Terminservice- und Versorgungsgesetz
Ärzte sehen Licht und Schatten bei Spahns Gesetz
Die Forderung nach Erhöhung der Mindestsprechstunden sorgt überwiegend für Verdruss unter den Ärzteverbänden und auch auf Kassenseite. Doch es gibt nicht nur Kritik.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Die Pläne für ein Terminservice- und Versorgungsgesetz stoßen bei Ärzten und Krankenkassen auf ein verhaltenes bis sehr kritisches Echo. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. "Das geplante Gesetz bringt ein bisschen Licht und viel Schatten", kommentiert zum Beispiel der Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. Andreas Gassen die Pläne des Gesundheitsministers.
Dass für die ambulante Versorgung zusätzlich 600 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden sollen sei positiv, so der KBV-Chef. Das Geld werde dringend für die Versorgung der Patienten gebraucht. Noch besser wäre es aus seiner Sicht aber, wenn die Budgets der niedergelassenen Ärzte abgeschafft würden.
Deutlich lehnt Gassen den Plan ab, Ärzten eine Mindestsprechstundenzeit von 25 Stunden vorzuschreiben. Damit greife die Politik viel zu stark in die Abläufe der einzelnen Praxis ein. Ärzte und Freiberufler müssten ihre Arbeit frei gestalten können.
Hartmannbund: Wichtige Signale werden gesetzt
Der Chef des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, findet, Jens Spahn habe mit dem geplanten Gesetz wichtige Signale gesetzt. "Der Minister attestiert der Ärzteschaft, dass ihr für zusätzliche Leistungen auch mehr Geld zusteht.
Dies ist zunächst einmal eine wichtige und bemerkenswerte Botschaft, da lässt sich ansetzen", sagt Reinhardt. Niemand dürfe Zweifel daran haben, dass es im originären Interesse von Ärzten liege, ihren Patienten schnellere Termine und eine bessere Versorgung zu bieten.
Aber natürlich liege die Tücke im Detail und die Ärzte müssten nun genau hinschauen, ob all das was man im Ministerium für sinnvoll halte "auch einem Machbarkeitstest im ärztlichen Alltag standhält", mahnt der HB-Chef.
Bedenken gegen offene Sprechstunden
MEDI GENO-Chef Dr. Werner Baumgärtner hegt Bedenken gegen die offenen Sprechstunden. "Solche Sprechstunden bedeuten mehr Arbeit für die Praxen, weil dann bestehende Abläufe oder Terminvergaben nicht mehr funktionieren", warnt Baumgärtner. Die Praxen müssten eine unkalkulierbare Inanspruchnahme in Kauf nehmen und ihre ganze Struktur neu organisieren.
Als völlig praxis- und realitätsfern beurteilt die hessische KV-Spitze den Gesetzentwurf. Es liege doch auf der Hand, dass bei einem zunehmenden Bedarf nach ärztlichen Leistungen entweder die Zahl der Ärzte gesteigert oder der Bedarf der Patienten so geteuert werden müsste, dass er besser zur Zahl der vorhandenen Ärzte und deren Arbeitsvermögen passe.
Doch zu diesem Missverhältnis würde sich der Bundesgesundheitsminister nicht äußern, kritisieren die beiden Vorstandsvorsitzenden Frank Dastych und Dr. Eckhard Starke.
Entbudgetierung top, schnellere Termine flop
Die KV Rheinland-Pfalz sieht in dem Gesetzentwurf positive und negative Aspekte. Die vorgesehenen ersten Schritte zur Entbudgetierung und zur Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen für einzelne Fachgebiete und in ländlichenGebieten begrüßt der KV-Vorstand.
Das Ziel, für Kassenpatienten mehr Arzttermine und eine schnellere Terminvermittlung durch Terminservicestellen zu erreichen, müsse jedoch scheitern. Denn mittels aufwendigerer und kleinteiligerer Regelungen und Vorgaben würden lediglich weitere Ärzte von einer Niederlassung abgeschreckt, fürchtet der KV-Vorstand. Auch die Vorgabe, in unterversorgten Gebieten Eigeneinrichtungen durch die KVen zu errichten, werde wegen des Ärztemangels zu keiner wirklichen Lösung führen.
Skepsis auch auf Kassenseite
Skeptisch beurteilt der Vorstand des BKK Dachverbands Franz Knieps das geplante Gesetz. Die angekündigte Erhöhung der Wochenstunden von 20 auf 25 habe bereits eine Welle von Vergütungsforderungen der Vertragsärzte nach sich gezogen. Das heiße, die Kassen und somit die Versicherten müssten die Erhöhung der Mindestsprechzeiten mit zusätzlichem Geld finanzieren.
Zusätzliche Honorare zulasten der Versichertengemeinschaft seien jedoch inakzeptabel, solange nicht sichergestellt sei, "dass die zusätzlichen fünf Stunden auch real in der Versichertenversorgung ankommen", so Knieps.
Sorgen um die Finanzen treibt auch die Ersatzkassen um. Zwar begrüße man den Ansatz, Praxen finanziell zu fördern, die neue Patienten aufnehmen. Andere finanzielle Maßnahmen müssten aber kritisch auf ihre Auswirkungen überprüft werden, fordert die Vorstandsvorsitzende des Ersatzkassenverbandes Ulrike Elsner.
"Wenn offene Sprechstunden zukünftig höher vergütet würden als Terminsprechstunden, kann dies zu Fehlanreizen führen, mit der Folge, dass die Versicherten gegebenenfalls stundenlang in der Arztpraxis warten müssen", so die vdek-Chefin.
FDP reagiert enttäuscht
Nichts Positives kann die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion am Gesetzentwurf entdecken. "Die vorgeschlagenen Maßnahmen verbessern und vereinfachen die ärztliche Versorgung nicht, sondern verkomplizieren sie", sagt Christine Aschenberg-Dugnus. Offene Sprechstunde, das höre sich zwar gut an, fördere aber letztlich "Ärztehopping", so ihre Einschätzung.
"Negativ auswirken wird sich diese Maßnahme insbesondere für chronisch kranke Menschen sowie Routine- und Kontrolluntersuchungen, da die Ärztinnen und Ärzte schlicht keine Zeit mehr dafür haben werden", sagt die FDP-Parlamentarierin. Das bedeute einen Engpass in der regulären Versorgung.
Zudem seien die vorgesehenen Regelungen zu Mindestsprechstunden und Terminservicestellen umständlich, bürokratisch und atmeten den Geist einer Überwachungsmentalität, kritisiert Aschenberg-Dugnus. Wenn Ärzten vorgeschrieben würde, wie und wann sie sich um ihre Patienten kümmern sollen, werde die Freiberuflichkeit weiter eingeschränkt und der Arztberuf immer unattraktiver, warnt sie. (chb)
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