation überwiegend digital
Die KBV stellt zunächst das Erreichte heraus: Bereits 73 Prozent der befragten Praxen hätten die Patientendokumentation mehrheitlich oder vollständig digitalisiert. 75 Prozent der großen, meist interdisziplinär besetzten Praxen nutzten Programme für die Raumplanung und Gerätenutzung. Rund 60 Prozent der Hausärzte nutzten eine digitale Anwendung zum Erkennen von Arzneimittelwechselwirkungen.
Auch verfügten rund drei Viertel der befragten Praxen über Geräte mit digitalen Schnittstellen zum Praxisverwaltungssystem. Nicht mehr Gegenstand der Befragung war die digitale KV-Abrechnung, die zu 100 Prozent von Arzt- und Psychotherapeutenpraxen erfüllt wird, so die KBV.
Medikationsplan bietet Chancen
"Die Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten, die Zukunft sinnvoll, also patientengerecht, zu gestalten", sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel. Chancen liegen dafür nach Einschätzung der Ärzte und Psychotherapeuten beispielsweise in elektronischen Medikationsplänen (54 Prozent der Teilnehmer sehen das so), digitalen Notfalldatensätzen (49 Prozent) sowie digitalen Verordnungen (44 Prozent). Auch in der Einrichtung eines digitalen Mutter- beziehungsweise Impfpasses (43 Prozent) und einrichtungsübergreifender digitaler Patientenakten (38 Prozent) sehen viele Ärzte nach den Ergebnissen des Praxisbarometers großes Potenzial für die Patientenversorgung.
"Wir unterstützen die Entwicklung aller digitalen Anwendungen, die für Patienten, Ärzte und Psychotherapeuten Mehrwerte bringen und so die Versorgungsqualität steigern", betont Kriedel. Dazu zählten auch mögliche Zeitersparnisse durch Prozessoptimierungen im Praxismanagement und in der Kommunikation mit Kollegen und Krankenhäusern (jeweils 60 Prozent).
E-Arztbrief hilfreich, aber kaum genutzt
Als sehr hilfreich sieht über die Hälfte (54 Prozent) den E-Arztbrief. "Alle Maßnahmen im Rahmen der Digitalisierung sollten idealerweise den Arzt entlasten und Zeit schaffen, die der eigentlichen Arbeit mit den Patienten zugute kommt", erläutert KBV-Chef Dr. Andreas Gassen: Rund 44 Prozent der Befragten hättenen ernsthafte Zweifel, ob sie durch die Digitalisierung wirklich mehr Zeit für ihre Patienten haben. Als mögliche Hemmnisse sehe die Ärzteschaft auch das Thema IT-Sicherheit (78 Prozent) und die Fehleranfälligkeit der elektronischen Datenverarbeitung (43 Prozent).
Die Umfrage zeigt auch, dass bei der Umsetzung der digitalen Vernetzung noch viel Luft nach oben ist: So nutzen erst 13 Prozent aller Praxen Möglichkeiten der digitalen Patientenkommunikation, nur 14 Prozent haben laut Praxisbarometer eine Online-Terminvereinbarung eingerichtet. Bei der Arzt-Arzt-Kommunikation steckt auch die Nutzung des E-Arztbriefes (13 Prozent der Praxen) noch in den Kinderschuhen. Die Kommunikation wird sowohl mit niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen (86 Prozent) als auch mit Kliniken (94 Prozent) überwiegend auf Papier abgewickelt. Immerhin empfangen 69 Prozent der Praxen die Laborbefunde per Datenleitung. (ger)
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ein Digital-Kompass muss her